Tetraethylblei

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP), ggf. erweitert
06 – Giftig oder sehr giftig 08 – Gesundheitsgefährdend 09 – Umweltgefährlich
Gefahr
H- und P-Sätze H:
  • Lebensgefahr bei Verschlucken.
  • Lebensgefahr bei Hautkontakt.
  • Lebensgefahr bei Einatmen.
  • Kann das Kind im Mutterleib schädigen. Kann vermutlich die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.
  • Kann die Organe schädigen (alle betroffenen Organe nennen, sofern bekannt) bei längerer oder wiederholter Exposition (Expositionsweg angeben, wenn schlüssig belegt ist, dass diese Gefahr bei keinem anderen Expositionsweg besteht).
  • Sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung.
P:
  • Vor Gebrauch besondere Anweisungen einholen.
  • Staub / Rauch / Gas / Nebel / Dampf / Aerosol nicht einatmen.
  • Nach Gebrauch … gründlich waschen. (Die vom Gesetzgeber offen gelassene Einfügung ist vom Inverkehrbringer zu ergänzen)
  • Freisetzung in die Umwelt vermeiden.
  • Schutzhandschuhe / Schutzkleidung / Augenschutz / Gesichtsschutz tragen.
  • Bei unzureichender Belüftung Atemschutz tragen.
Zulassungsverfahren nach REACH besonders besorgniserregend: fortpflanzungsgefährdend (CMR)
MAK 0,05 mg·m−3 (berechnet als Blei)
Toxikologische Daten 12,3 mg/kg (LD50Ratteoral)

Tetraethylblei (TEL, von englisch tetraethyl lead) zählt zu den organischen Bleiverbindungen, einer Unterklasse der Organometallverbindungen und hat die Konstitutionsformel Pb(C2H5)4. Große Bedeutung erlangte es als Antiklopfmittel für Ottokraftstoffe. Aufgrund seiner Giftigkeit wird es hierfür seit Anfang der 1990er Jahre nur noch in Ausnahmefällen verwendet. Stattdessen wird MTBE (Methyl-tert-butylether), ETBE (Ethyl-tert-butylether) oder tert-Amylmethylether (TAME) verwendet. Neben der Erhöhung der Klopffestigkeit wird von einer Schutzwirkung für die Auslassventile ausgegangen, weshalb in älteren Motoren bleifreies Benzin mit Bleiersatz verwandt wird.

Strukturformel
Strukturformel von Tetraethylblei
Allgemeines
Name Tetraethylblei
Andere Namen
  • Bleitetraethyl
  • TEL
  • Bleitetraäthylen (veraltet)
  • Tetraethylplumban
Summenformel C8H20Pb
Kurzbeschreibung farblose, leicht bewegliche, süßlich riechende, giftige Flüssigkeit
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 78-00-2
EG-Nummer 201-075-4
ECHA-InfoCard 100.000.979
PubChem 6511
Eigenschaften
Molare Masse 323,45 g/mol−1
Aggregatzustand flüssig
Dichte 1,65 g/cm3
Schmelzpunkt −136 °C
Siedepunkt 110 °C (Zersetzung)
Dampfdruck 35 Pa (20 °C)
Löslichkeit
  • nahezu unlöslich in Wasser
  • gut in vielen organischen Lösungsmitteln
Brechungsindex 1,519 (20 °C)

Geschichte

Im Ersten Weltkrieg hatte die Militärfliegerei einen stürmischen Aufschwung genommen; viele Staaten hatten Militärflugzeuge bauen lassen und Luftwaffen aufgebaut. Wer die schnelleren Flugzeuge hatte, besaß Luftüberlegenheit und konnte leichter die Lufthoheit erlangen bzw. verteidigen. Während des Krieges wurden ständig neue Rekorde (z.B. Höhe, Geschwindigkeit) aufgestellt. Die Nachfrage nach hochwertigem Flugbenzin war hoch.

Die Erstsynthese von Tetraethylblei war bereits 1854 gelungen, die kommerzielle Nutzung begann im Jahr 1921, als Thomas Midgley (General Motors) seine Wirkung als Antiklopfmittel entdeckte.

