Totale Differenzierbarkeit
Die totale Differenzierbarkeit ist im mathematischen Teilgebiet der Analysis eine
grundlegende Eigenschaft von Funktionen
zwischen endlichdimensionalen Vektorräumen über .
Mittels dieser Eigenschaft lassen sich viele weitere für die Analysis bedeutsame
Aussagen über Funktionen zeigen. (Diese Aussagen sind nicht gültig bei
Verwendung der schwächeren partiellen
Differenzierbarkeit, welche der üblichen Definition der Differenzierbarkeit
einer reellen Funktion als Konvergenz der Differenzenquotienten formal ähnlicher
ist.) Viele weitere Begriffe der Analysis bauen dann auf der totalen
Differenzierbarkeit auf. In der neueren mathematischen Literatur spricht man
meist statt totaler Differenzierbarkeit einfach von Differenzierbarkeit.
Die totale Differenzierbarkeit einer Funktion in einem Punkt bedeutet, dass diese sich dort lokal durch eine lineare Abbildung approximieren (annähern) lässt, während die partielle Differenzierbarkeit (in alle Richtungen) nur die lokale Approximierbarkeit durch Geraden in allen Koordinatenachsenrichtungen, nicht jedoch als eine einzige lineare Abbildung fordert.
Während die Ableitung
einer Funktion
an einer Stelle
üblicherweise als eine Zahl aufgefasst wird, fasst man im höherdimensionalen
Fall die Ableitung als ebenjene lokale lineare Approximation auf. Diese lineare
Abbildung kann durch eine Matrix dargestellt werden, die
Ableitungsmatrix, Jacobi-Matrix
oder Fundamentalmatrix genannt wird (im eindimensionalen Fall ergibt sich
dadurch wiederum eine 1×1-Matrix, d.h. eine einzige Zahl). Im
eindimensionalen Fall stimmen der klassische reelle, der totale und der
partielle Differenzierbarkeitsbegriff überein.
Der Begriff der Fréchet-Differenzierbarkeit verallgemeinert die totale Differenzierbarkeit auf unendlichdimensionale Räume, er übernimmt die Eigenschaft der Ableitung als lokale, lineare Approximation.
Motivation/Einführung
Für Funktionen
wird die Ableitung an der Stelle
in der Regel durch
definiert, mit
bzw.
.
In dieser Form kann man die Definition nicht auf Abbildungen
übertragen, da man durch
nicht dividieren kann. Man verfolgt deshalb einen anderen Weg.
Die Ableitung
beschreibt die Steigung der Tangente an den Funktionsgraphen im Punkt
.
Die Tangente selbst hat die Gleichung
sie ist also der Graph der linearen (affinen) Funktion
.
Diese Funktion approximiert die Funktion
im folgenden Sinn:
bzw. (mit ,
also
)
,
wobei der Fehlerterm
für
schneller gegen 0 geht als
,
das heißt
In dieser Form lässt sich der Begriff der Differenzierbarkeit auf Abbildungen
übertragen. In diesem Fall ist
ein Vektor in
,
ein Vektor in
und
eine lineare Abbildung von
nach
.
Definition
Gegeben seien eine offene Teilmenge ,
ein Punkt
und eine Abbildung
.
Die Abbildung
heißt im Punkt
(total) differenzierbar, falls eine lineare Abbildung
existiert, die die Abbildung
approximiert, das heißt, für die „Fehlerfunktion“
gilt
Dabei bezeichnet
einen Vektor in
.
Die doppelten Betragsstriche bezeichnen eine Vektornorm in
bzw.
.
Da im
bzw.
alle Normen äquivalent sind, spielt es keine Rolle, welche Norm gewählt wird.
Falls so eine lineare Abbildung
existiert, so ist sie eindeutig bestimmt. Man nennt sie das (totale)
Differential oder einfach nur die Ableitung von
im Punkt
und schreibt dafür
,
,
oder
.
Falls umgekehrt in einer Umgebung von
alle partiellen Ableitungen von
existieren und in
stetig sind, folgt schon die (totale) Differenzierbarkeit von
in
.
Siehe auch
- Totales Differential, für den auf der totalen Differenzierbarkeit aufbauenden Ableitungsbegriff für reellwertige Funktionen.
- Pushforward, der Ableitungsbegriff der sich aus der totalen Differenzierbarkeit für Funktionen zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten ergibt.
Literatur
- Konrad Königsberger: Analysis 2. Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg, 2000, ISBN 3-540-43580-8.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 21.06. 2021