Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik
vom 6. April 1968
Die Verfassung der Deutsche Demokratische Republik tritt entsprechend § 10 des Gesetzes vom 26. März 1968 zur Durchführung eines Volksentscheides über die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik (GBl. I S. 192) am 9. April 1968 in Kraft.
Gliederung
Getragen von der Verantwortung, der ganzen
deutschen Nation den Weg in eine Zukunft des
Friedens und des Sozialismus zu weisen,
in
Ansehung der geschichtlichen Tatsache, daß der Imperialismus
unter Führung der USA im Einvernehmen mit Kreisen
des westdeutschen Monopolkapitals Deutschland gespalten hat,
um Westdeutschland zu einer Basis des Imperialismus
und des Kampfes gegen den Sozialismus aufzubauen,
was den Lebensinteressen der Nation widerspricht,
hat sich das Volk der Deutschen Demokratischen
Republik,
fest gegründet auf den
Errungenschaften der antifaschistisch-demokratischen und der
sozialistischen Umwälzung der gesellschaftlichen
Ordnung,
einig in seinen werktätigen
Klassen und Schichten das Werk der Verfassung
vom 7. Oktober 1949 in ihren Geiste
weiterführend
und von dem Willen erfüllt,
den Weg des Friedens, der sozialen Gerechtigkeit, der
Demokratie, des Sozialismus und der Völkerfreundschaft in
freier Entscheidung unbeirrt weiterzugehen,
diese sozialistische Verfassung gegeben.
A b s c h n
i t t I
Grundlagen der sozialistischen
Gesellschafts- und Staatsordnung
K a p i t e l
1
Politische Grundlagen
Artikel 1
Die Deutsche Demokratische Republik
ist ein sozialistischer Staat deutscher Nation. Sie
ist die politische Organisation der Werktätigen in Stadt und
Land, die gemeinsam unter Führung der
Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen
Partei den Sozialismus verwirklichen.
Der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik ist
Berlin.
Die Staatsflagge der Deutschen
Demokratischen Republik besteht aus den Farben
Schwarz-Rot-Gold und trägt auf beiden Seiten in der Mitte das
Staatswappen der Deutschen Demokratischen
Republik.
Das Staatswappen der Deutschen
Demokratischen Republik besteht aus Hammer und
Zirkel, umgeben von einem Ährenkranz, der im unteren Teil von
einem schwarz-rot-goldenen Band umschlungen
ist.
Artikel 2
(1) Alle politische Macht in der
Deutschen Demokratischen Republik wird von den
Werktätigen ausgeübt. Der Mensch steht im Mittelpunkt aller
Bemühungen der sozialistischen Gesellschaft und
ihres Staates. Das gesellschaftliche System des
Sozialismus wird ständig vervollkommnet.
(2) Das feste Bündnis der Arbeiterklasse mit der Klasse der
Genossenschaftsbauern, den Angehörigen der
Intelligenz und den anderen Schichten des Volkes, das
sozialistische Eigentum an Produktionsmitteln, die
Planung und Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung
und den fortgeschrittensten Erkenntnisse der Wissenschaft
bilden unantastbare Grundlagen der sozialistischen
Gesellschaftsordnung.
(3) Die Ausbeutung
des Menschen durch den Menschen ist für immer beseitigt. Was
des Volkes Hände schaffen, ist des Volkes Eigen. Das
sozialistische Prinzip "Jeder nach seinen
Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung" wird
verwirklicht.
(4) Die Übereinstimmung
der politischen, materiellen und kulturellen Interessen
der Werktätigen und ihrer Kollektive mit den
gesellschaftlichen Erfordernissen ist die
wichtigste Triebkraft der sozialistischen Gesellschaft.
Artikel 3
(1) Das Bündnis aller Kräfte des
Volkes findet in der Nationalen Front des
demokratischen Deutschland seinen organisatorischen
Ausdruck.
(2) In der Nationalen Front
des demokratischen Deutschland vereinigen die Parteien
und Massenorganisationen alle Kräfte des Volkes zum
gemeinsamen Handeln für die Entwicklung der
sozialistischen Gesellschaft. Dadurch verwirklichen sie das
Zusammenleben aller Bürger in der sozialistischen
Gemeinschaft nach dem Grundsatz, daß jeder
Verantwortung für das Ganze trägt.
Artikel 4
Alle Macht dient dem Wohle des Volkes. Sie sichert sein friedliches Leben, schützt die sozialistische Gesellschaft und gewährleistet die planmäßige Steigerung des Lebensstandards, die freie Entwicklung des Menschen, wahrt seine Würde und garantiert die in dieser Verfassung verbürgten Rechte.
Artikel 5
(1) Die Bürger der Deutschen
Demokratischen Republik üben ihre politische Macht
durch demokratisch gewählte Volksvertretungen aus.
(2) Die Volksvertretungen sind die Grundlage des
Systems der Staatsorgane. Sie stützen sich in ihrer
Tätigkeit auf die aktive Mitgestaltung der Bürger an der
Vorbereitung, Durchführung und Kontrolle ihrer
Entscheidungen.
(3) Zu keiner Zeit und
unter keinen Umständen können andere als die
verfassungsmäßig vorgesehenen Organe staatliche Macht
ausüben.
Artikel 6
(1) Die Deutsche Demokratische
Republik hat getreu den Interessen des deutschen
Volkes und der internationalen Verpflichtung aller Deutschen
auf ihrem Gebiet den deutschen Militarismus und
Nazismus ausgerottet und betreibt eine dem Frieden
und dem Sozialismus, der Völkerverständigung und der
Sicherheit dienende Außenpolitik.
(2)
Die Deutsche Demokratische Republik pflegt und entwickelt
entsprechend den Prinzipien des sozialistischen
Internationalismus die allseitige Zusammenarbeit und
Freundschaft mit der Union der Sozialistischen
Sowjetrepubliken und den anderen sozialistischen
Staaten.
(3) Die Deutsche Demokratische
Republik unterstützt die Bestrebungen der Völker
nach Freiheit und Unabhängigkeit und pflegt auf der Grundlage
der Gleichberechtigung und gegenseitigen Achtung
die Zusammenarbeit mit allen Staaten.
(4) Die Deutsche Demokratische Republik erstrebt eine System
der kollektiven Sicherheit in Europa und eine
stabile Friedensordnung in der Welt. Sie setzt sich für die
allgemeine Abrüstung ein.
(5)
Militaristische und revanchistische Propaganda in jeder Form,
Kriegshetze und Bekundung von Glaubens-, Rassen-
und Völkerhaß werden als Verbrechen geahndet.
Artikel 7
(1) Die Staatsorgane gewährleisten die
Unantastbarkeit des Staatsgebietes der Deutschen
Demokratischen Republik einschließlich des Luftraums und der
Territorialgewässer sowie den Schutz und die Nutzung
des Festlandsockels.
(2) Die Deutsche
Demokratische Republik organisiert die Landesverteidigung
sowie den Schutz der sozialistischen Ordnung und
des friedlichen Lebens der Bürger. Die Nationale
Volksarmee und die anderen Organe der Landesverteidigung
schützen die sozialistischen Errungenschaften des
Volkes gegen alle Angriffe von außen. Die Nationale
Volksarmee pflegt im Interesse der Wahrung des Friedens und
der Sicherung des sozialistischen Staates enge
Waffenbrüderschaft mit den Armeen der Sowjetunion und
anderer sozialistischer Staaten.
Artikel 8
(1) Die allgemein anerkannten, dem
Frieden und der friedlichen Zusammenarbeit der
Völker dienenden Regeln des Völkerrechts sind für die
Staatsmacht und jeden Bürger verbindlich. Die
Deutsche Demokratische Republik wird niemals einen
Eroberungskrieg unternehmen oder ihre Streitkräfte gegen die
Freiheit eines anderen Volkes einsetzen.
(2) Die Herstellung und Pflege normaler Beziehungen
und die Zusammenarbeit der beiden deutschen Staaten
auf der Grundlage der Gleichberechtigung sind nationales
Anliegen der Deutschen Demokratischen Republik. Die
Deutsche Demokratische Republik und ihre Bürger
erstreben darüber hinaus die Überwindung der vom Imperialismus
der deutschen Nation aufgezwungenen Spaltung
Deutschlands, die schrittweise Annäherung der beiden
deutschen Staaten bis zu ihrer Vereinigung auf der Grundlage
der Demokratie und des Sozialismus.
