Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (Staatsvertrag) vom 18. Mai 1990
Die hohen Vertragsschließenden Seiten -
DANK DER TATSACHE, daß in der Deutschen Demokratischen Republik im Herbst 1989 eine friedliche und
demokratische Revolution stattgefunden hat,
ENTSCHLOSSEN, in Freiheit die Einheit Deutschlands in einer europäischen Friedensordnung alsbald zu
vollenden,
IN DEM GEMEINSAMEN WILLEN, die Soziale Marktwirtschaft als Grundlage für die weitere wirtschaftliche
und gesellschaftliche Entwicklung mit sozialem Ausgleich und sozialer Absicherung und Verantwortung
gegenüber der Umwelt auch in der Deutschen Demokratischen Republik einzuführen und hierdurch die Lebens-
und Beschäftigungsbedingungen ihrer Bevölkerung stetig zu verbessern,
AUSGEHEND VON DEM BEIDERSEITIGEN WUNSCH, durch die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts-
und Sozialunion einen ersten bedeutsamen Schritt in Richtung auf die Herstellung der staatlichen Einheit nach
Artikel 23 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland als Beitrag zur europäischen Einigung unter
Berücksichtigung der Tatsache zu unternehmen, daß die äußeren Aspekte der Herstellung der Einheit
Gegenstand der Gespräche mit den Regierungen der Französischen Republik, der Union der Sozialistischen
Sowjetrepubliken, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der Vereinigten Staaten von
Amerika sind,
IN DER ERKENNTNIS, daß mit der Herstellung der staatlichen Einheit die Entwicklung föderativer Strukturen
in der Deutschen Demokratischen Republik einhergeht.
IN DEM BEWUSSTSEIN, daß die Regierungen dieses Vertrages die Anwendung des Rechts der Europäischen
Gemeinschaften nach Herstellung der staatlichen Einheit gewährleisten sollen -
SIND ÜBEREINGEKOMMEN, einen Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und
Sozialunion mit den nachfolgenden Bestimmungen zu schließen:
KAPITEL I - Grundlagen
ARTIKEL 1 - Gegenstand des Vertrages
(1) Die Vertragsparteien errichten eine Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion.
(2) Die Vertragsparteien bilden beginnend mit dem 1. Juli 1990 eine Währungsunion mit einem einheitlichen
Währungsgebiet und der Deutschen Mark als gemeinsamer Währung. Die Deutsche Bundesbank ist die
Währungs- und Notenbank dieses Währungsgebiets. Die auf Mark der Deutschen Demokratischen Republik
lautenden Verbindlichkeiten und Forderungen werden nach Maßgabe dieses Vertrags auf Deutsche Mark
umgestellt.
(3) Grundlage der Wirtschaftsunion ist die Soziale Marktwirtschaft als gemeinsame Wirtschaftsordnung beider
Vertragsparteien. Sie wird insbesondere bestimmt durch Privateigentum, Leistungswettbewerb, freie
Preisbildung und grundsätzlich volle Freizügigkeit von Arbeit, Kapital, Gütern und Dienstleistungen; hierdurch
wird die gesetzliche Zulassung besonderer Eigentumsformen für die Beteiligung der öffentlichen Hand oder
anderer Rechtsträger am Wirtschaftsverkehr nicht ausgeschlossen, soweit private Rechtsträger dadurch nicht
diskriminiert werden. Sie trägt den Erfordernissen des Umweltschutzes Rechnung.
(4) Die Sozialunion bildet mit der Währungs- und Wirtschaftsunion eine Einheit. Sie wird insbesondere
bestimmt durch eine der Sozialen Marktwirtschaft entsprechende Arbeitsrechtsordnung und ein auf den
Prinzipien der Leistungsgerechtigkeit und des sozialen Ausgleichs beruhendes umfassendes System der sozialen
Sicherung.
ARTIKEL 2 - Grundsätze
(1) Die Vertragsparteien bekennen sich zur freiheitlichen, demokratischen, föderativen, rechtsstaatlichen und
sozialen Grundordnung. Zur Gewährleistung der in diesem Vertrag oder in Ausführung dieses Vertrags
begründeten Rechte garantieren sie insbesondere die Vertragsfreiheit, Gewerbe-, Niederlassungs- und
Berufsfreiheit, die Freizügigkeit von Deutschen in dem gesamten Währungsgebiet, die Freiheit zur Wahrung und
Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbindungen Vereinigungen zu bilden, sowie nach Maßgabe der Anlage IX
das Eigentum privater Investoren an Grund und Boden sowie an Produktionsmitteln.
(2) Entgegenstehende Vorschriften der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik über die
Grundlagen ihrer bisherigen sozialistischen Gesellschafts- und Staatsordnung werden nicht mehr angewendet.
ARTIKEL 3 - Rechtsgrundlagen
Für die Errichtung der Währungsunion und die Währungsumstellung gelten die in der Anlage I aufgeführten
vereinbarten Bestimmungen. Bis zur Errichtung der Währungsunion werden die in der Anlage II bezeichneten
Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland auf den Gebieten des Währungs-, Kredit-, Geld- und
Münzwesens sowie der Wirtschafts- und Sozialunion in der Deutschen Demokratischen Republik in Kraft
gesetzt; danach gelten sie in der jeweiligen Fassung im gesamten Währungsgebiet nach Maßgabe der Anlage II,
soweit sich aus diesem Vertrag nichts anderes ergibt. Die Deutsche Bundesbank, das Bundesaufsichtsamt für das
Kreditwesen und das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen üben die ihnen nach diesem Vertrag und
nach diesen Rechtsvorschriften zustehenden Befugnisse im gesamten Geltungsbereich dieses Vertrags aus.
ARTIKEL 4 - Rechtsanpassung
(1) Für die mit der Errichtung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion erforderliche Rechtsanpassung in
der Deutschen Demokratischen Republik gelten die in Artikel 2 Absatz 1 niedergelegten Grundsätze und die im
Gemeinsamen Protokoll vereinbarten Leitsätze; fortbestehendes Recht ist gemäß diesen Grund- und Leitsätzen
auszulegen und anzuwenden. Die Deutsche Demokratische Republik hebt bis zur Errichtung der Währungsunion
die in der Anlage III bezeichneten Vorschriften auf oder ändert sie und erläßt die in der Anlage IV bezeichneten
neuen Rechtsvorschriften, soweit nicht im Vertrag oder in den Anlagen ein anderer Zeitpunkt festgelegt ist.
