Camera obscura

Funktionsweise einer Camera obscura
Diese Bauform der Camera obscura wurde im 18. Jahrhundert als Skizzierinstrument genutzt. Mit einem Blatt Papier auf der Glasscheibe konnte das betrachtete Objekt direkt kopiert werden.

Eine Camera obscura (lat. camera „Kammer“; obscura „dunkel“) ist ein dunkler Raum mit einem Loch in der Wand, die als Metapher für die menschliche Wahrnehmung und für die Herstellung von Bildern verwendet wird. Hat der dunkle Raum die Größe einer Schachtel, spricht man auch von einer Lochkamera.

Während die technischen Prinzipien der Lochkamera bereits in der Antike bekannt waren, wurde die Nutzung des technischen Konzepts zur Herstellung von Bildern mit einer linearen Perspektive in Gemälden, Zeichnungen, Karten, architektonischen Umsetzungen und später auch Fotografien erst in der Renaissance der europäischen Kunst und der wissenschaftlichen Revolution der Neuzeit angewendet. Unter anderem Leonardo da Vinci nutzte die Camera obscura als Ebenbild des Auges, René Descartes für das Zusammenspiel von Auge und Bewusstsein und John Locke begann das Prinzip als als Metapher des menschlichen Bewusstseins an sich zu benutzen.

Aufbau

Eine Camera obscura besteht aus einem lichtdichten Kasten oder Raum, in den durch ein schmales Loch das Licht einer beleuchteten Szene auf die gegenüberliegende Rückwand trifft. Auf der Rückwand entsteht dabei ein auf dem Kopf stehendes und seitenverkehrtes Bild dieser Szene. Das Bild ist lichtschwach und nur bei ausreichender Abdunklung gut zu sehen. Bei transparenter Rückwand kann man das Bild auch von außen betrachten, wenn man für ausreichende Abdunklung sorgt, indem man beispielsweise ein lichtundurchlässiges Tuch verwendet, das die Rückseite der Rückwand und den Kopf des Betrachters bedeckt.

Funktionsweise

Fällt Licht durch eine Sammellinse oder ein kleines Loch in einen ansonsten lichtdichten Hohlkörper, so wird in ihm ein spiegelverkehrtes und auf dem Kopf stehendes Bild, eine Projektion des Außenraumes erzeugt. Die Schemazeichnung rechts zeigt exemplarisch zwei Strahlenbündel, die von zwei Punkten eines Gegenstands in das Loch eintreten. Der kleine Durchmesser der Blende beschränkt die Bündel auf einen kleinen Öffnungswinkel und verhindert die vollständige Überlappung der Lichtstrahlen. Strahlen vom oberen Bereich eines Gegenstands fallen auf den unteren Rand der Projektionsfläche, Strahlen vom unteren Bereich werden nach oben weitergeleitet. Jeder Punkt des Gegenstands wird als Scheibchen auf der Projektionsfläche abgebildet. Die Überlagerung der Scheibchenbilder erzeugt ein verzeichnungsfreies Bild. Mathematisch ausgedrückt ist das Bild das Ergebnis einer Faltung aus idealer Abbildung des Gegenstands mit der Blendenfläche.

Abbildungsgeometrie einer Sammellinse

Bezeichnet G die Gegenstandshöhe ( = tatsächliche Größe des betrachteten Gegenstandes), g die Gegenstandsweite (= Abstand des Gegenstandes von der Linse), b die Bildweite (= Abstand von der Lochscheibe zur Mattscheibe) und B die Bildhöhe (= Höhe des erzeugten Bildes auf der Mattscheibe), so gilt:

(1) 
\frac{B}{G} = \frac{b}{g}

Gleichung (1) ist aus der geometrischen Optik auch als 1. Linsengleichung bekannt. Zur mathematischen Herleitung wird auf den Strahlensatz in der Geometrie verwiesen. Die Bildgröße hängt also nur von den Abständen ab, nicht jedoch von der Blendengröße bzw. Lochgröße.

Geschichte

Camera obscura

Das Prinzip erkannte bereits Aristoteles (384–322 v. Chr.) im 4. Jahrhundert v. Chr. In der apokryphen Schrift Problemata physica wurde zum ersten Mal die Erzeugung eines auf dem Kopf stehenden Bildes beschrieben, wenn das Licht durch ein kleines Loch in einen dunklen Raum fällt.[5]

Erste Versuche mit einer Lochkamera hat der Araber Alhazen bereits um 980 angestellt. Er hatte bereits den optischen Effekt und eine modern anmutende Theorie der Lichtbrechung entwickelt, war aber nicht an der Produktion von Bildern von Individuen interessiert. Er lebte zudem in einer Gesellschaft, die (vgl. Bilderverbot im Islam) der Bilderproduktion feindlich gegenübergestellt war.[6] Europäische Künstler und Philosophen begannen, die technischen Erkenntnisse Alhazens in neuen Rahmenwerken mit deutlich erweiterter epistemischer Relevanz zu nutzen.[7]

Vom Ende des 13. Jahrhunderts an wurde die Camera obscura von Astronomen zur Beobachtung von Sonnenflecken und Sonnenfinsternissen benutzt, um nicht mit bloßem Auge in das helle Licht der Sonne blicken zu müssen. Roger Bacon (1214–1292 oder 1294) baute für Sonnenbeobachtungen die ersten Apparate in Form einer Camera obscura.