K a p i t e l
2
Ökonomische Grundlagen, Wissenschaft, Bildung und
Kultur
Artikel 9
(1) Die Volkswirtschaft der Deutsche
Demokratische Republik beruht auf dem
sozialistischen Eigentum an den Produktionsmitteln. Sie
entwickelt sich gemäß den ökonomischen Gesetzen des
Sozialismus auf der Grundlage der sozialistischen
Produktionsverhältnisse. Die sozialistischen
Produktionsverhältnisse entstanden als Ergebnis der
Kampfes gegen das monopolkapitalistische Wirtschaftssystem,
dessen aggressive und abenteuerliche Politik der
deutschen Nation bisher nur Unglück gebracht hat. Durch
die Entmachtung der Monopole und Großgrundbesitzer, durch
die Abschaffung der kapitalistischen
Profitwirtschaft wurde die Quelle der Kriegspolitik und der
Ausbeutung des Menschen durch den Menschen
beseitigt.
Das sozialistische Eigentum
hat sich bewährt.
(2) Die
Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik dient
der Stärkung der sozialistischen Ordnung , der
ständig besseren Befriedung der materiellen und
kulturellen Bedürfnisse der Bürger, der Entfaltung der
Persönlichkeit und ihrer sozialistischen
gesellschaftlichen Beziehungen.
(3) In
der Deutschen Demokratischen Republik gilt der Grundsatz der
Planung und Leitung der Volkswirtschaft sowie aller
anderen gesellschaftlichen Bereiche. Die
Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik ist
sozialistische Planwirtschaft. Das ökonomische
System des Sozialismus verbindet die zentrale staatliche
Planung und Leitung der Grundfragen der
gesellschaftlichen Entwicklung mit der Eigenverantwortung der
sozialistischen Warenproduzenten und der örtlichen
Staatsorgane.
(4) Die Festlegung des
Währungs- und Finanzsystems ist Sache des sozialistischen
Staates. Abgaben und Steuern werden auf der Grundlage
von Gesetzen erhoben.
(5) Die
Außenwirtschaft einschließlich des Außenhandels und der
Valutawirtschaft ist staatliches Monopol.
Artikel 10
(1) Das sozialistische Eigentum besteht
- als gesamtgesellschaftliches
Volkseigentum,
als genossenschaftliches Gemeineigentum werktätiger Kollektive sowie
als Eigentum gesellschaftlicher Organisationen der Bürger.
(2) Das sozialistische Eigentum zu schützen und zu mehren ist Pflicht des sozialistischen Staates und seiner Bürger.
Artikel 11
(1) Das persönliche Eigentum der
Bürger und das Erbrecht sind gewährleistet.
Das persönliche Eigentum dient der Befriedigung
der materiellen und kulturellen Bedürfnisse der
Bürger.
(2) Die Rechte von Urhebern und
Erfindern genießen den Schutz des sozialistischen
Staates.
(3) Der Gebrauch des Eigentums
sowie von Urheber- und Erfinderrechten darf den
Interessen der Gesellschaft nicht zuwiderlaufen.
Artikel 12
(1) Die Bodenschätze, die Bergwerke,
Kraftwerke, Talsperren und großen Gewässer, die
Naturreichtümer des Festlandsockels, größere
Industriebetriebe, Banken und
Versicherungseinrichtungen, die volkseigenen Güter, die
Verkehrswege, die Transportmittel der Eisenbahn,
der Seeschiffahrt sowie der Luftfahrt, die Post- und
Fernmeldeanlagen sind Volkseigentum. Privateigentum daran ist
unzulässig.
(2) Der sozialistische Staat
gewährleistet die Nutzung des Volkseigentums mit dem
Ziel des höchsten Ergebnisses für die Gesellschaft. Dem
dienen die sozialistische Planwirtschaft und das
sozialistische Wirtschaftsrecht. Die Nutzung und
Bewirtschaftung des Volkseigentums erfolgt
grundsätzlich durch die volkseigenen Betriebe und staatlichen
Einrichtungen. Seine Nutzung und Bewirtschaftung
kann der Staat durch Verträge genossenschaftlichen
oder gesellschaftlichen Organisationen und Vereinigungen
übertragen. Eine solche Übertragung hat den
Interessen der Allgemeinheit und der Mehrung des
gesellschaftlichen Reichtums zu dienen.
Artikel 13
Die Geräte, Maschinen, Anlagen, Bauten der landwirtschaftlichen, handwerklichen und sonstigen sozialistischen Genossenschaften sowie die Tierbestände der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und das aus genossenschaftlicher Nutzung des Bodens sowie genossenschaftlicher Produktionsmittel erzielte Ergebnis sind genossenschaftliches Eigentum.
Artikel 14
(1) Die Nutzung und der Betrieb
privater Wirtschaftsunternehmen und -einrichtungen
zu Erwerbszwecken müssen gesellschaftliche Bedürfnisse
befriedigen, der Erhöhung des Volkswohlstandes und
der Mehrung des gesellschaftlichen Reichstums
dienen.
(2) Das enge Zusammenwirken von
sozialistischen mit privaten Wirtschaftsunternehmen
und -einrichtungen wird vom Staat gefördert. In
Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen
Erfordernissen können private Betriebe auf Antrag staatliche
Beteiligung aufnehmen.
(3)
Privatwirtschaftliche Vereinigungen zur Begründung
wirtschaftlicher Macht sind nicht gestattet.
Artikel 15
(1) Der Boden der Deutschen
Demokratischen Republik gehört zu ihren kostbarsten
Naturreichtümern. Er muß geschützt und rationell genutzt
werden. Land- und forstwirtschaftlich genutzter
Boden darf nur mit Zustimmung der verantwortlichen
Organe seiner Zweckbestimmung entzogen werden.
(2) Im Interesse des Wohlergehens der Bürger sorgen
Staat und Gesellschaft für den Schutz der Natur.
Die Reinhaltung der Gewässer und der Luft sowie der Schutz der
Pflanzen- und Tierwelt und der landschaftlichen
Schönheit der Heimat sind durch die zuständigen
Organe zu gewährleisten und darüber hinaus auch Sache jedes
Bürgers.
Artikel 16
Enteignungen sind nur für gemeinnützige Zwecke auf gesetzlicher Grundlage und gegen eine angemessene Entschädigung zulässig. Sie dürfen nur erfolgen, wenn auf andere Weise der angestrebte gemeinnützige Zweck nicht erreicht werden kann.
Artikel 17
(1) Wissenschaft und Forschung sowie
die Anwendung ihrer Erkenntnisse sind wesentliche
Grundlage der sozialistischen Gesellschaft und werden durch
den Staat allseitig gefördert.
(2) Mit dem einheitlichen sozialistischen Bildungssystem
sichert die Deutsche Demokratische Republik allen
Bürgern eine den ständig steigenden gesellschaftlichen
Erfordernissen entsprechende hohe Bildung. Sie befähigt die
Bürger, die sozialistische Gesellschaft zu
gestalten und an der Entwicklung der sozialistischen
Demokratie schöpferisch mitzuwirken.
(3) Die Deutsche Demokratische Republik fördert
Wissenschaft und Bildung mit dem Ziel, die
Gesellschaft und das Leben der Bürger zu schützen und
bereichern, die wissenschaftlich-technischen
Revolution zu meistern sowie den ständigen Fortschritt der
sozialistischen Gesellschaft zu gewährleisten.
(4) Jeder gegen den Frieden, die
Völkerverständigung, gegen das Leben und die Würde
des Menschen gerichtete Mißbrauch der Wissenschaft ist
verboten.
Artikel 18
(1) Die sozialistischen Nationalkultur
gehört zu den Grundlagen der sozialistischen
Gesellschaft. Die Deutsche Demokratische Republik fördert und
schützt die sozialistische Kultur, die dem Frieden,
dem Humanismus und der Entwicklung der
sozialistischen Menschengemeinschaft dient. Sie bekämpft die
imperialistische Unkultur, die der psychologischen
Kriegführung und der Herabwürdigung des Menschen
dient. Die sozialistische Gesellschaft fördert das kulturvolle
Leben der Werktätigen, pflegt alle humanistischen
Werte der nationalen Kulturerbes und der Weltkultur und
entwickelt die sozialistische Nationalkultur als Sache des
ganzen Volkes.
(2) Die Förderung der
Künste, der künstlerischen Interessen und Fähigkeiten
aller Werktätigen und die Verbreitung künstlerischer Werke
und Leistungen sind Obliegenheiten des Staates und
aller gesellschaftlichen Kräfte. Das künstlerische
Schaffen beruht auf einer engen Verbindung der
Kulturschaffenden mit dem Leben des Volkes.
(3) Körperkultur, Sport und Touristik als Elemente der
sozialistischen Kultur dienen der allseitigen
körperlichen und geistigen Entwicklung der Bürger.
A b s c h n
i t t II
Bürger und Gemeinschaften in der
sozialistischen Gesellschaft
K a p i t e l
1
Grundrechte und Grundpflichten der Bürger
Artikel 19
(1) Die Deutsche Demokratische
Republik garantiert allen Bürgern die Ausübung
ihrer Rechte und ihre Mitwirkung an der Leitung der
gesellschaftlichen Entwicklung. Sie gewährleistet
die sozialistische Gesetzlichkeit und Rechtssicherheit.