(2) Die in der Bundesrepublik Deutschland beabsichtigten Änderungen von Rechtsvorschriften sind in der
Anlage V aufgeführt. Die in der Deutschen Demokratischen Republik beabsichtigten Regelungen sind in der
Anlage VI aufgeführt.
(3) Bei der Übermittlung personenbezogener Informationen gelten die in der Anlage VII enthaltenen Grundsätze.
ARTIKEL 5 - Amtshilfe
Die Behörden der Vertragsparteien leisten sich nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts bei der Durchführung
dieses Vertrages Amtshilfe. Artikel 32 bleibt unberührt.
ARTIKEL 6 - Rechtsschutz
(1) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen durch diesen Vertrag oder in Ausführung dieses Vertrags
gewährleisteten Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg zu den Gerichten offen. Soweit eine andere
Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.
(2) Die Deutsche Demokratische Republik gewährleistet gerichtlichen Rechtsschutz einschließlich eines
effektiven einstweiligen Rechtsschutzes. Soweit für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten keine besonderen
Gerichte bestehen, werden Spezialspruchkörper bei den ordentlichen Gerichten eingerichtet. Die Zuständigkeit
für diese Streitigkeiten wird bei bestimmten Kreis- und Bezirksgerichten konzentriert.
(3) Bis zum Aufbau einer besonderen Arbeitsgerichtsbarkeit werden Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern
und Arbeitnehmern aus dem Arbeitsverhältnis von neutralen Schiedsstellen entschieden, die paritätisch mit
Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie einem neutralen Vorsitzenden zu besetzen sind. Gegen ihre
Entscheidung können die staatlichen Gerichte angerufen werden.
(4) Die Deutsche Demokratische Republik läßt eine freie Schiedsgerichtsbarkeit auf dem Gebiet des Privatrechts
zu.
ARTIKEL 7 - Schiedsgericht
(1) Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung dieses Vertrags einschließlich des Gemeinsamen
Protokolls und der Anlagen werden durch die Regierungen der beiden Vertragsparteien im Verhandlungswege
beigelegt.
(2) Kann eine Streitigkeit auf diese Weise nicht beigelegt werden, so kann jede Vertragspartei die Streitigkeit
einem Schiedsgericht zur Entscheidung vorlegen. Die Vorlage ist unabhängig davon zulässig, ob in der
Angelegenheit gemäß Artikel 6 ein staatliches Gericht zuständig ist.
(3) Das Schiedsgericht setzt sich aus einem Präsidenten und vier Mitgliedern zusammen. Innerhalb einer Frist
von einem Monat nach Inkrafttreten dieses Vertrags ernennt die Regierung einer jeden Vertragspartei zwei
ordentliche und zwei stellvertretende Mitglieder. Innerhalb der gleichen Frist werden der Präsident und der
Stellvertreter des Präsidenten im Einvernehmen zwischen den Regierungen der beiden Vertragsparteien ernannt.
Werden die in Satz 2 und 3 genannten Fristen nicht eingehalten, so werden die erforderlichen Ernennungen vom
Präsidenten des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vorgenommen.
(4) Die Amtszeit beträgt zwei Jahre.
(5) Der Präsident und die Mitglieder des Schiedsgerichts üben ihr Amt unabhängig und frei von Weisungen aus.
Vor Beginn ihrer Tätigkeit übernehmen der Präsident und die Mitglieder des Schiedsgerichts die Verpflichtung,
ihre Aufgabe unabhängig und gewissenhaft zu erfüllen und das Beratungsgeheimnis zu wahren.
(6) Die Bestimmungen über die Einberufung und das Verfahren des Schiedsgerichts sind in der Anlage VII
geregelt.
ARTIKEL 8 - Gemeinsamer Regierungsausschuß
Die Vertragsparteien bilden einen Gemeinsamen Regierungsausschuß. Sie werden in diesem Ausschuß Fragen
der Durchführung des Vertrages erörtern und - soweit erforderlich - das notwendige Einvernehmen herstellen.
Zu den Aufgaben des Ausschusses gehört auch die Beilegung von Streitigkeiten gemäß Artikel 7 Absatz 1.
ARTIKEL 9 - Vertragsänderungen
Erscheinen Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrags erforderlich, um eines seiner Ziele zu verwirklichen,
so werden sie zwischen den Regierungen der Vertragsparteien vereinbart.
KAPITEL II - BESTIMMUNGEN ÜBER DIE WÄHRUNGSUNION
ARTIKEL 10 - Voraussetzungen und Grundsätze
(1) Durch die Errichtung einer Währungsunion zwischen den Vertragsparteien ist die Deutsche Mark
Zahlungsmittel, Rechnungseinheit und Wertaufbewahrungsmittel im gesamten Währungsgebiet. Zu diesem
Zweck wird die geldpolitische Verantwortung der Deutschen Bundesbank als alleiniger Emissionsbank dieser
Währung auf das gesamte Währungsgebiet ausgeweitet. Das Recht zur Ausgabe von Münzen obliegt
ausschließlich der Bundesrepublik Deutschland.
(2) Die Nutzung der Vorteile der Währungsunion setzt einen stabilen Geldwert für die Wirtschaft der Deutschen
Demokratischen Republik voraus, ebenso muß die Währungsstabilität in der Bundesrepublik Deutschland
gewährleistet bleiben. Die Vertragsparteien wählen deshalb Umstellungsmodalitäten, die keine Inflationsimpulse
im Gesamtbereich der Währungsunion entstehen lassen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der
Unternehmen in der Deutschen Demokratischen Republik stärken.
(3) Die Deutsche Bundesbank regelt durch den Einsatz ihrer Instrumente in eigener Verantwortung, gemäß
Paragraph 12 Bundesbankgesetz unabhängig von Weisungen der Regierungen der Vertragsparteien, den
Geldumlauf und die Kreditversorgung im gesamten Währungsgebiet mit dem Ziel, die Währung zu sichern.
(5) Um die in den Absätzen 1 bis 4 bezeichneten Ziele zu erreichen, vereinbaren die Vertragsparteien nach näherer Maßgabe der in der Anlage I niedergelegten Bestimmungen folgende Grundsätze für die Währungsunion:
- Mit Wirkung vom 1. Juli 1990 wird die Deutsche Mark als Währung in der Deutschen Demokratischen Republik eingeführt. Die von der Deutschen Bundesbank ausgegebenen, auf Deutsche Mark lautenden Banknoten und die von der Bundesrepublik Deutschland ausgegebenen, auf Deutsche Mark oder Pfennig lautenden Bundesmünzen sind vom 1. Juli 1990 an alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel.
