Konvexitätsbedingung
In der mathematischen Theorie der normierten Räume werden gewisse Klassen normierter Räume durch Eigenschaften der Einheitskugel definiert. Hier betrachten wir Konvexitätsbedingungen, die die Konvexität der Einheitskugel verschärfen. Deren Ursprünge liegen in den 1930er Jahren, hier sind vor allem James A. Clarkson sowie Mark G. Krein und Naum I. Achijeser für grundlegende Begriffsbildungen zu nennen.
Daneben gibt es eine Reihe von Glattheitsbedingungen, die Differenzierbarkeitseigenschaften der Norm untersuchen. Über die Dualräume besteht eine enge Beziehung zwischen Konvexitätsbedingungen und Glattheitsbedingungen.
Konvexitätsbedingungen
  
Es sei  
ein normierter Raum. In Formeln bedeutet die Konvexität der Einheitskugel  
- Für je zwei Vektoren 
mit
und
gilt
.
 
Dies schließt nicht aus, dass in vielen Fällen Gleichheit auch für 
verschiedene Vektoren und für  
besteht, wie es zum Beispiel bei einem Quadrat als Einheitskugel vorliegt. Indem 
man das ausschließt oder noch stärkere Bedingungen stellt, kommt man zu den im 
Folgenden vorgestellten Raumklassen. Zur einfacheren Formulierung sei 
 
stets ein normierter Raum mit 
- Einheitskugel 
 - und Einheitssphäre 
.
 
Um Triviales auszuschließen, sei  
nicht der Nullraum 
 
sei der Dualraum mit der durch 
 
definierten Dualraumnorm. 
Strikt konvexe Räume
Will man die Gleichheit in der Konvexitätsformel weitestgehend ausschließen, also sicherstellen, dass die Einheitssphäre keine Strecken enthält, so führt dies zwanglos zu folgender Definition:
 
heißt strikt konvex, falls gilt: 
- Sind 
verschieden und ist
, so ist
.
 
Gleichmäßig konvexe Räume
Indem man kontrolliert, wie gut die Ungleichung in der Definition des strikt konvexen Raums erfüllt ist, kommt man zu folgendem Begriff:
 
heißt gleichmäßig konvex, falls gilt: 
- Für jedes 
ist
.
 
Lokal gleichmäßig konvexe Räume
Die Bedingung in der Definition der gleichmäßigen Konvexität gilt gleichmäßig 
für alle . 
Indem man einen Vektor fest hält und das Infimum nur noch über den 
anderen bildet, erhält man folgende lokale Version: 
 
heißt lokal gleichmäßig konvex, falls gilt: 
- Für jedes   
und jedes
ist
.
 
Schwach gleichmäßig konvexe Räume
In der Definition der gleichmäßigen Konvexität kann die Bedingung  
in der Menge, über die das infimum gebildet wird, zu 
 
abgeschwächt werden, wobei 
 
ist, also aus der Einheitssphäre des Dualraums stammt. 
 
heißt schwach gleichmäßig konvex, falls gilt 
- Für jedes   
und
ist
.
 
Lokal schwach gleichmäßig konvexe Räume
Die Bedingung in der Definition der schwach gleichmäßigen Konvexität lässt sich wieder zu einer lokalen Version abschwächen:
 
heißt lokal schwach gleichmäßig konvex, falls gilt: 
- Für jedes   
,
und
ist
.
 
Lokal gleichmäßig mittelpunktskonvexe Räume
Aus der gleichmäßigen Konvexität folgt, dass für zwei Folgen  
und 
 
in 
, 
für die die Norm der Folge der Mittelpunkte 
 
gegen 1 konvergiert, 
 
gelten muss. Diese Bedingung lässt sich durch die Forderung, dass die Folge der 
Mittelpunkte tatsächlich gegen ein Element der Einheitssphäre konvergieren muss, 
abschwächen: 
 
heißt lokal gleichmäßig mittelpunktskonvex, falls gilt: 
- Sind 
und
Folgen in
und konvergiert
, so gilt
.
 