(2) Achtung und Schutz der Würde und Freiheit
der Persönlichkeit sind Gebot für alle staatlichen
Organe, alle gesellschaftlichen Kräfte und jeden einzelnen
Bürger.
(3) Frei von Ausbeutung,
Unterdrückung und wirtschaftlicher Abhängigkeit hat
jeder Bürger gleiche Rechte und vielfältige Möglichkeiten,
seine Fähigkeiten in vollem Umfang zu entwickeln
und sein Kräfte aus freiem Entschluß zum Wohle der
Gesellschaft und zu seinem eigenen Nutzen in der
sozialistischen Gemeinschaft ungehindert zu entfalten. So
verwirklicht er Freiheit und Würde seiner
Persönlichkeit. Die Beziehungen der Bürger werden
durch gegenseitige Achtung und Hilfe, durch die Grundsätze
sozialistischer Moral geprägt.
(4) Die Bedingungen für den Erwerb und den Verlust der
Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen
Republik werden durch Gesetz bestimmt.
Artikel 20
(1) Jeder Bürger der Deutschen
Demokratischen Republik hat unabhängig von seiner
Nationalität, seiner Rasse, seinem weltanschaulichen oder
religiösen Bekenntnis, seiner sozialen Herkunft und
Stellung die gleichen Rechte und Pflichten.
Gewissens- und Glaubensfreiheit sind gewährleistet. Alle
Bürger sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Mann und Frau sind gleichberechtigt und haben
gleiche Rechtsstellung in allen Bereichen des
gesellschaftlichen, staatlichen und persönlichen Lebens. Die
Förderung der Frau, besonders in der beruflichen
Qualifizierung, ist eine gesellschaftliche und
staatliche Aufgabe.
(3) Die Jugend wird
in ihrer gesellschaftlichen und beruflichen Entwicklung
besonders gefördert. Sie hat alle Möglichkeiten, an der
Entwicklung der sozialistischen
Gesellschaftsordnung verantwortungsbewußt teilzunehmen.
Artikel 21
(1) Jeder Bürger der Deutschen
Demokratischen Republik hat das Recht, das
politische, wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Leben der sozialistischen Gemeinschaft und
des sozialistischen Staates umfassend
mitzugestalten. Es gilt der Grundsatz "Arbeite mit,
plane mit, regiere mit!"
(2) Das Recht auf Mitbestimmung und
Mitgestaltung ist dadurch gewährleistet, daß
die Bürger
alle Machtorgane demokratisch wählen, an ihrer Tätigkeit und an der Planung, Leitung und Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens mitwirken;
Rechenschaft von den Volksvertretungen, ihren Abgeordneten, den Leitern staatlicher und wirtschaftlicher Organe über ihre Tätigkeit fordern können;
mit der Autorität ihrer gesellschaftlichen Organisationen ihrem Wollen und ihren Forderungen Ausdruck geben;
sich mit ihren Anliegen und Vorschlägen an die gesellschaftlichen, staatlichen und wirtschaftlichen Organe und Einrichtungen wenden können;
in Volksabstimmungen ihren Willen bekunden.
(3) Die Verwirklichung dieses
Rechts der Mitbestimmung und
Mitgestaltung ist zugleich eine hohe moralische
Verpflichtung für jeden Bürger.
Die Ausübung gesellschaftlicher oder
staatlicher Funktionen findet die Anerkennung
und Unterstützung der Gesellschaft und des
Staates.
Artikel 22
(1) Jeder Bürger der Deutschen
Demokratischen Republik, der am Wahltag das 18.
Lebensjahr vollendet hat, ist wahlberechtigt.
(2) Jeder Bürger kann in die örtlichen
Volksvertretungen gewählt werden, wenn er am
Wahltage das 18. Lebensjahr vollendet hat. Er kann in die
Volkskammer gewählt werden, wenn er am Wahltage das
21. Lebensjahr vollendet hat.
(3) Die
Leitung der Wahlen durch demokratisch gebildete
Wahlkommissionen, die Volksaussprache über die
Grundfragen der Politik und die Aufstellung und Prüfung der
Kandidaten durch die Wähler sind unverzichtbare
sozialistische Wahlprinzipien.
Artikel 23
(1) Der Schutz des Friedens und des
sozialistischen Vaterlandes und seiner
Errungenschaften ist Recht und Ehrenpflicht der Bürger der
Deutschen Demokratischen Republik. Jeder Bürger ist
zum Dienst und zu Leistungen für die Verteidigung
der Deutschen Demokratischen Republik entsprechend den
Gesetzen verpflichtet.
(2) Kein Bürger
darf an kriegerischen Handlungen und ihrer Vorbereitung
teilnehmen, die der Unterdrückung eines Volkes dienen.
(3) Die Deutsche Demokratische Republik kann
Bürgern anderer Staaten oder Staatenlosen Asyl
gewähren, wenn sie wegen politischer, wissenschaftlicher oder
kultureller Tätigkeit zur Verteidigung des Friedens,
der Demokratie, der Interessen des werktätigen
Volkes oder wegen ihrer Teilnahme am sozialen und nationalen
Befreiungskampf verfolgt werden.
Artikel 24
(1) Jeder Bürger der Deutschen
Demokratischen Republik hat das Recht auf
Arbeit. Er hat das Recht auf einen Arbeitsplatz
und dessen freie Wahl entsprechend den
gesellschaftlichen Erfordernissen und der
persönlichen Qualifikation. Er hat das Recht auf Lohn
nach Qualität und Quantität der Arbeit.
Mann und Frau, Erwachsene und Jugendliche haben das
Recht auf gleichen Lohn bei gleicher
Arbeitsleistung.
(2)
Gesellschaftlich nützliche Tätigkeit ist eine ehrenvolle
Pflicht für jeden arbeitsfähigen Bürger.
Das Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit bilden
eine Einheit.
(3) Das Recht auf Arbeit wird gewährleistet
durch das sozialistische Eigentum an den Produktionsmitteln;
durch die sozialistische Planung und Leitung des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses;
durch das stetige und planmäßige Wachstum der sozialistischen Produktivkräfte und der Arbeitsproduktivität;
durch die konsequente Durchführung der wissenschaftlich-technischen Revolution;
durch ständige Bildung und Weiterbildung der Bürger und
durch das einheitliche sozialistische Arbeitsrecht.
Artikel 25
(1) Jeder Bürger der Deutschen
Demokratischen Republik hat das gleiche Recht auf
Bildung. Die Bildungsstätten stehen jedermann offen. Das
einheitliche sozialistische Bildungssystem
gewährleistet jedem Bürger eine kontinuierliche
sozialistische Erziehung, Bildung und Weiterbildung.
(2) Die Deutsche Demokratische Republik sichert
das Voranschreiten des Volkes zur sozialistischen
Gemeinschaft allseitig gebildeter und harmonisch entwickelter
Menschen, die vom Geist des sozialistischen
Patriotismus und Internationalismus durchdrungen sind
und über eine hohe Allgemeinbildung und Spezialbildung
verfügen.
(3) Alle Bürger haben das
Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben. Es erlangt
unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen
Revolution und der Erhöhung der geistigen
Anforderungen wachsende Bedeutung. Zur vollständigen
Ausprägung der sozialistischen Persönlichkeit und
zur wachsenden Befriedigung der kulturellen Interessen
und Bedürfnisse wird die Teilnahme der Bürger am
kulturellen Leben, an der Körperkultur und am Sport
durch den Staat und die Gesellschaft gefördert.
(4) In der Deutschen Demokratischen Republik besteht
allgemeine zehnjährige Oberschulpflicht, die durch
den Besuch der zehnklassigen allgemeinbildenden
polytechnischen Oberschule zu erfüllen ist. in bestimmten
Fällen kann die Oberschulbildung in den
Einrichtungen der Berufsausbildung oder der Aus- und
Weiterbildung der Werktätigen beendet werden. Alle
Jugendlichen haben das Recht und die Pflicht, einen
Beruf zu erlernen.
(5) Für Kinder und
Erwachsene mit psychischen und physischen Schädigungen
bestehen Sonderschul- und –ausbildungseinrichtungen.
(6) Die Lösung dieser Aufgaben wird durch den
Staat und alle gesellschaftlichen Kräfte in
gemeinsamer Bildungs- und Erziehungsarbeit gesichert.
Artikel 26
(1) Der Staat sichert die Möglichkeit
des Übergangs zur nächsthöheren Bildungsstufe bis
zu den höchsten Bildungsstätten, den Universitäten
und Hochschulen, entsprechend dem Leistungsprinzip, den
gesellschaftlichen Erfordernissen und unter
Berücksichtigung der sozialen Struktur der Bevölkerung.