Da TEL auch durch die Haut resorbiert und akkumuliert wird, wurden viele Mitglieder des Forschungsteams vergiftet (unter anderem auch Midgley selbst), und Dutzende starben schließlich daran. 1924 gründeten Standard Oil Company of New Jersey und General Motors die Ethyl Gasoline Corporation, um die in den USA bestehenden Patente zur Herstellung und Verwendung zu kontrollieren und TEL ausschließlich in den USA zu produzieren.

Schon bald begannen die Arbeiter, die mit der Herstellung beschäftigt waren, sich seltsam zu verhalten, so dass das Produktionsgebäude unter den Arbeitern den Spitznamen The loony gas building (dt.: "Das verrückte Benzin-Gebäude") bekam. Im Herbst 1924 verschlechterte sich der Zustand der Arbeiter rapide. 32 der 49 Arbeiter kamen ins Krankenhaus, 5 von ihnen starben. Das Office of Chief Medical Examiner of the City of New York (OCME) unter Charles Norris wurde mit der Untersuchung beauftragt. Alexander O. Gettler konnte in den Körpern der Toten sehr hohe Konzentrationen an Blei nachweisen - die Todesursache war also letztendlich Bleivergiftung. Dies führte zu einem vorübergehenden Verbot von bleihaltigen Benzinzusätzen unter anderem in New York City, New Jersey und Philadelphia, welches von der Bundesregierung jedoch 1926 wieder aufgehoben wurde.

Die I.G. Farben erwarb nach langwierigen Verhandlungen und trotz Einspruchs der US-Regierung 1935 von Standard Oil, mit denen sie beim synthetischen Benzin zusammenarbeitete, eine Lizenz zur Herstellung von Bleitetraethyl, um damit klopffesteres Flugbenzin mit hoher Oktanzahl herstellen zu können. Nach Gründung der Ethyl GmbH wurden zwei TEL-Anlagen gebaut und mit der NS-Regierung am 10. Juni 1936 ein Flugbenzinvertrag geschlossen. Eine dieser TEL-Anlagen für die jährliche Produktion von 1200 Tonnen entstand in Premnitz, die andere 1938/39 für 3600 Tonnen in Frose.

In den USA wurde während des Zweiten Weltkriegs nach Entwicklung des hochwertigen und weit weniger giftigen Isooctans aus Crackgasen die Verwendung von TEL für Flugbenzin zugunsten von Isooctan eingeschränkt.

In den USA begann die Environmental Protection Agency 1972 mit einer Kampagne, um TEL schrittweise aus dem Verkehr zu ziehen. Dies dauerte 10 Jahre (1976 bis 1986). 1994 bewies eine Studie, dass die Bleikonzentration im Blut von 1978 bis 1991 um 78 % gesunken war.

Ab Mitte der 1980er Jahre wurde bleifreies Benzin nach und nach an immer mehr Tankstellen in Deutschland angeboten, zunächst parallel zu herkömmlichen verbleiten Kraftstoffen. Mit fortschreitender Verbreitung von Katalysatoren, die auf „bleifreies“ Benzin angewiesen sind, war es nach einigen Jahren praktisch überall verfügbar. Verbleites Normalbenzin wurde 1988 in Deutschland verboten; das Verbot von verbleitem Superbenzin folgte 1996.

In der Europäischen Union wurde verbleites Benzin am 1. Januar 2000 endgültig aus dem Verkehr gezogen. Etwa seit dem Jahr 2001 sind auch chinesische Tankstellen „bleifrei“. Für ältere Fahrzeuge, deren Motoren bauartbedingt Tetraethylblei benötigen, sind heute Bleiersatzmittel separat im Handel erhältlich. Bleihaltiges Benzin für den Straßeneinsatz wird (Stand Juni 2011) noch in sechs Ländern verkauft: Afghanistan, Algerien, Irak, Jemen, Myanmar und Nordkorea. Für Kleinflugzeuge wird unter der Bezeichnung AvGas weiterhin bleihaltiges Benzin angeboten, jedoch gibt es auch hier verschiedene Varianten mit vermindertem oder ganz ohne Bleizusatz.

Obwohl verbleites Benzin schon in der ersten Hälfte der 1990er Jahre aus Nordamerika verbannt wurde, gibt es noch immer Auswirkungen auf die Umwelt, die sich auf die hohe Konzentration von Blei zurückführen lassen. Experten raten beispielsweise Eltern in betroffenen Regionen (z.B. auf Altlastenflächen), ihre Kinder nicht im Freien spielen zu lassen.

