Cantor-Raum
Der Cantor-Raum  
(nach dem deutschen Mathematiker Georg 
Cantor) ist ein topologischer 
Raum. Er ist – neben dem Baire-Raum 
– von besonderer Bedeutung für die deskriptive 
Mengenlehre. Er findet Anwendungen in den Theorien unendlicher Spiele und 
unendlicher Automaten. 
Der Cantor-Raum wird dabei in der Regel als Raum aller Folgen auf der Menge 
 
angesehen. Er ist homöomorph 
zur Cantor-Menge, einem Teilraum 
der reellen Zahlen, d.h. 
sämtliche topologischen Eigenschaften sind dieselben. Dieser Artikel behandelt 
dabei den Raum aus der Sicht der deskriptiven Mengenlehre, wobei etwa die 
Einbettung in die reellen Zahlen keine Rolle spielt. 
Definition
Sei  
die Menge aller Folgen von Werten 
 
oder 
. 
Betrachtet man auf 
 
die diskrete 
Topologie, so ergibt sich dadurch mittels der Produkttopologie eine 
Topologie auf 
. 
 
mit dieser topologischen Struktur heißt Cantor-Raum. Da 
 
mit der diskreten Topologie ein kompakter 
polnischer Raum ist, 
ist auch dieses abzählbare Produkt ein kompakter polnischer Raum. Eine 
konkretere Vorgehensweise, um zu zeigen, dass es sich um einen polnischen Raum 
handelt, ist wie folgt: Die Topologie wird durch eine Metrik 
 
induziert, die wie folgt gegeben ist: 
Hierbei bezeichne  
die erste Stelle, in der sich die Folgen 
 
und 
 
unterscheiden. Es handelt sich dabei sogar um eine Ultrametrik. 
Der Raum ist separabel, da die schlussendlich 
 
werdenden Folgen eine abzählbare, dichte Teilmenge bilden. Die Vollständigkeit 
lässt sich analog zu den reellen Zahlen zeigen, mittels der dyadischen Entwicklung 
entsprechen die reellen Zahlen im Intervall 
, 
gerade solchen Folgen, wobei allerdings auf unendlich viele 
en 
endende Folgen mit auf unendlich viele 
en 
endenden Folgen identifiziert werden. 
Eigenschaften der Topologie
Viele Eigenschaften des Cantor-Raums sind analog zu solchen des Baire-Raums, etwa mögliche Charakterisierungen der Stetigkeit und der Konvergenz:
Eine Funktion  
ist genau dann in einem Punkt 
 
stetig, wenn für jedes 
 
ein 
 
existiert, sodass die ersten 
 
Stellen von 
 
die ersten 
 
Stellen von 
 
bestimmen. 
Eine Folge konvergiert genau dann, wenn für jedes 
 
ein 
 
existiert, sodass ab dem 
-ten 
Folgenglied die ersten 
 
Stellen stets übereinstimmen. Dies ist anders als bei der dyadischen Entwicklung 
reeller Zahlen, dort können aufgrund der oben genannten Identifikation die 
Stellen in der Entwicklung bei rationalen, dyadischen Grenzwerten völlig andere 
sein (0,1, 0,11, 0,111, … konvergiert gegen 1,000…). 
Da der Cantor-Raum ultrametrisierbar ist, ist er total unzusammenhängend und somit sogar ein Stone-Raum. Zudem ist er ein perfekter polnischer Raum, da er keine isolierten Punkte enthält.
Der Cantor-Raum ist in dem Sinne universell für die kompakten polnischen Räume, dass jeder kompakte polnische Raum stetiges Bild des Cantor-Raums ist (Satz von Alexandroff-Urysohn).
Verschiedene Cantor-Räume
Es stellt sich heraus, dass der Cantor-Raum homöomorph zu zahlreichen 
ähnlichen oder abgeleiteten Strukturen ist, was ihn in der deskriptiven 
Mengenlehre und der Automaten- und Spieltheorie leicht handhabbar macht:  
ist homöomorph zu 
 
für 
, 
 
und 
. 
Somit kann man zum Beispiel einfach von Projektionen von Mengen sprechen, ohne 
in einen Produktraum wechseln zu müssen. Oder es lassen sich etwa Relationen 
zwischen Elementen des Cantor-Raums genauso wie einfache Teilmengen behandeln.  
 
  
Auch Folgen über größeren endlichen Mengen führen zu derselben Topologie. Es 
spielt also für die topologischen Betrachtungen keine Rolle, wenn man etwa bei 
einer Anwendung in der Automatentheorie nicht-binäre Alphabete 
zulässt. Sei etwa ein Raum  
mit der Produkttopologie und 
 
gegeben. Definiere nun eine Abbildung 
, 
die jedes Folgenglied 
 
durch ein binäres Wort 
 
mit 
- für - , - sonst 
ersetzt.  
ist ein Homöomorphismus, denn: Sind im 
 
die ersten 
 
Stellen festgelegt, so sind es im Bild auch mindestens so viele. Umkehrung 
stetig: Sind im 
 