(2) Es besteht Schulgeldfreiheit.
Ausbildungsbeihilfen und Lernmittelfreiheit werden
nach sozialen Gesichtspunkten gewährt.
(3) Direktstudenten an den Universitäten, Hoch- und
Fachschulen sind von Studiengebühren befreit.
Stipendien und Studienbeihilfen werden nach
sozialen Gesichtspunkten und nach Leistung
gewährt.
Artikel 27
(1) Jeder Bürger der Deutschen
Demokratischen Republik hat das Recht, den
Grundsätzen dieser Verfassung gemäß seine Meinung frei und
öffentlich zu äußern. Dieses Recht wird durch kein
Dienst- oder Arbeitsverhältnis beschränkt. Niemand
darf benachteiligt werden, wenn er von diesem Recht Gebrauch
macht.
(2) Die Freiheit der Presse, des
Rundfunks und des Fernsehens ist gewährleistet.
Artikel 28
(1) Alle Bürger haben das Recht, sich
im Rahmen der Grundsätze und Ziele der Verfassung
friedlich zu versammeln.
(2) Die Nutzung
der materiellen Voraussetzungen zur ungehinderten Ausübung
dieses Rechts, der Versammlungsgebäude, Straßen und
Kundgebungsplätze, Druckereien und
Nachrichtenmittel wird gewährleistet.
Artikel 29
Die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik haben das Recht auf Vereinigung, um durch gemeinsames Handeln in politischen Parteien, gesellschaftlichen Organisationen, Vereinigungen und Kollektiven ihre Interessen in Übereinstimmung mit den Grundsätzen und Zielen der Verfassung zu verwirklichen.
Artikel 30
(1) Die Persönlichkeit und die
Freiheit jedes Bürgers der Deutschen Demokratischen
Republik sind unantastbar.
(2)
Einschränkungen sind nur im zusammenhang mit strafbaren
Handlungen oder einer Heilbehandlung zulässig und
müssen gesetzlich begründet sein. Dabei dürfen die Rechte
solcher Bürger nur insoweit eingeschränkt werden, als
dies gesetzlich zulässig und unumgänglich ist.
(3) Zum Schutz seiner Freiheit und der
Unantastbarkeit seiner Persönlichkeit hat jeder
Bürger den Anspruch auf die Hilfe der staatlichen und
gesellschaftlichen Organe.
Artikel 31
(1) Post- und Fernmeldegeheimnis sind
unverletzbar.
(2) Sie dürfen nur auf
gesetzlicher Grundlage eingeschränkt werden, wenn es die
Sicherheit des sozialistischen Staates oder eine
strafrechtliche Verfolgung erfordern.
Artikel 32
Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat im Rahmen der Gesetze das Recht auf Freizügigkeit innerhalb des Staatsgebietes der Deutschen Demokratischen Republik.
Artikel 33
(1) Jeder Bürger der Deutschen
Demokratischen Republik hat bei Aufenthalt
außerhalb der Deutschen Demokratischen Republik Anspruch auf
Rechtsschutz durch die Organe der Deutschen
Demokratischen Republik.
(2) Kein Bürger
der Deutschen Demokratischen Republik darf einer auswärtigen
Macht ausgeliefert werden.
Artikel 34
(1) Jeder Bürger der
Deutschen Demokratischen Republik hat das
Recht auf Freizeit und Erholung.
(2) Das Recht auf Freizeit und Erholung wird
gewährleistet
durch die gesetzliche Begrenzung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit,
durch einen vollbezahlten Jahresurlaub und
durch den planmäßigen Ausbau des Netzes volkseigener und anderer gesellschaftlicher Erholungs- und Urlaubszentren.
Artikel 35
(1) Jeder Bürger der Deutschen
Demokratischen Republik hat das Recht auf Schutz
seiner Gesundheit und seiner Arbeitskraft.
(2) Dieses Recht wird durch die planmäßige Verbesserung
der Arbeits- und Lebensbedingungen, die Pflege der
Volksgesundheit, eine umfassenden Sozialpolitik, die
Förderung der Körperkultur, des Schul- und Volkssports und
der Touristik gewährleistet.
(3) Auf der
Grundlage eines sozialen Versicherungssystems werden bei
Krankheit und Unfällen materielle Sicherheit,
unentgeltliche ärztliche Hilfe, Arzneimittel und andere
medizinische Sachleistungen gewährt.
Artikel 36
(1) Jeder Bürger der Deutschen
Demokratischen Republik hat das Recht auf Fürsorge
der Gesellschaft im Alter und bei Invalidität.
(2) Dieses Recht wird durch eine steigende materielle,
soziale und kulturelle Versorgung und Betreuung
alter und arbeitsunfähiger Bürger gewährleistet.
Artikel 37
(1) Jeder Bürger der Deutschen
Demokratischen Republik hat das Recht auf Wohnraum
für sich und seine Familie entsprechend den
volkswirtschaftlichen Möglichkeiten und örtlichen
Bedingungen. Der Staat ist verpflichtet, dieses Recht durch
die Förderung des Wohnungsbaus, die Werterhaltung
vorhanden Wohnraums und die öffentliche Kontrolle
über die gerechte Verteilung des Wohnraums zu
verwirklichen.
(2) Es besteht
Rechtsschutz bei Kündigungen.
(3) Jeder
Bürger hat das Recht auf Unverletzbarkeit seiner Wohnung.
Artikel 38
(1) Ehe, Familie und Mutterschaft
stehen unter dem besonderen Schutz des Staates.
Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen
Republik hat das Recht auf Achtung, Schutz und
Förderung der Ehe und Familie.
(2)
Dieses Recht wird durch die Gleichberechtigung von Mann und
Frau in der Ehe und Familie, durch die
gesellschaftliche und staatliche Unterstützung der Bürger bei
der Festigung und Entwicklung ihrer Ehe und Familie
gewährleistet. Kinderreichen Familien,
alleinstehenden Müttern und Vätern gilt die Fürsorge und
Unterstützung des sozialistischen Staates durch
besondere Maßnahmen.
(3) Mutter und Kind
genießen den besonderen Schutz des sozialistischen Staates.
Schwangerschaftsurlaub, spezielle medizinische
Betreuung, materielle und finanzielle Unterstützung
bei Geburten und Kindergeld werden gewährt.
(4) Es ist das Recht und die vornehmste Pflicht der
Eltern, ihre Kinder zu gesunden und lebensfrohen,
tüchtigen und allseitig gebildeten Menschen, zu staatsbewußten
Bürgern zu erziehen. Die Eltern haben Anspruch auf
ein enges und vertrauensvolles Zusammenwirken mit
den gesellschaftlichen und staatlichen Erziehungs- und
Bildungseinrichtungen.
Artikel 39
(1) Jeder Bürger der Deutschen
Demokratischen Republik hat das Recht, sich zu
einem religiösen Glauben zu bekennen und religiöse Handlungen
auszuüben.
(2) Kirchen und andere
Religionsgemeinschaften ordnen ihre Angelegenheiten und
üben ihre Tätigkeit aus in Übereinstimmung mit der
Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen der
Deutschen Demokratischen Republik. Näheres kann durch
Vereinbarungen geregelt werden.
Artikel 40
Bürger der Deutschen Demokratischen Republik sorbischer Nationalität haben das Recht zur Pflege ihrer Muttersprache und Kultur. Die Ausübung dieses Rechts wird vom Staat gefördert.
K a p i t e l
2
Betriebe, Städte und Gemeinden in der
sozialistischen Gesellschaft
Artikel 41
Die sozialistischen Betriebe, Städte, Gemeinden und Gemeindeverbände sind im Rahmen der zentralen staatlichen Leitung und Planung eigenverantwortliche Gemeinschaften, in denen die Bürger arbeiten und ihre gesellschaftlichen Verhältnisse gestalten. Sie sichern die Wahrnehmung der Grundrechte der Bürger, die wirksame Verbindung der persönlichen mit den gesellschaftlichen Interessen sowie ein vielfältiges gesellschaftlich-politisches und kulturell-geistiges Leben. Sie stehen unter dem Schutz der Verfassung. Eingriffe in ihre Rechte können nur auf der Grundlage von Gesetzen erfolgen.
Artikel 42
(1) Im Betrieb, dessen Tätigkeit die
Grundlage für die Schaffung und Mehrung des
gesellschaftlichen Reichtums ist, wirken die Werktätigen
unmittelbar und mit Hilfe ihrer gewählten Organe an
der Leitung mit. Näheres regeln Gesetze oder
Statuten.
(2) Zur Erhöhung der
gesellschaftlichen Produktivität können von den staatlichen
Organen, den Betrieben und Genossenschaften
Vereinigungen und Gesellschaften gebildet sowie
andere Formen der kooperativen Zusammenarbeit entwickelt
werden.