Ähnliche Versuche hat wahrscheinlich Filippo Brunelleschi (1377–1446) bei seiner Anwendung der Zentralperspektive angestellt.[8]

Leonardo da Vinci (1452–1519) untersuchte den Strahlengang und stellte fest, dass dieses Prinzip in der Natur beim Auge wieder zu finden ist.

Nachdem es im Mittelalter gelang, Linsen zu schleifen, ersetzte man das kleine Loch durch eine größere Linse. Diese verbesserte Kamera beschrieb 1569 der Venezianer Daniele Barbaro in seinem Werk La pratica della perspettiva [9] und Giambattista della Porta (1563–1615) in seiner Magia Naturalist. Ein solches Gerät scheint auch Johannes Kepler (1571–1630) bekannt gewesen zu sein.

Im Jahre 1686 konstruierte Johann Zahn eine transportable Camera obscura. Ein Spiegel, der im Winkel von 45 Grad zur Linse im Inneren der Kamera angebracht war, projizierte das Bild nach oben auf eine Mattscheibe, wo es bequem abgezeichnet werden konnte. Deshalb wurde die Camera Obscura von Malern vor der Fotografie gern als Zeichenhilfe genutzt. Man konnte in ihr die Landschaft auf Papier abmalen und dabei alle Proportionen richtig wiedergeben. Bekanntestes Beispiel ist der Maler Canaletto mit seinen berühmten Gemälden von Dresden und Warschau.

Vermutlich nutzte bereits der Maler Jan Vermeer aufwendige optische Hilfsmittel einschließlich einer Camera Obscura, was den Detailreichtum seiner Werke erklären würde. Der Ausschnitt rechts aus seinem Landschaftsgemälde Ansicht von Delft zeigt entfernte Hausdächer. Deren komplizierte Geometrie konnte der Maler unmöglich dadurch erfassen, dass er näher an die Gebäude herantrat. Wäre er ausschließlich seiner Intuition gefolgt, hätte er wahrscheinlich einen anschaulicheren Bildaufbau gewählt. Bereits die 1929 erschienene Encyclopedia Britannica[3] enthielt einen großen Artikel über die Camera obscura und zitierte Leon Battista Alberti als ersten schriftlich nachgewiesenen Nutzer 1437.[3] Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Camera lucida immer beliebter und löste die Camera obscura als Zeichenhilfe weitgehend ab.

Camera Obscura auf dem Berg Oybin bei Zittau

1826 gelang es Joseph Nicéphore Nièpce mit einer Camera obscura im Heliografie-Verfahren die erste bekannte und bis heute erhaltene Fotografie La cour du domaine du Gras zu erzeugen.

2001 kam es in den USA anhand der sogenannten Hockney-Falcon These zu einer wissenschaftlichen Kontroverse um die Camera Obscura und die Nutzung technologischer Mittel in der Renaissance und dem späten Mittelalter.[3] Der Maler David Hockney und der Physiker Charles M. Falco behaupteten dabei, sie hätten die Nutzung von technologisch aufwändigen optischen Werkzeugen wie der Camera Obscura bei den Alten Meistern nachgewiesen und stießen auf Widerstand bei Kunsthistorikern wie Physikern, die dies aus verschiedenen Gründen für unmöglich hielten. Der Hype um die These ignorierte die bereits im 19. Jahrhundert verfestigte These von einer weitverbreiteten Nutzung der entsprechenden Hilfsmittel und die zugehörige alte wissenschaftliche Literatur.

Lochkamera

Der Begriff ist deutlich spezieller und jünger als der synonym gebrauchte Begriff camera obscura, mit der sowohl das grundlegende technische Konzept, großdimensionierte und etwa mit Linsen erweiterte komplexere Ausführungen wie metaphorische Verwendungen bezeichnet werden

Lochkameras in der Technik

Im Bereich von Röntgenstrahlung, Gammastrahlung sowie von Partikelstrahlung stellen Lochblenden eine (manchmal die einzige) Möglichkeit dar, um Abbildungen zu erzeugen, da sich für diese keine klassischen Linsen herstellen lassen. Für Röntgenstrahlung gibt es noch die Möglichkeit Spiegeloptiken oder Beugungsgitter zu verwenden, für geladene (monochromatische) Partikel können Elektronenoptiken verwendet werden. Eine weitere Möglichkeit besteht durch Beleuchtung mit einer punktförmigen Strahlungsquelle (Pinhole auf der Beleuchtungsseite!) oder bei hochenergetischen Teilchen durch Detektion und Auswertung von Trajektorien.

Nachteilig für Lochkameras ist deren geringe Lichtstärke. Für medizinische Röntgenaufnahmen wären sie z.B. völlig ungeeignet.

In der Astronomie werden häufig sogenannte kodierende Blenden verwendet. Die Lichtstärke gegenüber einem Einzelloch wird erhöht, das Auflösungsvermögen nach einer Entfaltung ist höher als das eines Einzellochs. Radioteleskop-Arrays nutzen auch dieses Prinzip.

Trenner
Basierend auf Artikeln:
externer Link Wikipedia.de Camera obscura
externer Link Wikipedia.de Lochkamera
 
Seitenende
Seite zurück
©  biancahoegel.de;
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 05.11. 2019