- Löhne, Gehälter, Stipendien, Renten, Mieten und Pachten sowie weitere wiederkehrende Zahlungen werden im Verhältnis 1 zu 1 umgestellt.
- Alle anderen auf Mark der Deutschen Demokratischen Republik lautenden Forderungen und Verbindlichkeiten werden grundsätzlich im Verhältnis 2 zu 1 auf Deutsche Mark umgestellt.
- Die Umstellung von auf Mark der Deutschen Demokratischen Republik lautenden Banknoten und Münzen ist nur für Personen oder Stellen mit Wohnsitz oder Sitz in der Deutschen Demokratischen Republik über Konten bei Geldinstituten in der Deutschen Demokratischen Republik möglich, auf die die umzustellenden Bargeldbeträge eingezahlt werden können.
- Guthaben bei Geldinstituten von natürlichen Personen mit Wohnsitz in der Deutschen Demokratischen Republik werden auf Antrag bis zu bestimmten Betragsgrenzen im Verhältnis 1 zu 1 umgestellt, wobei eine Differenzierung nach dem Lebensalter der Berechtigten stattfindet.
- Sonderregelungen gelten für Guthaben von Personen, deren Wohnsitz oder Sitz sich außerhalb der Deutschen Demokratischen Republik befindet.
- Mißbräuchen wird entgegengewirkt.
(6) Nach einer Bestandsaufnahme des volkseigenen Vermögens und seiner Ertragsfähigkeit nach seiner vorrangigen Nutzung für die Strukturanpassung der Wirtschaft und für die Sanierung des Staatshaushalts wird die Deutsche Demokratische Republik nach Möglichkeit vorsehen, daß den Sparern zu einem späteren Zeitpunkt für den bei der Umstellung 2 zu 1 reduzierten Betrag ein verbrieftes Anteilsrecht am volkseigenen Vermögen eingeräumt werden kann.
(7) Die Deutsche Bundesbank übt die ihr nach diesem Vertrag und nach dem Gesetz über die Deutsche Bundesbank zustehenden Befugnisse im gesamten Währungsgebiet aus. Sie errichtet zu diesem Zweck eine Vorläufige Verwaltungsstelle in Berlin mit bis zu fünfzehn Filialen in der Deutschen Demokratischen Republik, wozu die Betriebsstellen der Staatsbank der Deutschen Demokratischen Republik genutzt werden.
KAPITEL III - BESTIMMUNGEN ÜBER DIE WIRTSCHAFTSUNION
ARTIKEL 11 - Wirtschaftspolitische Grundlagen
(1) Die Deutsche Demokratische Republik stellt sicher, daß ihre wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen
mit der Sozialen Marktwirtschaft in Einklang stehen. Die Maßnahmen werden so getroffen, daß sie im Rahmen
der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen
Beschäftigungsstand und zu außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem
Wirtschaftswachstum beitragen.
(2) Die Deutsche Demokratische Republik schafft Rahmenbedingungen für die Entfaltung der Marktkräfte und
der Privatinitiative, um den Strukturwandel, die Schaffung moderner Arbeitsplätze, eine breite Basis aus kleinen
und mittleren Unternehmen sowie freien Berufen und den Schutz der Umwelt zu fördern. Die
Unternehmensverfassung wird so gestaltet, daß sie auf den in Artikel 1 beschriebenen Prinzipien der Sozialen
Marktwirtschaft mit der freien Entscheidung der Unternehmen über Produkte, Mengen, Produktionsverfahren,
Investitionen, Arbeitsverhältnisse, Preise und Gewinnverwendung beruht.
(3) Die Deutsche Demokratische Republik richtet ihre Politik unter Beachtung ihrer gewachsenen
außenwirtschaftlichen Beziehungen mit den Ländern des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe schrittweise auf
das Recht und die wirtschaftspolitischen Ziele der Europäischen Gemeinschaften aus.
(4) Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik wird bei Entscheidungen, welche die
wirtschaftspolitischen Grundsätze der Absätze 1 und 2 berühren, das Einvernehmen mit der Regierung der
Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des Gemeinsamen Regierungsausschusses nach Artikel 8
herstellen.
ARTIKEL 12 - Innerdeutscher Handel
(1) Das zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Berliner Abkommen vom 20. September 1951 wird im
Hinblick auf die Währungs- und Wirtschaftsunion angepaßt. Der dort geregelte Verrrechnungsverkehr wird
beendet und der Abschlußsaldo des Swing wird ausgeglichen. Bestehende Verpflichtungen werden in Deutsche
Mark abgewickelt.
(2) Die Vertragsparteien stellen sicher, daß Waren, die nicht Ursprungswaren der Bundesrepublik Deutschland
oder der Deutschen Demokratischen Republik sind, über die innerdeutsche Grenze in einem zollamtlich
überwachten Verfahren befördert werden.
(3) Die Vertragsparteien sind bestrebt, so bald wie möglich die Voraussetzungen für einen vollständigen Wegfall
der Kontrollen an der innerdeutschen Grenze zu schaffen.
ARTIKEL 13 - Außenwirtschaft
(1) Bei der Gestaltung des freien Außenwirtschaftsverkehrs trägt die Deutsche Demokratische Republik den
Grundsätzen eines freien Welthandels, wie sie insbesondere im Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen
(GATT) zum Ausdruck kommen, Rechnung. Die Bundesrepublik Deutschland wird zur weiteren Integration der
Wirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik in die Weltwirtschaft ihre Erfahrungen umfassend zur
Verfügung stellen.
(2) Die gewachsenen außenwirtschaftlichen Beziehungen der Deutschen Demokratischen Republik,
insbesondere bestehende vertragliche Verpflichtungen gegenüber den Ländern des Rates für Gegenseitige
Wirtschaftshilfe, genießen Vertrauensschutz. Sie werden unter Berücksichtigung der Gegebenheiten der
Währungs- und Wirtschaftsunion und der Interessen aller Beteiligten fortentwickelt sowie unter Beachtung
marktwirtschaftlicher Grundsätze ausgebaut. Soweit erforderlich, werden bestehende vertragliche
Verpflichtungen von der Deutschen Demokratischen Republik im Einvernehmen mit ihren Vertragspartnern an
diese Gegebenheiten angepaßt.
(3) Zur Vertretung der außenwirtschaftlichen Interessen arbeiten die Vertragsparteien unter Beachtung der
Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaften eng zusammen.