Artikel 43
(1) Die Städte, Gemeinden und
Gemeindeverbände der Deutschen Demokratischen
Republik gestalten die notwendigen Bedingungen für ein ständig
bessere Befriedigung der materiellen, sozialen,
kulturellen und sonstigen gemeinsamen Bedürfnisse
der Bürger. Zur Lösung dieser Aufgaben arbeiten sie mit den
Betrieben und Genossenschaften ihres Gebietes
zusammen. Alle Bürger nehmen daran durch die Ausübung
ihrer politischen Rechte teil.
(2) Die
Verantwortung für die Verwirklichung der gesellschaftlichen
Funktion der Städte und Gemeinden obliegt den von
den Bürgern gewählten Volksvertretungen. Sie
entscheiden eigenverantwortlich auf der Grundlage der Gesetze
über ihre Angelegenheiten. Sie tragen die
Verantwortung für die rationelle Nutzung aller Werte des
Volksvermögens, über die sie verfügen.
K a p i t e l
3
Die Gewerkschaften und ihre Rechte
Artikel 44
(1) Die freien Gewerkschaften,
vereinigt im Freien Deutschen
Gewerkschaftsbund, sind die umfassende
Klassenorganisation der Arbeiterklasse.
Sie nehmen die Interessen der Arbeiter, Angestellten und
Angehörigen der Intelligenz durch
umfassende Mitbestimmung in Staat, Wirtschaft und
Gesellschaft wahr.
(2) Die
Gewerkschaften sind unabhängig. Niemand darf sie in
ihrer Tätigkeit einschränken oder
behindern.
(3) Die
Gewerkschaften nehmen durch die Tätigkeit ihrer
Organisationen und Organe, durch ihre
Vertreter in den gewählten staatlichen Machtorganen und
durch ihre Vorschläge an die staatlichen
und wirtschaftlichen Organe maßgeblich teil
an der Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft,
an der Planung und Leitung der Volkswirtschaft,
an der Verwirklichung der wissenschaftlich-technischen Revolution,
an der Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen, des Gesundheits- und Arbeitsschutzes, der Arbeitskultur, des kulturellen und sportlichen Lebens der Werktätigen.
Die Gewerkschaften arbeiten in den Betrieben und Institutionen an der Ausarbeitung der Pläne mit und sind in den Gesellschaftlichen Räten der Vereinigungen Volkseigener Betriebe und in den Produktionskomitees der Betriebe und Kombinate vertreten. Sie organisieren die Ständigen Produktionsberatungen.
Artikel 45
(1) Die Gewerkschaften haben das
Recht, über alle die Arbeits- und
Lebensbedingungen der Werktätigen betreffenden Fragen mit
staatlichen Organen, mit Betriebsleitungen und
anderen wirtschaftlichen Organen Vereinbarungen
abzuschließen.
(2) Die Gewerkschaften
nehmen aktiv Anteil an der Gestaltung der sozialistischen
Rechtsordnung. Sie besitzen das Recht der
Gesetzesinitiative sowie der gesellschaftlichen
Kontrolle über die Wahrung der gesetzlich garantierten Rechte
der Werktätigen.
(3) Die Gewerkschaften
leiten die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten
auf der Grundlage der Selbstverwaltung der
Versicherten. Sie nehmen an der umfassenden
materiellen und finanziellen Versorgung und Betreuung der
Bürger bei Krankheit, Arbeitsunfall, Invalidität
und im Alter teil.
(4) Alle Staatsorgane
und Wirtschaftsleiter sind verpflichtet, für eine enge und
vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften
Sorge zu tragen.
K a p i t e l
4
Die sozialistischen Produktionsgenossenschaften
und ihre Rechte
Artikel 46
(1) Die landwirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaften sind die freiwilligen
Vereinigungen der Bauern zur gemeinsamen sozialistischen
Produktion, zur ständig besseren Befriedigung ihrer
materiellen und kulturellen Bedürfnisse und zur
Versorgung des Volkes und der Volkswirtschaft. Sie gestalten
auf der Grundlage der Gesetze eigenverantwortlich
ihre Arbeits- und Lebensbedingungen.
(2)
Durch ihre Organisationen und ihre Vertreter in den
Staatsorganen nehmen die landwirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaften aktiv an der staatlichen Planung
und Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung
teil.
(3) Der Staat hilft den
landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, die
sozialistische Großproduktion auf der Grundlage
fortgeschrittener Wissenschaft und Technik zu
entwickeln.
(4) Für die sozialistischen
Produktionsgenossenschaften der Fischer, der Gärtner
und der Handwerker gelten die gleichen Grundsätze.
A b s c h
n i t t III
Aufbau und System der staatlichen
Leitung
Artikel 47
(1) Der Aufbau und die Tätigkeit der
staatlichen Organe werden durch die in dieser
Verfassung festgelegten Ziele und Aufgaben der Staatsmacht
bestimmt.
(2) Die Souveränität des
werktätigen Volkes, verwirklicht auf der Grundlage des
demokratischen Zentralismus, ist das tragende Prinzip des
Staatsaufbaus.
K a p i t e l
1
Die Volkskammer
Artikel 48
(1) Die Volkskammer ist das oberste
staatliche Machtorgan der Deutschen Demokratischen
Republik. Sie entscheidet in ihren Plenarsitzungen über die
Grundfragen der Staatspolitik.
(2) Die Volkskammer ist das einzige verfassungs- und
gesetzgebende Organ in der Deutschen Demokratischen
Republik. Niemand kann ihre Rechte einschränken.
Die Volkskammer verwirklicht in ihrer Tätigkeit den
Grundsatz der Einheit von Beschlußfassung und
Durchführung.
Artikel 49
(1) Die Volkskammer bestimmt durch
Gesetze und Beschlüsse endgültig und für jedermann
verbindlich die Ziele der Entwicklung der Deutschen
Demokratischen Republik.
(2) Die
Volkskammer legt die Hauptregeln für das Zusammenwirken der
Bürger, Gemeinschaften und Staatsorgane sowie deren
Aufgaben bei der Durchführung der staatlichen Pläne
der gesellschaftlichen Entwicklung fest.
(3) Die Volkskammer gewährleistet die Verwirklichung ihrer
Gesetze und Beschlüsse. Sie bestimmt die Grundsätze
der Tätigkeit des Staatsrates, des Ministerrates,
des Nationalen Verteidigungsrates, des Obersten Gerichts und
des Generalstaatsanwalts.
Artikel 50
Die Volkskammer wählt den Vorsitzenden und die Mitglieder des Staatsrates, den Vorsitzenden und die Mitglieder des Ministerrates, den Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates, den Präsidenten und die Richter des Obersten Gerichts und den Generalstaatsanwalt. Sie können jederzeit von der Volkskammer abberufen werden.
Artikel 51
Die Volkskammer bestätigt Staatsverträge der Deutschen Demokratischen Republik und andere völkerrechtliche Verträge, soweit durch sie Gesetze der Volkskammer geändert werden. Sie entscheidet über die Kündigung dieser Verträge.
Artikel 52
Die Volkskammer beschließt über den Verteidigungszustand der Deutschen Demokratischen Republik. Im Dringlichkeitsfalle ist der Staatsrat berechtigt, den Verteidigungszustand zu beschießen. Der Vorsitzende des Staatsrates verkündet den Verteidigungszustand.
Artikel 53
Die Volkskammer kann die Durchführung von Volksabstimmungen beschließen.
Artikel 54
Die Volkskammer besteht aus 500 Abgeordneten, die vom Volke auf die Dauer von 4 Jahren in freier, allgemeiner, gleicher und geheimer Wahl gewählt werden.
Artikel 55
(1) Die Volkskammer wählt für die
Dauer der Wahlperiode ein Präsidium.
Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten der
Volkskammer, einem Stellvertreter des Präsidenten
und weiteren Mitgliedern.
(2) Dem
Präsidium obliegt die Tagungsleitung der Plenarsitzungen.
Weitere Aufgaben regelt die Geschäftsordnung der
Volkskammer.
Artikel 56
(1) Die Abgeordneten der Volkskammer
erfüllen ihre verantwortungsvollen Aufgaben im
Interesse und zum Wohl des gesamten Volkes.
(2) Die Abgeordneten fördern die Mitwirkung der Bürger
an der Vorbereitung und Verwirklichung der Gesetze
in Zusammenarbeit mit den Ausschüssen der Nationalen Front des
demokratischen Deutschland, den gesellschaftlichen
Organisationen und den staatlichen Organen.
(3) Die Abgeordneten halten enge Verbindung zu
ihren Wählern. Sie sind verpflichtet, deren
Vorschläge, Hinweise und Kritiken zu beachten und für eine
gewissenhafte Behandlung Sorge zu tragen.
(4) Die Abgeordneten erläutern den Bürgern die Politik
des sozialistischen Staates.