die ersten 
 
Stellen festgelegt, so sind es im Bild auch mindestens 
 
viele. 
Tatsächlich ist sogar jeder perfekte, polnische Stone-Raum homöomorph zum Cantor-Raum (äquivalent dazu: jeder perfekte, metrisierbare Stone-Raum). (siehe nächster Abschnitt zum Beweis)
Schlussendlich sei noch ein Homöomorphismus zur Cantor-Menge genannt: Die Funktion
ist ein Homöomorphismus auf ihr Bild – die Cantor-Menge, die Menge der 
reellen Zahlen im abgeschlossenen Einheitsintervall, deren ternäre Entwicklung 
keinerlei en 
enthält. Die Topologie des Cantor-Raums wird mittels dieses Homöomorphismus also 
auch durch die Metrik auf den reellen Zahlen erzeugt, wobei diese vollständig 
ist, da in einem kompakten Raum alle die Topologie induzierenden Metriken 
vollständig sind. 
Zur Universalität
Der Baire-Raum hat die besondere Eigenschaft, dass jeder polnische Raum 
stetiges Bild dieses Raumes ist. Diese Eigenschaft besitzt der Cantor-Raum 
nicht, schließlich ist er kompakt, weshalb nur kompakte Räume stetiges Bild 
seiner sein können. Jedoch gilt, dass jeder kompakte polnische Raum 
stetiges Bild des Cantor-Raums ist (dies sind gerade die kompakten 
Hausdorffräume, die das zweite 
Abzählbarkeitsaxiom erfüllen, diese sind nach dem Metrisierbarkeitssatz 
von Urysohn metrisierbar und, da sie kompakt sind, bezüglich jeder Metrik 
vollständig; ebenso sind dies genau die kompakten metrisierbaren Räume). Zum 
Beweis: Sei  
ein kompakter metrisierbarer Raum. Konstruiere nun einen Baum von offenen 
Teilmengen, also für jedes Wort 
 
eine abgeschlossene Menge 
 
mit natürlichen Zahlen 
 
mit den folgenden Eigenschaften: 
- für 
- . 
Hierzu wähle man für jeden Punkt in  
abgeschlossene Kugeln, die hinreichend klein sind, um die dritte Bedingung 
erfüllen zu können (etwa mit einem Radius 
). 
Ihre offenen 
Kerne bilden eine offene Überdeckung von 
, 
das als abgeschlossene Teilmenge eines Kompaktums kompakt ist. Somit existiert 
eine endliche Teilüberdeckung, deren Kardinalität 
 
heiße, die jeweiligen Abschlüsse lassen sich nun als 
 
für 
 
auswählen, die restlichen 
 
werden leer. Sei nun 
 
der Raum der Folgen 
 
über den natürlichen Zahlen, für die für alle Indizes 
 
. 
 
ist stetiges Bild des Cantor-Raums (die obige Konstruktion eines Homöomorphismus 
für Folgen über einer anderen endlichen Menge entspricht konstanten 
, 
diese lässt sich entsprechend zu einer stetigen Abbildung von 
 
nach 
 
verallgemeinern). Die Funktion 
 
mit 
 
ist nach dem Intervallschachtelungsprinzip 
eindeutig definiert und surjektiv. Zudem ist es stetig, da Konvergenz von Folgen 
unter dieser Abbildung erhalten bleibt. Dies liefert also die gewünschte 
Abbildung. 
Im Falle eines Raumes, der zusätzlich perfekt und total unzusammenhängend 
ist, lassen sich die  
disjunkt und perfekt und alle 
 
wählen, wodurch sich dann sogar ein Homöomorphismus ergibt. 
Auf ähnliche Weise ergibt sich, dass jeder perfekte polnische Raum den Cantor-Raum enthält, woraus mit dem Satz von Cantor-Bendixson folgt, dass jeder überabzählbare polnische Raum die Kardinalität des Kontinuums hat. Auch enthält jeder vollständig metrisierbare, perfekte Raum den Cantor-Raum.
Boolesche Algebra
Nach dem Darstellungssatz 
für Boolesche Algebren ist jede boolesche 
Algebra isomorph zu der booleschen Algebra der offenen und 
abgeschlossenen Mengen eines Stone-Raums (total unzusammenhängender, 
kompakter Hausdorffraum). Die offenen und abgeschlossenen Mengen des 
Cantor-Raums sind gerade die, die sich als endliche Vereinigung von Mengen aller 
Folgen mit einem festen gemeinsamen Präfix ( 
mit 
) 
schreiben lassen, denn: Das Komplement einer solchen Menge ist offenbar wieder 
eine offene Menge, und da besagte Mengen mit gemeinsamem Präfix eine Basis der Topologie 
bilden, müssen alle weiteren offenen Mengen nur als unendliche Vereinigung 
solcher Mengen darstellbar sein, deren Komplement dann nicht offen ist, da kein 
solches Basiselement enthalten sein kann. Somit sind die angegebenen tatsächlich 
alle offenen und abgeschlossenen Mengen. Diese boolesche Algebra ist also 
abzählbar und besitzt keine Atome, 
d.h. minimale Nicht-Nullelemente, denn jede nichtleere offene und 
abgeschlossene Menge zerfällt wiederum in zwei solche Mengen. Sei umgekehrt ein 
perfekter Stone-Raum mit abzählbar vielen offenen und gleichzeitig 
abgeschlossenen Mengen gegeben. Da ein Stone-Raum stets nulldimensional 
ist, bilden diese Mengen eine Basis, die somit abzählbar ist. Es ergibt sich aus 
obiger Charakterisierung, dass der Raum homöomorph zum Cantor-Raum ist. Nun 
folgt aus dem Darstellungssatz für Boolesche Algebren, dass je zwei abzählbar 
unendliche boolesche Algebren ohne Atome isomorph sind, denn ihr zugehöriger 
Stone-Raum ist gerade stets der Cantor-Raum (wäre der zugehörige Stone-Raum 
nicht perfekt, so besäße die boolesche Algebra Atome). 
Gruppenstruktur
Mittels der komponentenweisen Addition im  
wird der Cantor-Raum auch zu einer kompakten, abelsch 
topologischen 
Gruppe (Produkte topologischer Gruppen sind wieder topologische Gruppen), 
genannt Cantor-Gruppe. Diese wird auch seitens der harmonischen 
Analyse betrachtet, die Walsh-Funktionen 
sind dabei Charaktere 
dieser Gruppe. 

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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 11.03. 2023