ARTIKEL 14 - Strukturanpassung der Unternehmen
Um die notwendige Stukturanpassung der Unternehmen in der Deutschen Demokratischen Republik zu fördern,
wird die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik im Rahmen der haushaltspolitischen Möglichkeiten
während einer Übergangszeit Maßnahmen ergreifen, die eine rasche strukturelle Anpassung der Unternehmen an
die neuen Marktbedingungen erleichtern. Über die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen verständigen sich
die Regierungen der Vertragsparteien. Ziel ist es, auf der Grundlage der Sozialen Marktwirtschaft die
Leistungsfähigkeit der Unternehmen zu verstärken und durch die Entfaltung privater Initiative eine breit
gefächerte, moderne Wirtschaftsstruktur auch mit möglichst vielen kleinen und mittleren Betrieben in der
Deutschen Demokratischen Republik zu erreichen, um so die Grundlage für mehr Wachstum und
zukunftssichere Arbeitsplätze zu schaffen.
ARTIKEL 15 - Agrar- und Ernährungswirtschaft
(1) Wegen der zentralen Bedeutung der Regelungen der Europäischen Gemeinschaften für die Agrar- und
Ernährungswirtschaft führt die Deutsche Demokratische Republik ein Preisstützungs- und Außenschutzsystem
entsprechend dem EG-Marktordnungssystem ein, so daß sich die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise in der
Deutschen Demokratischen Republik denen in der Bundesrepublik Deutschland angleichen. Die Deutsche
Demokratische Republik wird keine Abschöpfungen und Erstattungen gegenüber den Europäischen
Gemeinschaften einführen, soweit diese entsprechend verfahren.
(2) Für die Warenbereiche, für die die Einführung eines vollständigen Preisstützungssystems noch nicht sofort
mit dem Inkrafttreten dieses Vertrages möglich ist, können Übergangslösungen angewandt werden. Bis zur
rechtlichen Integration der Agrar- und Ernährungswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik in den
EG-Agrarmarkt sind bei sensiblen Agrarerzeugnissen im Handel zwischen den Vertragsparteien spezifische
mengenmäßige Regelungsmechanismen möglich.
(3) Unbeschadet der Maßnahmen nach Artikel 14 wird die Deutsche Demokratische Republik im Rahmen der
haushaltspolitischen Möglichkeiten während einer Übergangszeit den in der Agrar- und Ernährungswirtschaft
erforderlichen strukturellen Anpassungsprozeß zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, zur
umwelt- und qualitätsorientierten Produktion sowie zur Vermeidung von Überschüssen durch geeignete
Maßnahmen fördern.
(4) Über die konkrete Ausgestaltung der in den Absätzen 2 und 3 genannten Maßnahmen verständigen sich die
Regierungen der Vertragsparteien.
ARTIKEL 16 - Umweltschutz
(1) Der Schutz von Menschen, Tieren und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft sowie von
Kultur- und sonstigen Sachgütern vor schädlichen Umwelteinwirkungen ist besonderes Anliegen beider
Vertragsparteien. Sie lassen sich dabei von dem Vorsorge-, Verursacher- und Kooperationsprinzip leiten. Sie
streben die schnelle Verwirklichung einer deutschen Umweltunion an.
(2) Die Deutsche Demokratische Republik trifft Regelungen, die mit Inkrafttreten dieses Vertrags sicherstellen,
daß auf ihrem Gebiet für neue Anlagen und Einrichtungen die in der Bundesrepublik Deutschland geltenden
Sicherheits- und Umweltschutzanforderungen Voraussetzung für die Erteilung umweltrechtlicher
Genehmigungen sind. Für bestehende Anlagen und Einrichtungen trifft die Deutsche Demokratische Republik
Regelungen, die möglichst schnell zu entsprechenden Anforderungen führen.
(3) Die Deutsche Demokratische Republik wird parallel zur Entwicklung des föderativen Staatsaufbaus auf
Länderebene und mit dem Entstehen einer Verwaltungsgerichtsbarkeit das Umweltrecht der Bundesrepublik
Deutschland übernehmen.
(4) Bei der weiteren Gestaltung eines gemeinsamen Umweltrechtes werden die Umweltanforderungen der
Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik so schnell wie möglich auf hohem
Niveau angeglichen und weiterentwickelt.
(5) Die Deutsche Demokratische Republik harmonisiert die Bestimmungen zur staatlichen Förderung von
Umweltschutzmaßnahmen mit denen der Bundesrepublik Deutschland.
KAPITEL IV - BESTIMMUNGEN ÜBER DIE SOZIALUNION
ARTIKEL 17 - Grundsätze der Arbeitsrechtsordnung
In der Deutschen Demokratischen Republik gelten Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie, Arbeitskampfrecht,
Betriebsverfassung, Unternehmensmitbestimmung und Kündigungsschutz entsprechend dem Recht der
Bundesrepublik Deutschland; näheres ergibt sich aus dem Gemeinsamen Protokoll über die Leitsätze und den
Anlagen II und III.
ARTIKEL 18 - Grundsätze der Sozialversicherung
(1) Die Deutsche Demokratische Republik führt ein gegliedertes System der Sozialversicherung ein, für das
folgende Grundsätze gelten:
1. Renten-, Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung werden jeweils durch
Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts unter der Rechtsaufsicht des Staates durchgeführt.
2. Die Renten-, Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung einschließlich der Arbeitsförderung werden vor
allem durch Beiträge finanziert. Die Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung werden
grundsätzlich je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern entsprechend den Beitragssätzen in der
Bundesrepublik Deutschland und zur Unfallversicherung von Arbeitgebern getragen.
3. Lohnersatzleistungen orientieren sich an der Höhe der versicherten Entgelte.
(2) Zunächst werden die Aufgaben der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung von einem gemeinsamen
Träger durchgeführt; die Einnahmen und Ausgaben werden getrennt nach den Versicherungsarten erfaßt und
abgerechnet. Möglichst bis zum 1. Januar 1991 werden für die Renten-, Kranken- und Unfallversicherung
eigenständige Träger gebildet. Ziel dabei ist eine Organisationsstruktur der Sozialversicherung, die der in der
Bundesrepublik Deutschland entspricht.
(3) In der Deutschen Demokratischen Republik kann für eine Übergangszeit die bestehende und umfassende
Sozialversicherungspflicht beibehalten werden. Für Selbständige und freiberuflich Tätige soll der Nachweis
einer ausreichenden anderweitigen Sicherung und eine Befreiung von Sozialversicherungspflicht vorgesehen
werden. In diesem Zusammenhang wird die Errichtung von berufsständischen Versorgungswerken außerhalb der
Rentenversicherung ermöglicht.