Artikel 57
(1) Die Abgeordneten der Volkskammer
sind verpflichtet, regelmäßig Sprechstunden und
Aussprachen durchzuführen sowie den Wählern über ihre
Tätigkeit Rechenschaft zu legen.
(2)
Ein Abgeordneter, der seine Pflichten gröblich verletzt, kann
von den Wählern gemäß dem gesetzliche festgelegten
Verfahren abberufen werden.
Artikel 58
Die Abgeordneten der Volkskammer haben das Recht, an den Tagungen der örtlichen Volksvertretungen mit beratender Stimme teilzunehmen.
Artikel 59
Jeder Abgeordnete der Volkskammer hat das Recht, Anfragen an den Ministerrat und jedes seiner Mitglieder zu richten.
Artikel 60
(1) Alle staatlichen und
wirtschaftlichen Organe sind verpflichtet, die
Abgeordneten bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu
unterstützen.
(2) Die Abgeordneten der
Volkskammer besitzen die Rechte der Immunität.
Beschränkungen der persönlichen Freiheit, Hausdurchsuchungen,
Beschlagnahmen oder Strafverfolgung sind gegen
Angeordnete der Volkskammer nur mit Zustimmung der Volkskammer
oder in der Zeit zwischen ihren Tagungen mit
Zustimmung des Staatsrates zulässig. Die
Entscheidung des Staatsrates bedarf der Bestätigung durch die
Volkskammer.
Die Abgeordneten der
Volkskammer sind berechtigt, über Personen, die ihnen in
ihrer Eigenschaft als Abgeordnete Tatsachen anvertrauen
oder denen sie in Ausübung ihrer
Abgeordnetentätigkeit solche Tatsachen anvertraut haben, sowie
über diese Tatsachen selbst die Aussage zu
verweigern.
(3) Den Abgeordneten dürfen
aus ihrer Abgeordnetentätigkeit keinerlei berufliche
oder sonstige persönliche Nachteile entstehen. Sie sind von
ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt, soweit
die Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Abgeordnete es erfordert.
Gehälter und Löhne sind weiterzuzahlen.
Artikel 61
(1) Die Volkskammer bildet in ihrer
Mitte Ausschüsse. Ihnen obliegt in enger
Zusammenarbeit mit den Wählern die Beratung von
Gesetzentwürfen und die ständige Kontrolle der
Durchführung der Gesetze.
(2) Die
Ausschüsse können die Anwesenheit der zuständigen Minister und
Leiter anderer staatlicher Organe in ihren
Beratungen zum Zwecke der Erteilung von Auskünften
verlangen. Alle Staatsorgane sind verpflichtet, den
Ausschüssen die erforderlichen Informationen zu
erteilen.
(3) Die Ausschüsse haben das
Recht, Fachleute zur ständigen oder zeitweiligen
Mitarbeit heranzuziehen.
Artikel 62
(1) Die Volkskammer tritt spätestens
am 30. Tage nach ihrer Wahl zusammen. Ihre erste
Tagung wird vom Staatsrat einberufen.
(2) Die Tagungen der Volkskammer sind öffentlich. Auf Antrag
von mindestens zwei Dritteln der anwesenden
Abgeordneten kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen
werden.
Artikel 63
(1) Die Volkskammer ist beschlußfähig,
wenn mehr als die Hälfte der Abgeordneten anwesend
sind.
(2) Die Volkskammer faßt ihre
Beschlüsse mit Stimmenmehrheit. Verfassungsändernde
Gesetze sind beschlossen, wenn mindesten zwei Drittel der
gewählten Abgeordneten zustimmen.
Artikel 64
(1) Vor Ablauf der Wahlperiode findet
eine Auflösung der Volkskammer nur durch eigenen
Beschluß statt.
(2) Ein solcher Beschluß
bedarf der Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der
gewählten Abgeordneten.
(3)
Spätestens am 60. Tage nach Ablauf der Wahlperiode oder am 45.
Tage nach Auflösung der Volkskammer muß deren
Neuwahl stattfinden.
Artikel 65
(1) Das Recht zur Einbringung von
Gesetzesvorlagen haben die Angeordneten der in der
Volkskammer vertretenen Parteien und Massenorganisationen, die
Ausschüsse der Volkskammer, der Staatsrat, der
Ministerrat und der Freie Deutsche
Gewerkschaftsbund.
(2) In Vorbereitung
der Tagungen der Volkskammer behandelt der Staatsrat
Gesetzesvorlagen und prüft deren Verfassungsmäßigkeit.
(3) Die Ausschüsse der Volkskammer beraten die
Gesetzesvorlagen und legen ihre Auffassung dem
Plenum der Volkskammer vor. Sie werden in ihrer Tätigkeit vom
Staatsrat unterstützt.
(4)
Entwürfe grundlegender Gesetze werden vor ihrer Verabschiedung
der Bevölkerung zur Erörterung unterbreitet. Die
Ergebnisse der Volksdiskussion sind bei der
endgültigen Fassung auszuwerten.
(5) Die
von der Volkskammer verabschiedeten Gesetze werden vom
Vorsitzenden des Staatsrates innerhalb eines Monats
im Gesetzblatt verkündet.
(6) Gesetze
treten am 14. Tag nach ihrer Verkündigung in Kraft, soweit sie
nicht anderes bestimmen.
K a p i t e l
2
Der Staatsrat
Artikel 66
(1) Der Staatsrat erfüllt als Organ
der Volkskammer zwischen den Tagungen der
Volkskammer alle grundsätzlichen Aufgaben, die sich aus den
Gesetzen und Beschlüsse der Volkskammer ergeben. Er
ist der Volkskammer für seine Tätigkeit
verantwortlich.
(2) Der Vorsitzende des
Staatsrates vertritt die Deutsche Demokratische Republik
völkerrechtlich. Der Staatsrat entscheidet über den
Abschluß der Staatsverträge der Deutschen
Demokratischen Republik. Sie werden vom Vorsitzenden des
Staatsrates ratifiziert. Der Staatsrat kündigt
Staatsverträge.
Artikel 67
(1) Der Staatsrat besteht aus dem
Vorsitzendem, seinen Stellvertretern, den
Mitgliedern und dem Sekretär.
(2) Der
Vorsitzende, die Stellvertreter des Vorsitzenden, die
Mitglieder und der Sekretär des Staatsrates werden
von der Volkskammer auf ihrer ersten Tagung nach der
Neuwahl auf die Dauer von 4 Jahren gewählt.
(3) Nach Ablauf der Wahlperiode der Volkskammer setzt
der Staatsrat seine Tätigkeit bis zur Wahl des
neuen Staatsrates durch die Volkskammer fort.
Artikel 68
Der Vorsitzende, die Stellvertreter
des Vorsitzenden, die Mitglieder und der Sekretär
des Staatsrates leisten bei ihrem Amtsantritt der Volkskammer
folgenden Eid:
"Ich schwöre,
daß ich meine Kraft dem Wohle des Volkes der Deutschen
Demokratischen Republik widmen, ihre Verfassung und die
Gesetze wahren, meine Pflichten gewissenhaft
erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber jedermann üben
werde."
Artikel 69
Der Vorsitzende leitet die Arbeit des Staatsrates.
Artikel 70
(1) Der Staatsrat behandelt Vorlagen
an die Volkskammer und veranlaßt ihre Beratung in
den Ausschüssen der Volkskammer.
(2) Auf
Beschluß der Volkskammer oder aus eigener Initiative beruft
der Staatsrat die Tagungen der Volkskammer ein.
(3) Der Staatsrat ist verpflichtet, die
Volkskammer jederzeit einzuberufen, wenn mindestens
ein Drittel der Abgeordneten es verlangt.
Artikel 71
(1) Der Staatsrat regelt die
grundsätzlichen Aufgaben, die sich aus den Gesetzen
und Beschlüssen der Volkskammer ergeben, durch Erlasse. Sie
werden der Volkskammer zur Bestätigung
vorgelegt.
(2) Erlasse und Beschlüsse
des Staatsrates sind rechtsverbindlich.
(3) Der Staatsrat legt die Verfassung und die Gesetze
verbindlich aus, soweit dies nicht durch die
Volkskammer selbst erfolgt.
Artikel 72
Der Staatsrat schreibt die Wahlen zur Volkskammer und zu den anderen Volksvertretungen aus.
Artikel 73
(1) Der Staatsrat faßt grundsätzliche
Beschlüsse zu Fragen der Verteidigung und
Sicherheit des Landes. Er organisiert die Landesverteidigung
mit Hilfe des Nationalen Verteidigungsrates.
(2) Der Staatsrat beruft die Mitglieder des
Nationalen Verteidigungsrates. Der Nationale
Verteidigungsrat ist der Volkskammer und dem Staatsrat für
seine Tätigkeit verantwortlich.