Gewinnung und Darstellung

TEL wird durch Reaktion von Chlorethan mit einer Natrium-Blei-Legierung (Verhältnis Na:Pb = 4:1) hergestellt:

{\mathrm  {4\ CH_{3}CH_{2}Cl+4\ Na+Pb\longrightarrow Pb(CH_{2}CH_{3})_{4}+4\ NaCl}}
Chlorethan reagiert mit Natrium und Blei zu TEL und Kochsalz.

Eine Alternative ist die elektrochemische Herstellung über die Grignard-Verbindung Ethylmagnesiumchlorid als Zwischenstufe mit folgender Gesamtreaktion:

{\mathrm  {4\ CH_{3}CH_{2}Cl+2\ Mg+Pb\longrightarrow Pb(CH_{2}CH_{3})_{4}+2\ MgCl_{2}}}

Die erste Anlage hierzu wurde in Freeport/USA mit einer Gesamtkapazität von 17.000 t Bleitetraethyl pro Jahr entwickelt.

Die Verbrennung im Motor

Eine bemerkenswerte Eigenschaft von TEL ist die Schwäche der C-Pb-Bindungen. Bei den hohen Temperaturen in Verbrennungsmotoren zerfällt Pb(CH2CH3)4 teilweise in Pb(CH2CH3)3 und Ethylradikale. Diese Radikale fangen die bei der thermischen Zersetzung des Ottokraftstoffes im Zylinder entstehenden Kraftstoffradikale ab (Radikalfänger) und verhindern so eine vorzeitige Verbrennung des Luft-Brennstoff-Gemisches.

Die übrigen Pb(CH2CH3)4-Moleküle verbrennen gemäß folgender Gleichung:

{\mathrm  {Pb(CH_{2}CH_{3})_{4}+13\ O_{2}\longrightarrow 8\ CO_{2}+10\ H_{2}O+Pb}}
TEL und Sauerstoff reagieren zu Kohlendioxid, Wasser und Blei.
{\mathrm  {2\ Pb+O_{2}\longrightarrow 2\ PbO}}
Blei reagiert mit Sauerstoff zu Blei(II)-oxid.

Als Reaktionsprodukte bleiben Blei und Blei(II)-oxid zurück. Um eine Ablagerung dieser Stoffe und eine damit verbundene Schädigung des Motors zu verhindern, wird dem Kraftstoff 1,2-Dibromethan oder 1,2-Dichlorethan als Scavenger zugesetzt. Das sich bildende Bleibromid bzw. Bleichlorid ist bei den Verbrennungstemperaturen im Motor flüchtig und wird daher mit den Abgasen ausgestoßen. Über diesen Weg gelangt das Blei direkt in die Umwelt. Zudem sind 1,2-Dibromethan und 1,2-Dichlorethan selbst giftige Substanzen.

Löslichkeit

Da die vier Ethylgruppen tetraedrisch um das Bleiatom angeordnet sind, fallen der positive (Pb) und die addierten negativen Ladungsschwerpunkte (C2H5) zusammen. Da das Molekül zudem ungeladen ist, ist es unpolar und somit lipophil (fettliebend) und hydrophob (wasserabweisend). Daraus resultieren seine gute Löslichkeit in öligen und sehr schlechte Löslichkeit in polaren Lösungsmitteln, zum Beispiel Wasser.

Verwendung

Bleihaltiges Flugzeugbenzin. Abgefüllt 15. Februar 2013.

Tetraethylblei ist als Antiklopfmittel bei Flugbenzin (AvGas) noch im Einsatz.

Gesundheitliche Auswirkungen

Tetraethylblei ist giftig (MAK 0,05 ppm) und wirkt auf das Zentralnervensystem. Die Toxizität wird auf Ethyl-Radikale zurückgeführt, die beim Abbau der Verbindung entstehen. So wird TEL im Menschen in das Nervengift Triethylblei umgewandelt. Mehrere Studien in den 1990ern und 2000ern ergaben, dass durch verbleite Treibstoffe ins Blut gelangtes Blei aggressives und antisoziales Verhalten fördere. TEL ist zudem möglicherweise krebserregend.

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 09.02. 2023