(4) Lohnempfänger, deren Lohneinkünfte im letzten Lohnabrechnungszeitraum vor dem 1. Juli 1990 einem
besonderen Steuersatz gemäß Paragraph 10 der Verordnung vom 22. Dezember 1952 über die Besteuerung des
Arbeitseinkommens (GBl. Nr. 182, S.1413) unterlagen, erhalten bis zum 31. Dezember 1990 zu ihrem
Rentenversicherungsbeitrag einen Zuschuß bei einem Montaslohn
- bis 600 Deutsche Mark in Höhe von 30 Deutsche Mark,
- über 600 bis 700 Deutsche Mark in Höhe von 20 Deutsche Mark,
- über 700 bis 800 Deutsche Mark in Höhe von 10 Deutsche Mark,
Lohneinkünfte aus mehreren Arbeitsverhältnissen werden zusammengerechnet. Der Zuschuß wird dem
Lohnempfänger vom Arbeitgeber ausgezahlt.
Der Arbeitgeber erhält diese Aufwendungen auf Antrag aus dem Staatshaushalt erstattet.
(5) Die Versicherungspflicht- und Beitragsbemessungsgrenzen werden nach den Grundsätzen des
Sozialversicherungsrechts der Bundesrepublik Deutschland festgelegt.
ARTIKEL 19 - Arbeitslosenversicherung und Arbeitsförderung
Die Deutsche Demokratische Republik führt ein System der Arbeitslosenversicherung einschließlich
Arbeitsförderung ein, das den Regelungen des Arbeitsförderungsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland
entspricht. Dabei haben Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, wie berufliche Bildung und Umschulung,
besondere Bedeutung. Belange der Frauen und Behinderten werden berücksichtigt. In der Übergangsphase wird
Besonderheiten in der Deutsche Demokratische Republik Rechnung getragen. Die Regierungen beider
Vertragsparteien werden beim Aufbau der Arbeitslosenversicherung einschließlich Arbeitsförderung eng
zusammenarbeiten.
ARTIKEL 20 - Rentenversicherung
(1) Die Deutsche Demokratische Republik leitet alle erforderlichen Maßnahmen ein, um ihr Rentenrecht an das
auf dem Grundsatz der Lohn- und Beitragsbezogenheit beruhende Rentenversicherungsrecht der Bundesrepublik
Deutschland anzugleichen. Dabei wird in einer Übergangszeit von fünf Jahren für die rentennahen Jahrgänge
dem Grundsatz des Vertrauensschutzes Rechnung getragen.
(2) Die Rentenversicherung verwendet die ihr zur Verfügung stehenden Mittel ausschließlich zur Erfüllung der
ihr obliegenden Aufgaben bei Rehabilitation, Invalidität, Alter und Tod. Die bestehenden Zusatz- und
Sonderversorgungssysteme werden grundsätzlich zum 1. Juli 1990 geschlossen. Bisher erworbene Ansprüche
und Anwartschaften werden in die Rentenversicherung überführt, wobei Leistungen aufgrund von
Sonderregelungen mit dem Ziel überprüft werden, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte
Leistungen abzubauen. Die der Rentenversicherung durch die Überführung entstehenden Mehraufwendungen
werden ihr aus dem Staatshaushalt erstattet.
(3) Die Bestandsrenten der Rentenversicherung werden bei Umstellung auf Deutsche Mark auf ein
Nettorentenniveau festgesetzt, das bei einem Rentner mit 45 Versicherungsjahren/Arbeitsjahren, dessen
Verdienst jeweils dem volkswirtschaftlichen Durchschnittsverdienst entsprochen hat, 70 vom Hundert des
durchschnittlichen Nettoarbeitsverdienstes in der Deutschen Demokratischen Republik beträgt. Bei einer
größeren oder geringeren Zahl von Versicherungsjahren/Arbeitsjahren ist der Prozentsatz entsprechend höher
oder niedriger. Basis für die Berechnung des Anhebungssatzes der individuell bezogenen Renten ist die nach
Zugangsjahren gestaffelte Rente eines Durchschnittsverdieners in der Deutschen Demokratischen Republik, der
von seinem Einkommen neben den Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung volle Beiträge zur freiwilligen
Zusatzversicherung der Deutschen Demokratischen Republik gezahlt hat. Soweit hiernach eine Anhebung nicht
erfolgt, wird eine Rente in Deutscher Mark gezahlt, die der Höhe der früheren Rente in Mark der Deutschen
Demokratischen Republik entspricht. Die Hinterbliebenenrenten werden von der Rente abgeleitet, die der
Verstorbene nach der Umstellung erhalten hätte.
(4) Die Renten der Rentenversicherung werden entsprechend der Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter in
der Deutschen Demokratischen Republik angepaßt.
(5) Die freiwillige Zusatzrentenversicherung in der Deutschen Demokratischen Republik wird geschlossen.
(6) Die Deutsche Demokratische Republik beteiligt sich an den Ausgaben ihrer Rentenversicherung mit einem
Staatszuschuß.
(7) Personen, die nach dem 18. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Gebiet der einen
Vertragspartei in das Gebiet der anderen Vertragspartei verlegt haben, erhalten von dem bisher zuständigen
Rentenversicherungsträger ihre nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften berechnete Rente für die dort
zurückgelegten Zeiten.
ARTIKEL 21 - Krankenversicherung
(1) Die Deutsche Demokratische Republik leitet alle erforderlichen Maßnahmen ein, um ihr
Krankenversicherungsrecht an das der Bundesrepublik Deutschland anzugleichen.
(2) Leistungen, die bisher nach den Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik aus der
Krankenversicherung finanziert worden sind, die aber nach den Rechtsvorschriften der Bundesrepublik
Deutschland nicht Leistungen der Krankenversicherung sind, werden vorerst aus dem Staatshaushalt der
Deutschen Demokratischen Republik finanziert.
(3) Die Deutsche Demokratische Republik führt eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ein, die den
gesetzlichen Regelungen der Entgeltfortzahlung der Bundesrepublik entspricht.
(4) Die Rentner sind in der Krankenversicherung versichert. Maßgebend ist der jeweilige Beitragssatz in der
Krankenversicherung. Die Krankenversicherungsbeiträge der Rentner werden von der Rentenversicherung an die
Krankenversicherung pauschal abgeführt. Die Höhe des pauschal abzuführenden Betrages bestimmt sich nach
dem Gesamtbetrag der Renten vor Abzug des auf die Rentner entfallenden Anteils am
Krankenversicherungsbeitrag. Das bei der Umstellung der Rente vorgesehene Nettorentenniveau bleibt davon
unberührt.