Artikel 74
Der Staatsrat nimmt im Auftrage der Volkskammer die zuständige Aufsicht über die Verfassungsmäßigkeit und Gesetzlichkeit der Tätigkeit des Obersten Gerichts und des Generalstaatsanwalts wahr.
Artikel 75
(1) Der Vorsitzende des Staatsrates
ernennt die bevollmächtigten Vertreter der
Deutschen Demokratischen Republik in anderen Staaten und
beruft sie ab. Er nimmt Beglaubigungs- und
Abberufungsschreiben der bei ihm akkreditierten Vertreter
anderer Staaten entgegen.
(2)
Der Staatsrat legt die militärischen Dienstgrade, die
diplomatischen Ränge und andere spezielle Titel
fest.
Artikel 76
Der Staatsrat stiftet staatliche Orden, Auszeichnungen und Ehrentitel, die von seinem Vorsitzenden verliehen werden.
Artikel 77
Der Staatsrat übt das Amnestie- und Begnadigungsrecht aus.
K a p i t e l
3
Der Ministerrat
Artikel 78
(1) Der Ministerrat organisiert im
Auftrage der Volkskammer die Erfüllung der
politischen, ökonomischen, kulturellen und sozialen sowie die
ihm übertragenen Verteidigungsaufgaben des
sozialistischen Staates. Er ist ein kollektiv
arbeitendes Organ.
(2) Der Ministerrat
arbeitet wissenschaftlich begründete Prognosen aus,
organisiert die Gestaltung des ökonomischen Systems des
Sozialismus und leitet die planmäßige Entwicklung
der Volkswirtschaft.
Artikel 79
(1) Der Ministerrat arbeitet auf der
Grundlage der Gesetze und Beschlüsse der
Volkskammer sowie der Erlasse und Beschlüsse des Staatsrates.
Er erläßt im Rahmen der Gesetze und Erlasse
Verordnungen und faßt Beschlüsse.
(2)
Der Ministerrat leitet, koordiniert und kontrolliert die
Tätigkeit der Ministerien, der anderen zentralen
Staatsorgane und der Räte der Bezirke entsprechend den
Erkenntnissen der Organisationswissenschaft.
(3) Der Ministerrat entscheidet über den Abschluß und
die Kündigung völkerrechtlicher Verträge, die in
seinem Namen abgeschlossen werden.
Artikel 80
(1) Der Vorsitzende des Ministerrates
wird vom Vorsitzenden des Staatsrates der
Volkskammer vorgeschlagen und von ihr mit der Bildung des
Ministerrates beauftragt.
(2)
Der Vorsitzende und die Mitglieder des Ministerrates werden
nach der Neuwahl der Volkskammer von ihr auf die
Dauer von 4 Jahren gewählt.
(3) Der
Vorsitzende und die Mitglieder des Ministerrates werden vom
Vorsitzenden des Staatsrates auf die Verfassung
vereidigt.
(4) Der Ministerrat besteht
aus dem Vorsitzenden, den Stellvertretern des
Vorsitzenden und den Ministern. Er wird vom Vorsitzenden des
Ministerrates geleitet.
(5) Der
Ministerrat bildet aus seiner Mitte das Präsidium des
Ministerrates. Es wird vom Vorsitzenden des
Ministerrates geleitet.
(6) Jeder
Minister leitet verantwortlich das ihm übertragene
Aufgabengebiet.
Für die Tätigkeit des
Ministerrates tragen alle seine Mitglieder die
Verantwortung.
(7) Der Ministerrat ist
der Volkskammer verantwortlich und rechenschaftspflichtig.
(8) Nach Ablauf der Wahlperiode der
Volkskammer setzt der Ministerrat seine Tätigkeit
bis zur Wahl des neuen Ministerrates durch die Volkskammer
fort.
K a p i t e l
4
Die örtlichen Volksvertretungen und ihre
Organe
Artikel 81
(1) Die örtlichen
Volksvertretungen sind die von den
wahlberechtigten Bürgern gewählten Organe der
Staatsmacht in den Bezirken, Kreisen,
Städten, Stadtbezirken, Gemeinden und
Gemeindeverbänden.
(2) Die
örtlichen Volksvertretungen entscheiden auf der
Grundlage der Gesetze in eigener
Verantwortung über alle Abgelegenheiten, die ihr Gebiet
und seine Bürger betreffen. Sie
organisieren die Mitwirkung der Bürger an der Gestaltung
des politischen, wirtschaftlichen,
kulturellen und sozialen Lebens und arbeiten mit den
gesellschaftlichen Organisationen der
Werktätigen zusammen.
(3) Die
Tätigkeit der örtlichen Volksvertretungen ist darauf
gerichtet,
- das sozialistische Eigentum zu mehren
und zu schützen, die Arbeits- und
Lebensbedingungen der Bürger ständig zu verbessern und
das gesellschaftliche und kulturelle
Leben der Bürger und ihrer Gemeinschaften zu
fördern,
das sozialistische Staats- und Rechtsbewußtsein der Bürger zu heben und die öffentliche Ordnung zu sichern, die sozialistische Gesetzlichkeit zu festigen und die Rechte der Bürger zu wahren.
Artikel 82
(1) Die örtlichen Volksvertretungen
fassen Beschlüsse, die für ihre Organe und
Einrichtungen sowie für die Volksvertretungen, Gemeinschaften
und Bürger ihres Gebietes verbindlich sind. Diese
Beschlüsse sind zu veröffentlichen.
(2)
Die örtlichen Volksvertretungen haben eigene Einnahmen und
verfügen über ihre Verwendung.
Artikel 83
(1) Zur Wahrnehmung ihrer
Verantwortung wählt jede örtliche Volksvertretung
ihren Rat und Kommissionen. Die Mitglieder des Rates sollen
nach Möglichkeit Abgeordnete sein. In die
Kommissionen können auch Mitglieder berufen werden,
die nicht Abgeordnete sind.
(2) Der Rat
sichert die Entfaltung der Tätigkeit der Volksvertretung und
organisiert die Leitung der gesellschaftlichen
Entwicklung in deren Verantwortungsbereich. Er ist
der Volksvertretung für seine gesamte Tätigkeit verantwortlich
und dem übergeordneten Rat rechenschaftspflichtig.
Der Rat ist ein kollektiv arbeitendes Organ.
(3) Die Kommissionen organisieren die sachkundige
Mitwirkung der Bürger bei der Vorbereitung und
Durchführung der Beschlüsse der Volksvertretung. Sie
kontrollieren die Durchführung der Gesetze,
Erlasse, Verordnungen und der Beschlüsse der Volksvertretung
durch den Rat und dessen Fachorgane.
Artikel 84
Die örtlichen Volksvertretungen können zur gemeinsamen Wahrnehmung ihrer Aufgaben Verbände bilden.
Artikel 85
Die Aufgaben und Befugnisse der örtlichen Volksvertretungen, ihrer Abgeordneten, Kommissionen und ihrer Räte in den Bezirken, Kreisen, Städten, Stadtbezirken, Gemeinden und Gemeindeverbänden werden durch Gesetz festgelegt.
A b s c h n
i t t IV
Sozialistische Gesetzlichkeit und
Rechtspflege
Artikel 86
Die sozialistische Gesellschaft, die politische Macht des werktätigen Volkes, ihre Staats- und Rechtsordnung sind die grundlegende Garantie für die Einhaltung und die Verwirklichung der Verfassung im Geiste der Gerechtigkeit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Menschlichkeit.
Artikel 87
Gesellschaft und Staat gewährleisten die Gesetzlichkeit durch die Einbeziehung der Bürger und ihrer Gemeinschaften in die Rechtspflege und in die gesellschaftliche und staatliche Kontrolle über die Einhaltung des sozialistischen Rechts.
Artikel 88
Die Verantwortlichkeit aller leitenden Mitarbeiter in Staats und Wirtschaft gegenüber den Bürgern ist durch ein System der Rechenschaftspflicht gewährleistet.
Artikel 89
(1) Gesetze und andere
allgemeinverbindliche Rechtsvorschriften der
Deutschen Demokratischen Republik werden im Gesetzblatt und
anderweitig veröffentlicht.
(2) Rechtsvorschriften der örtlichen Volksvertretungen und
ihrer Organe werden in geeigneter Form
veröffentlicht.
(3) Rechtsvorschriften
dürfen der Verfassung nicht widersprechen. Über Zweifel an
der Verfassungsmäßigkeit von Rechtsvorschriften des
Ministerrates und anderer staatlicher Organe
entscheidet der Staatsrat.
Artikel 90
(1) Die Rechtspflege dient der
Durchführung der sozialistischen Gesetzlichkeit,
dem Schutz und der Entwicklung der Deutschen Demokratischen
Republik und ihrer Staats- und
Gesellschaftsordnung. Sie schützt die Freiheit, das friedliche
Leben, die Rechte und die Würde der
Menschen.
