Projektive Familie von Wahrscheinlichkeitsmaßen
Eine projektive Familie von Wahrscheinlichkeitsmaßen, kurz projektive Familie, manchmal auch konsistente Familie (von Wahrscheinlichkeitsmaßen) genannt, ist in der Wahrscheinlichkeitstheorie eine Familie von Wahrscheinlichkeitsmaßen, an deren Verteilungen der Projektionen auf die Komponenten besondere Anforderungen gestellt werden. Projektive Familien finden beispielsweise Verwendung bei dem Beweis des Satzes von Andersen-Jessen oder der Formulierung des Erweiterungssatzes von Kolmogorov, der die Existenz von Wahrscheinlichkeitsmaßen mit vorgegebenen Eigenschaften auf überabzählbaren Produkträumen garantiert und dadurch auch wichtige Existenzaussagen für stochastische Prozesse liefert.
Definition
Gegeben sei eine beliebige nichtleere Indexmenge  
und  Messräume 
 
für 
. 
Für beliebiges 
 
sei 
das Produkt der Messräume und
die Projektion 
auf die Komponenten der Indexmenge . 
Des Weiteren sei 
 
die Menge aller nichtleeren, endlichen Teilmengen von 
. 
Eine Familie  
von Wahrscheinlichkeitsmaßen heißt dann eine projektive Familie von 
Wahrscheinlichkeitsmaßen, wenn für jede Teilmenge 
 
der endlichen Menge 
 
gilt, dass 
ist. Die Wahrscheinlichkeitsmaße der kleineren Indexmenge sollen also mit der Verteilung der Wahrscheinlichkeitsmaße der großen Indexmenge unter der Projektion auf die Komponenten übereinstimmen.
Beispiel
Gegeben sei eine beliebige Indexmenge  
und ein Messraum 
versehen mit einem Wahrscheinlichkeitsmaß . 
Aufgrund der Eigenschaften der Projektion gilt 
 
für 
. 
Somit ist jede Familie 
projektiv.
Bemerkung
Das obige Beispiel zeigt, dass die Projektivität einer Familie von Wahrscheinlichkeitsmaßen notwendig für die Existenz eines Wahrscheinlichkeitsmaßes auf dem Produktraum ist. Für Borel’sche Räume liefert der Erweiterungssatz von Kolmogorov auch die Umkehrung. Hier bestimmt die projektive Familie ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf dem Produktraum bereits eindeutig.


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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 16.11. 2020