(5) Die Investitionen bei stationären ambulanten Einrichtungen des Gesundheitswesens der Deutschen
Demokratischen Republik werden aus Mitteln des Staatshaushalts und nicht aus Beitragsmitteln finanziert.
ARTIKEL 22 - Gesundheitswesen
(1) Die medizinische Betreuung und der Schutz der Gesundheit der Menschen sind besonderes Anliegen der
Vertragsparteien.
(2) Neben der vorläufigen Fortführung der derzeitigen Versorgungsstrukturen, die zur Aufrechterhaltung der
medizinischen Versorgung der Bevölkerung notwendig ist, wird die Deutsche Demokratische Republik
schrittweise eine Veränderung in Richtung des Versorgungsangebots der Bundesrepublik Deutschland mit
privaten Leistungserbringern vornehmen, insbesondere durch Zulassung niedergelassener Ärzte, Zahnärzte und
Apotheker sowie selbständiger tätiger Erbringer von Heil- und Hilfsmitteln und durch Zulassung privater und
frei gemeinnütziger Krankenhausträger.
(3) Zum Aufbau der erforderlichen vertraglichen, insbesondere vergütungsrechtlichen Beziehungen zwischen
Trägern der Krankenversicherung und den Leistungserbringern wird die Deutsche Demokratische Republik die
erforderlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen.
ARTIKEL 23 - Renten der Unfallversicherung
(1) Die Deutsche Demokratische Republik leitet alle erforderlichen Maßnahmen ein, um ihr
Unfallversicherungsrecht an das der Bundesrepublik Deutschland anzugleichen.
(2) Die Bestandsrenten der Unfallversicherung werden bei der Umstellung auf Deutsche Mark auf der Grundlage
des durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelts in der Deutschen Demokratischen Republik neu festgesetzt und
gezahlt.
(3) Nach der Umstellung der Deutschen Mark neu festzusetzende Unfallrenten werden auf der Grundlage des
durchschnittlichen monatlichen Bruttoarbeitsentgelts der letzten zwölf Monate vor dem Unfall festgesetzt.
(4) Artikel 20 Absatz 4 und 7 gilt entsprechend.
ARTIKEL 24 - Sozialhilfe
Die Deutsche Demokratische Republik führt ein System der Sozialhilfe ein, das dem Sozialhilfegesetz der
Bundesrepublik Deutschland entspricht.
ARTIKEL 25 - Anschubfinanzierung
Soweit in einer Übergangszeit in der Arbeitslosenversicherung der Deutschen Demokratischen Republik die
Beiträge und in der Rentenversicherung der Deutschen Demokratischen Republik die Beiträge und der
Staatszuschuß die Ausgaben für die Leistungen nicht voll abdecken, leistet die Bundesrepublik Deutschland an
die Deutsche Demokratische Republik eine vorübergehende Anschubfinanzierung im Rahmen der nach Artikel
28 zugesagten Haushaltshilfe.
KAPITEL V - BESTIMMUNGEN ÜBER DEN STAATSHAUSHALT UND DIE FINANZEN
1. ABSCHNITT - STAATSHAUSHALT
ARTIKEL 26 - Grundsätze für die Finanzpolitik der Deutschen Demokratischen Republik
(1) Die öffentlichen Haushalte in der Deutschen Demokratischen Republik
werden von der jeweiligen Gebietskörperschaft grundsätzlich in eigener
Verantwortung unter Beachtung der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts
aufgestellt. Ziel ist eine in die marktwirtschaftliche Ordnung eingepaßte
Haushaltswirtschaft. Die Haushalte werden in Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen.
Alle Einnahmen und Ausgaben werden in den jeweiligen Haushaltsplan eingestellt.
(2) Die Haushalte werden den Haushaltsstrukturen der Bundesrepublik Deutschland angepaßt. Hierzu werden,
beginnend ab der Errichtung der Währungsunion mit dem Teilhaushalt 1990, aus dem Staatshaushalt
insbesondere die folgenden Bereiche ausgegliedert:
- der Sozialbereich, soweit er in der Bundesrepublik Deutschland ganz oder überwiegend beitrags- oder
umlagenfinanziert ist,
- die Wirtschaftsunternehmen durch Umwandlung in rechtlich und wirtschaftlich selbständige Unternehmen,
- die Verkehrsbetriebe unter rechtlicher Verselbständigung,
- die Führung der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post als Sondervermögen.
Die öffentlichen Wohnungsbaukredite werden substanzgerecht den Einzelobjekten zugeordnet.
(3) Die Gebietskörperschaften in der Deutschen Demokratischen Republik unternehmen bei Aufstellung und
Vollzug der Haushalte alle Anstrengungen zur Defizitbegrenzung. Dazu gehören bei den Ausgaben:
- Der Abbau von Haushaltssubventionen, insbesondere kurzfristig für Industriewaren, landwirtschaftliche
Produkte und Nahrungsmittel, wobei für letzte autonome Preisstützungen entsprechend den Regelungen der
Europäischen Gemeinschaften zulässig sind, und schrittweise unter Berücksichtigung der allgemeinen
Einkommensentwicklung in den Bereichen des Verkehrs, der Energie für private Haushalte und des
Wohnungswesens,
- die nachhaltige Absenkung der Personalausgaben im öffentlichen Dienst,
- die Überprüfung aller Ausgaben einschließlich der ihnen zugrunde liegenden Rechtsvorschriften auf
Notwendigkeit und Finanzierbarkeit,
- die Strukturverbesserung des Bildungswesens sowie verbreitende Aufteilung nach föderativer Struktur
(einschließlich Forschungsbereich).
Bei den Einnahmen erfordert die Defizitbegrenzung neben Maßnahmen des 2. Abschnitts dieses Kapitels die
Anpassung beziehungsweise Einführung von Beiträgen und Gebühren für öffentliche Leistungen entsprechend
den Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland.
(4) Es wird eine Bestandsaufnahme des volkseigenen Vermögens vorgenommen. Das volkseigene Vermögen ist
vorrangig für die Strukturanpassung der Wirtschaft und für die Sanierung des Staatshaushalts in der Deutschen
Demokratischen Republik zu nutzen.