(2) Die Bekämpfung und
Verhütung von Straftaten und anderen Rechtsverletzungen
sind gemeinsames Anliegen der sozialistischen
Gesellschaft, ihres Staates und aller Bürger.
(3) Die Teilnahme der Bürger an der
Rechtspflege ist gewährleistet. Sie wird im
einzelnen durch Gesetz bestimmt.
Artikel 91
Die allgemein anerkannten Normen des Völkerrechts über die Bestrafung von Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit und von Kriegsverbrechen sind unmittelbar geltendes Recht. Verbrechen dieser Art unterliegen nicht der Verjährung.
Artikel 92
Die Rechtsprechung wird in der Deutschen Demokratischen Republik durch das Oberste Gericht, die Bezirksgerichte, die Kreisgerichte und die gesellschaftlichen Gerichte im Rahmen der ihnen durch Gesetz übertragenen Aufgaben ausgeübt. In Militärstrafsachen üben das Oberste Gericht, die Militärobergerichte und die Militärgerichte die Rechtsprechung aus.
Artikel 93
(1) Das Oberste Gericht ist das
höchste Organ der Rechtsprechung.
(2)
Das Oberste Gericht leitet die Rechtsprechung der Gerichte auf
der Grundlage der Verfassung, der Gesetze und
anderer Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen
Republik. Es sichert die einheitliche Rechtsanwendung
durch alle Gerichte.
(3) Das Oberste
Gericht ist der Volkskammer und zwischen ihren Tagungen dem
Staatsrat verantwortlich.
Artikel 94
(1) Richter kann nur sein, wer dem
Volk und seinem sozialistischen Staat treu ergeben
ist und über ein hohes Maß an Wissen und Lebenserfahrung, an
menschlicher Reife und Charakterfestigkeit
verfügt.
(2) Die demokratische Wahl
aller Richter, Schöffen und Mitglieder
gesellschaftlicher Gerichte gewährleistet, daß die
Rechtsprechung von Frauen und Männern aller Klassen
und Schichten des Volkes ausgeübt wird.
Artikel 95
Alle Richter, Schöffen und Mitglieder der gesellschaftlichen Gerichte werden durch die Volksvertretungen oder unmittelbar durch die Bürger gewählt. Sie erstatten ihren Wählern Bericht über ihre Arbeit. Sie können von ihren Wählern abberufen werden, wenn sie gegen die Verfassung oder die Gesetze verstoßen oder sonst ihre Pflicht gröblich verletzen.
Artikel 96
(1) Die Richter, Schöffen und
Mitglieder der gesellschaftlichen Gerichte sind in
ihrer Rechtsprechung unabhängig. Sie sind nur an die
Verfassung, die Gesetze und andere
Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik
gebunden.
(2) Die Schöffen üben die
Funktion eines Richters in vollem Umfang und mit
gleichem Stimmrecht wie die Berufsrichter aus.
Artikel 97
Zur Sicherung der sozialistischen Gesellschafts- und Staatsordnung und der Rechte der Bürger wacht die Staatsanwaltschaft auf der Grundlage der Gesetze und anderer Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik über die strikte Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit. Sie schützt die Bürger vor Gesetzesverletzungen. Die Staatsanwaltschaft leitet den Kampf gegen Straftaten und sichert, daß die Personen, die Verbrechen oder Vergehen begangen haben, vor Gericht zur Verantwortung gezogen werden.
Artikel 98
(1) Die Staatsanwaltschaft wird vom
Generalstaatsanwalt geleitet.
(2) Dem
Generalstaatsanwalt unterstehen die Staatsanwälte der Bezirke
und Kreise sowie die Militärstaatsanwälte.
(3) Die Staatsanwälte werden vom
Generalstaatsanwalt berufen und abberufen, sie sind
ihm verantwortlich und an seine Weisungen gebunden.
(4) Der Generalstaatsanwalt ist der Volkskammer und
zwischen ihren Tagungen dem Staatsrat
verantwortlich.
Artikel 99
(1) Die strafrechtliche
Verantwortlichkeit wird durch die Gesetze der
Deutschen Demokratischen Republik bestimmt.
(2) Eine Tat zieht strafrechtliche Verantwortlichkeit
nur nach sich, wenn diese zur Zeit der Begehung der
Tat gesetzlich festgelegt ist, wenn der Täter schuldhaft
gehandelt hat und die Schuld zweifelsfrei
nachgewiesen ist. Strafgesetze haben keine rückwirkende
Kraft.
(3) Eine strafrechtliche
Verfolgung ist nur in Übereinstimmung mit den
Strafgesetzen möglich.
(4) Die Rechte
des Bürgers dürfen im Zusammenhang mit einem Strafverfahren
nur insoweit eingeschränkt werden, wie dies
gesetzlich zulässig und unumgänglich ist.
Artikel 100
(1) Über die Zulässigkeit von
Untersuchungshaft hat nur der Richter zu
entscheiden. Verhaftete sind spätestens am Tage nach ihrer
Verhaftung dem Richter vorzuführen.
(2) Der Richter oder der Staatsanwalt haben im Rahmen
ihrer Verantwortung jederzeit zu prüfen, ob die
Voraussetzung der Untersuchungshaft noch vorliegen.
(3) Der Staatsanwalt hat nächste Angehörige des
Verhafteten innerhalb von 24 Stunden nach der
ersten richterlichen Vernehmung zu benachrichtigen.
Ausnahmen sind nur zulässig, wenn durch die
Benachrichtigung der Zweck der Untersuchung
gefährdet wird. In diesen Fällen erfolgt die Benachrichtigung
nach Wegfall der Gefährdungsgründe.
Artikel 101
(1) Niemand darf seinem gesetzlichen Richter
entzogen werden.
(2) Ausnahmegerichte
sind unstatthaft.
Artikel 102
(1) Jeder Bürger hat das Recht, vor Gericht gehört
zu werden.
(2) Das Recht auf
Verteidigung wird während des gesamten Strafverfahrens
gewährleistet.
Artikel 103
(1) Jeder Bürger kann sich mit
Eingaben (Vorschlägen, Hinweisen, Anliegen oder
Beschwerden) an die Volksvertretungen, ihre Abgeordneten oder
die staatlichen und wirtschaftlichen Organe wenden.
Dieses Recht steht auch den gesellschaftlichen
Organisationen und den Gemeinschaften der Bürger zu. Ihnen
darf aus der Wahrnehmung dieses Rechts keine
Nachteil entstehen.
(2) Die für die
Entscheidung verantwortlichen Organe sind verpflichtet, die
Eingaben der Bürger oder der Gemeinschaften innerhalb
der gesetzlich vorgeschriebenen Frist zu bearbeiten
und den Antragstellern das Ergebnis mitzuteilen.
Artikel 104
(1) Für Beschwerden gegen
Entscheidungen zentraler Organe des Ministerrates
ist der Ministerrat zuständig.
(2) Für
Beschwerden gegen Leitungsentscheidungen des Ministerrates,
des Obersten Gerichts oder des Generalstaatsanwalts
ist der Staatsrat zuständig.
Artikel 105
(1) Für Beschwerden gegen
Entscheidungen örtlicher Staatsorgane ist der
Leiter des Organs zuständig, welches die angefochtene
Entscheidung getroffen hat. Ändert der Leiter die
Entscheidung nicht, ist der Beschwerdeführer berechtigt, sich
an den Beschwerdeausschuß der zuständigen
Volksvertretung zu wenden.
(2) Die
Aufgaben und Rechte der Beschwerdeausschüsse werden durch
Erlaß geregelt.
Artikel 106
(1) Für Schäden, die einem Bürger oder
seinem persönlichen Eigentum durch ungesetzliche
Maßnahmen von Mitarbeitern der Staatsorgane zugefügt
werden, haftet das staatliche Organ, dessen Mitarbeiter den
Schaden verursacht hat.
(2) Voraussetzungen und
Verfahren der Staatshaftung werden durch Gesetz geregelt.
A b s c h n
i t t V
Schlußbestimmungen
Artikel 107
Die Verfassung ist unmittelbar geltendes Recht.
Artikel 108
Die Verfassung kann nur von der
Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik
durch Gesetz geändert werden, das den Wortlaut der Verfassung
ausdrücklich ändert oder ergänzt.
Die durch Volksentscheid am sechsten April
neunzehnhundertachtundsechzig beschlossene
Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik wird hiermit
verkündet.
Berlin, den achten
April neunzehnhundertachtundsechzig
Der Vorsitzende des Staatsrates
der Deutschen Demokratischen
Republik
W. Ulbricht
Quelle: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1968 I, S. 199-222.
Datum der letzten Änderung : Jena, den : 28.07.2014