In jeder Richtung gleichmäßig konvexe Räume
Eine weitere Verallgemeinerung ergibt sich, wenn man nur dann auf  
schließen kann, wenn die Differenzen 
 
alle dieselbe Richtung haben. 
 
heißt gleichmäßig konvex in Richtung 
, 
falls gilt: 
- Sind   
und
Folgen in
und konvergiert
und ist
für alle
, so gilt
.
 
 
heißt in jeder Richtung gleichmäßig konvex oder auch UCED-Raum, wenn 
 
für alle 
 
 gleichmäßig konvex in Richtung 
 
ist. 
Stark konvexe Räume
  
Um wie in der Verschärfung der Konvexität zur strikten Konvexität zu 
erreichen, dass die Einheitssphäre keine Strecken erhält, kann man Durchschnitte 
der Kugeln  
mit Radius 
 
mit einer konvexen Menge 
 
betrachten und fordern, dass der Durchmesser 
 
der nicht-leeren Durchschnitte mit fallendem Radius gegen 0 geht. 
 
heißt stark konvex, falls gilt: 
- Für jede konvexe Menge 
gilt
für
.
 
Schwach* gleichmäßig konvexe Räume
Obige Abschwächung der gleichmäßigen Konvexität unter Benutzung der schwachen Topologie kann auf dem Dualraum mit der schwach-*-Topologie formuliert werden:
Der Dualraum  
heißt schwach* gleichmäßig konvex, falls gilt: 
- Für jedes   
und
ist
.
 
Übersicht
  
Dieses Diagramm gibt eine Übersicht über die Zusammenhänge zwischen den Raumklassen, wobei die Klasse der Innenprodukt-Räume die speziellste ist. Ein Pfeil von einer Klasse in die andere bedeutet, dass jeder normierte Raum der ersten Klasse auch der zweiten angehört. Die Reflexivität eines normierten Raums bedeutet, dass die Vervollständigung ein reflexiver Raum ist. Man beachte, dass mit Ausnahme der Reflexivität und natürlich der untersten Eigenschaft, ein normierter Raum zu sein, jede der Eigenschaften beim Übergang zu einer äquivalenten Norm verloren gehen kann. Folgende Standard-Abkürzungen, die zum Teil auf die entsprechenden englischen Bezeichnungen zurückgehen, wurden verwendet:
- UR: gleichmäßig konvex (uniformly rotund)
 - LUR: lokal gleichmäßig konvex (locally uniformly rotund)
 - wUR: schwach gleichmäßig konvex (weakly uniformly rotund)
 - MLUR: lokal gleichmäßig mittelpunktskonvex (midpoint locally uniformly rotund)
 - UCED: in jede Richtung gleichmäßig konvex (uniformly convex in each direction)
 - wLUR: schwach lokal gleichmäßig konvex (weakly locally uniformly rotund)
 - H: Radon-Riesz-Eigenschaft (keine englische Abkürzung)
 
Dualräume
Viele der hier vorgestellten Konvexitätsbedingungen entsprechen Glattheitsbedingungen auf dem Dualraum. Die hier geltenden Beziehungen sind im Artikel zu den Glattheitsbedingungen zusammengestellt.
Konvexitätsmodul
Für einen normierten Raum  
heißt die Abbildung 
 
der Konvexitätsmodul. Dieser ist eine monoton wachsende Funktion, die 
in 0 den Wert 0 hat, sogar die Abbildung  
ist monoton wachsend. 
Damit können zwei Räume bezüglich ihrer Konvexitätseigenschaften verglichen 
werden; man kann einen Raum 
 
konvexer als einen Raum 
 
nennen, wenn 
 
für alle 
. 
Ein normierter Raum  
ist genau dann gleichmäßig konvex, wenn 
 
für alle 
. 
Für den Folgenraum  
der Nullfolgen mit der Supremumsnorm 
gilt offenbar 
für alle
,
denn für  
und jedes 
 
ist 
und daher
.
Für einen Hilbertraum 
 
folgt unter Verwendung der Parallelogrammgleichung 
für alle
und es gilt
für alle gleichmäßig konvexen Räume
. In diesem Sinne sind die Hilberträume die "konvexesten" Räume.


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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 15.04. 2021