ARTIKEL 27 - Kreditaufnahme und Schulden
(1) Die Kreditermächtigungen in den Haushalten der Gebietskörperschaften der Deutschen Demokratischen
Republik werden für 1990 auf 10 Milliarden Deutsche Mark und für 1991 auf 14 Milliarden Deutsche Mark
begrenzt und im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland auf die
Ebenen verteilt. Für das Treuhandvermögen wird zur Vorfinanzierung zu erwartender Erlöse aus seiner
Verwertung ein Kreditermächtigungsrahmen für 1990 von 7 Milliarden Deutsche Mark und für 1991 von 10
Milliarden Deutsche Mark festgelegt. Der Bundesminister der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland kann
bei grundlegend veränderten Bedingungen eine Überschreitung der Kreditobergrenzen zulassen.
(2) Die Aufnahme von Krediten und das Einräumen von Ausgleichsforderungen erfolgen im Einvernehmen
zwischen dem Minister der Finanzen der Deutschen Demokratischen Republik und dem Bundesminister der
Finanzen der Bundesrepublik Deutschland. Gleiches gilt für die Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder
sonstigen Gewährleistungen sowie für die Summe der in den Haushalten auszubringenden
Verpflichtungsermächtigungen.
(3) Nach dem Beitritt wird die aufgelaufene Verschuldung des Republikhaushalts in dem Umfang an das
Treuhandvermögen übertragen, soweit sie durch die zu erwartenden künftigen Erlöse aus der Verwertung des
Treuhandvermögens getilgt werden kann. Die danach verbleibende Verschuldung wird je zur Hälfte auf den
Bund und die Länder, die sich auf dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik neu gebildet haben,
aufgeteilt. Von den Ländern und Gemeinden aufgenommene Kredite verbleiben bei diesen.
ARTIKEL 28 - Finanzzuweisungen der Bundesrepublik Deutschland
(1) Die Bundesrepublik Deutschland gewährt der Deutschen Demokratischen Republik zweckgebundene
Finanzzuweisungen zum Haushaltsausgleich für das 2. Halbjahr 1990 von 22 Milliarden Deutsche Mark und für
1991 von 35 Milliarden Deutsche Mark. Außerdem werden gemäß Artikel 25 zu Lasten des Bundeshaushalts als
Anschubfinanzierung für die Rentenversicherung 750 Millionen Deutsche Mark für das 2. Halbjahr 1990 sowie
für die Arbeitslosenversicherung 2 Milliarden Deutsche Mark für das 2. Halbjahr 1990 und 3 Milliarden
Deutsche Mark für 1991 gezahlt. Die Zahlungen erfolgen bedarfsgerecht.
(2) Die Vertragsparteien stimmen darin überein, daß die gemäß Artikel 18 des Abkommens vom 17. Dezember
1971 über den Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
Berlin (West) zu zahlende Transitpauschale mit Inkrafttreten dieses Vertrages entfällt. Die Deutsche
Demokratische Republik hebt die Vorschriften über die in diesem Abkommen sowie in dem Abkommen vom
31. Oktober 1979 über die Befreiung von Straßenfahrzeugen von Steuern und Gebühren geregelten Gebühren
mit Wirkung für die beiden Vertragsparteien auf. In Abänderung der Vereinbarung vom 5. Dezember 1989
vereinbaren die Vertragsparteien, daß ab dem 1. Juli 1990 keine Einzahlungen in den Reise-Devisenfonds mehr
geleistet werden. Über die Verwendung eines bei Einführung der Währungsunion noch vorhandenen Betrags der
Gegenwertmittel aus dem Reise-Devisenfonds wird zwischen den Finanzministern der Vertragsparteien eine
ergänzende Vereinbarung getroffen.
ARTIKEL 29 - Übergangsregelung im öffentlichen Dienst
Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik gewährleistet unter Beachtung von Artikel 2 Absatz 1
Satz 1, daß in Tarifverträgen oder sonstigen Regelungen im Bereich der öffentlichen Verwaltung unter
Beschränkung neuer dienstrechtlicher Vorschriften auf Übergangsregelungen die allgemeinen wirtschaftlichen
und finanziellen Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik und die Erfordernisse der
Konsolidierung des Haushalts beachtet werden. Das Bundespersonalvertretungsgesetz findet sinngemäß
Anwendung.
2. ABSCHNITT - FINANZEN
ARTIKEL 30 - Zölle und besondere Verbrauchssteuern
(1) Die Deutsche Demokratische Republik übernimmt schrittweise im Einklang mit dem Grundsatz in Artikel 11
Absatz 3 das Zollrecht der Europäischen Gemeinschaften einschließlich des Gemeinsamen Zolltarifs sowie die
besonderen Verbrauchssteuern nach Maßgabe der Anlage IV.
(2) Die Vertragsparteien sind sich einig, daß ihr Zollgebiet den Geltungsbereich dieses Vertrags umfaßt.
(3) Der Grenzausgleich zwischen den Erhebungsgebieten für Verbrauchssteuern beider Vertragsparteien,
ausgenommen für Tabak, entfällt. Die Steuerhoheit bleibt unberührt. Der Ausgleich der
Aufkommensverlagerungen wird durch besondere Vereinbarungen geregelt.
(4) Zwischen den Erhebungsgebieten wird der Versand unversteuerter verbrauchssteuerpflichtiger Waren nach
Maßgabe der Bestimmungen zugelassen, die den Verkehr mit unversteuerten Waren innerhalb eines
Erhebungsgebiets regeln.
(5) Die Steuerentlastung für auszuführende Waren wird erst beim Nachweis der Ausfuhr in andere Gebiete als
die der beiden Erhebungsgebiete gewährt.
ARTIKEL 31 - Besitz- und Verkehrssteuern
(1) Die Deutsche Demokratische Republik regelt die Besitz- und Verkehrssteuern nach Maßgabe der Anlage IV.
(2) Für Zwecke der Umsatzsteuer besteht zwischen den Vertragsparteien keine Steuergrenze; ein
umsatzsteuerlicher Grenzausgleich erfolgt nicht. Die Steuerhoheit bleibt unberührt. Das Recht zum
Vorsteuerabzug erstreckt sich auch auf die Steuer für Umsätze, die bei der anderen Vertragspartei der
Umsatzsteuer unterliegen. Der Ausgleich der sich hieraus ergebenden Aufkommensminderung wird durch
besondere Vereinbarung geregelt.
(3) Bei unbeschränkter Vermögensteuerpflicht im Gebiet einer Vertragspartei steht dieser Vertragspartei das
ausschließliche Besteuerungsrecht zu; bei unbeschränkter Steuerpflicht im Gebiet beider Vertragsparteien gilt
dies für die Vertragspartei, zu der der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen
Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen) oder in deren Gebiet er als nichtnatürliche Person die
tatsächliche Geschäftsleitung hat. Auf das Gebiet der anderen Vertragspartei entfallendes Vermögen ist nach den
dort für Inlandsvermögen geltenden Vorschriften zu bewerten.
(4) Bei unbeschränkter Erbschaftsteuer- oder Schenkungssteuerpflicht im Gebiet einer Vertragspartei steht dieser
Vertragspartei für Erwerbe, für die Steuer nach dem 31. Dezember 1990 entsteht, das ausschließliche
Besteuerungsrecht zu; bei unbeschränkter Steuerpflicht im Gebiet beider Vertragsparteien gilt dies für die
Vertragspartei, zu der der Erblasser oder Schenker im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld die engeren
persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hatte (Mittelpunkt der Lebensinteressen) oder in deren Gebiet er
als nichtnatürliche Person die tatsächliche Geschäftsleitung hatte. Für die Bewertung gilt Absatz 3 Satz 2
entsprechend.
(5) Für Erwerbe von Todes wegen, für die die Steuer nach dem 30. Juni 1990 und vor dem 1. Januar 1991
entsteht, gilt Absatz 4 entsprechend. Erwerbe von Todes wegen von Bürgern der Vertragsparteien, die nach dem
8. November 1989 im Gebiet der anderen Vertragspartei einen Wohnsitz begründet oder dort erstmals ihren
gewöhnlichen Aufenthalt hatten und Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt dort noch im Zeitpunkt des Todes
hatten, dürfen dort zu keiner höheren Erbschaftsteuer herangezogen werden, als sie sich bei unbeschränkter
Steuerpflicht im Gebiet der erstgenannten Vertragspartei ergäbe.
(6) Mitteilungs- und Anzeigenpflichten, die sich aus dem Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht der
Vertragsparteien ergeben, gelten auch gegenüber den Finanzbehörden der jeweiligen anderen Vertragspartei.
ARTIKEL 32 - Informationsaustausch
(1) Die Vertragsparteien tauschen die Informationen aus, die zur Durchführung ihres Abgaben- und
Monopolrechts erforderlich sind. Zuständig für den Informationsaustausch sind die Finanzminister der
Vertragsparteien und die von ihnen ermächtigten Behörden. Alle Informationen, die eine Vertragspartei erhalten
hat, sind ebenso geheimzuhalten wie die aufgrund ihres innerstaatlichen Rechts beschafften Informationen und
dürfen nur den Personen oder Behörden (einschließlich der Gerichte und der Verwaltungsbehörden) zugänglich
gemacht werden, die mit der Festsetzung oder Erhebung, der Vollstreckung oder Strafverfolgung oder mit der
Entscheidung von Rechtsmitteln hinsichtlich der unter diesen Abschnitt fallenden Abgaben und Monopole
befaßt sind. Diese Personen oder Behörden dürfen die Informationen nur für diese Zwecke verwenden. Sie
dürfen die Informationen in einem öffentlichen Gerichtsverfahren oder in einer Gerichtsentscheidung offenlegen.
(2) Absatz 1 verpflichtet eine Vertragspartei nicht,
- Verwaltungsmaßnahmen durchzuführen, die von den Gesetzen und der Verwaltungspraxis dieser oder der
anderen Vertragspartei abweichen,
- Informationen zu erteilen, die nach den Gesetzen oder im üblichen Verwaltungsverfahren dieser oder der
anderen Vertragspartei nicht beschafft werden können,
- Informationen zu erteilen, die ein Handels-, Industrie-, Gewerbe- und Berufsgeheimnis oder ein
Geschäftsverfahren preisgeben würden oder deren Erteilung der öffentlichen Ordnung widerspräche.
ARTIKEL 33 - Konsultationsverfahren
(1) Die Vertragsparteien werden sich bemühen, bei den Besitz- und Verkehrssteuern eine Doppelbesteuerung
durch Verständigung über eine sachgerechte Abgrenzung der Besteuerungsgrundlagen zu vermeiden. Sie werden
sich weiter bemühen, Schwierigkeiten oder Zweifel, die sich bei der Auslegung oder Anwendung ihres Rechts
der unter diesen Abschnitt fallenden Abgaben und Monopole im Verhältnis zueinander ergeben, im
gegenseitigen Einvernehmen zu beseitigen.
(2) Zur Herbeiführung einer Einigung im Sinne des vorstehenden Absatzes können der Bundesminister der
Finanzen der Bundesrepublik Deutschland und der Minister der Finanzen der Deutschen Demokratischen
Republik unmittelbar miteinander verkehren.
ARIKTEL 34 - Aufbau der Finanzverwaltung
(1) Die Deutsche Demokratische Republik schafft die Rechtsgrundlagen für eine dreistufige Finanzverwaltung
entsprechend dem Gesetz über die Finanzverwaltung der Bundesrepublik Deutschland mit den sich aus diesem
Vertrag ergebenden Abweichungen und richtet die Verwaltungen entsprechend ein.
(2) Bis zur Errichtung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion werden vorrangig funktionsfähige Steuer-
und Zollverwaltungen aufgebaut.
KAPITEL VI - SCHLUßBESTIMMUNGEN
ARTIKEL 35 - Völkerrechtliche Verträge
Dieser Vertrag berührt nicht die von der Bundesrepublik Deutschland oder der Deutschen Demokratischen
Republik mit dritten Staaten abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge.
ARTIKEL 36 - Überprüfung des Vertrages
Die Bestimmungen dieses Vertrags werden bei grundlegender Änderung der gegebenen Umstände
überprüft.
ARTIKEL 37 - Berlin-Klausel
Entsprechend dem Viermächte-Abkommen vom 3. September 1971 wird dieser Vertrag in Übereinstimmung mit
den festgelegten Verfahren auf Berlin (West) ausgedehnt.
ARTIKEL 38 - Inkrafttreten
Dieser Vertrag einschließlich des Gemeinsamen Protokolls sowie der Anlagen I-IX tritt an dem Tag in Kraft, an
dem die Regierungen der Vertragsparteien einander mitgeteilt haben, daß die erforderlichen
verfassungsrechtlichen und sonstigen innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten erfüllt sind.
GESCHEHEN in Bonn am 18. Mai 1990 in zwei Urschriften in deutscher Sprache.
Für die Bundesrepublik Deutschland Dr. Theo Waigel
Für die Deutsche Demokratische Republik Dr. Walter Romberg
Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Nr. 63 vom 18.5.1990
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 14.11. 2020