Affine Ebene

Eine affine Ebene ist in der synthetischen Geometrie eine Punkte und Geraden umfassende Inzidenzstruktur, die im Wesentlichen durch zwei Forderungen charakterisiert ist, nämlich dass je zwei Punkte eine (eindeutige) Verbindungsgerade besitzen und dass es eindeutige parallele Geraden gibt. In der linearen Algebra und der analytischen Geometrie wird ein zwei-dimensionaler affiner Raum als affine Ebene bezeichnet. Der im vorliegenden Artikel beschriebene Begriff der synthetischen Geometrie verallgemeinert diesen bekannteren Begriff aus der linearen Algebra.

Eine affine Ebene, die nur endlich viele Punkte enthält, wird als endliche affine Ebene bezeichnet und als solche auch in der endlichen Geometrie untersucht. Besonders für diese Ebenen ist der Begriff Ordnung der Ebene wichtig: Sie ist definiert als die Anzahl der Punkte auf einer und damit jeder Geraden der Ebene.

Jede affine Ebene lässt sich durch Einführung uneigentlicher Punkte und einer aus diesen bestehenden uneigentlichen Geraden zu einer projektiven Ebene erweitern. Umgekehrt entsteht aus einer projektiven Ebene durch Entfernung einer Geraden mit ihren Punkten eine affine Ebene. → Siehe auch projektives Koordinatensystem.

Jede affine Ebene kann durch die Zuordnung eines Koordinatenbereichs K koordinatisiert und durch zusätzliche Verknüpfungen, die sich aus den geometrischen Eigenschaften der Ebene in diesem Koordinatenbereich ergeben, algebraisiert werden. Eine affine Ebene im Sinne der linearen Algebra, also ein affiner Raum, dessen Vektorraum der Parallelverschiebungen ein zwei-dimensionaler Vektorraum über einem Körper ist, ergibt sich genau dann, wenn der Koordinatenbereich durch die geometrische Struktur isomorph zu ebendiesem Körper wird. Diese Beschreibung der affinen Ebene mit Hilfe eines Koordinatenbereichs, bei dem der algebraische Begriff Körper verallgemeinert wird, und ein Überblick über die Strukturen, die sich bei Gültigkeit wichtiger Schließungssätze ergeben, findet sich im Hauptartikel Ternärkörper.

Andererseits kann man die Gruppe der Parallelverschiebungen in einer affinen Ebene untersuchen, was zu einer anderen Algebraisierung führt, bei der der Begriff Parallelverschiebung, der in der linearen Algebra durch einen Vektor beschrieben werden kann, zum Begriff der Translation führt. Dieser Zugang, der den koordinatenbezogenen Zugang ergänzt, wird im Hauptartikel Affine Translationsebene beschrieben.

Definitionen

Eine Inzidenzstruktur \langle {\mathcal  P},{\mathcal  G},{\mathbf  I}\rangle , die aus einem Punktraum \mathcal P, einem Geradenraum \mathcal{G} und einer Inzidenzrelation \mathbf {I} zwischen diesen besteht, ist genau dann eine affine Ebene, wenn die folgenden Axiome gelten:

  1. Zwei verschiedene Punkte aus \mathcal P liegen auf genau einer Geraden aus \mathcal{G}.
  2. Es gilt das Parallelenpostulat, das heißt, es gibt zu jeder Geraden g\in {\mathcal  {G}} und zu jedem Punkt A\in {\mathcal  P}, der nicht auf g liegt, genau eine weitere Gerade h\in {\mathcal  {G}}, die A enthält und keinen Punkt von g enthält.
  3. Es gibt drei verschiedene Punkte aus \mathcal P (ein „Dreieck“), die nicht alle auf einer Geraden aus \mathcal{G} liegen.

Formalisiert lassen sich die drei Axiome notieren als:

  1. \forall A,B\in {\mathcal  P}\left(A\neq B\Rightarrow \exists !g\in {\mathcal  {G}}:\;A{\mathbf  I}g\land B{\mathbf  I}g\right),
  2. \forall g\in {\mathcal  G},A\in {\mathcal  P}\left({\neg }(A{\mathbf  I}g)\Rightarrow \exists !h\in {\mathcal  {G}}:\;{\neg }\exists B\in {\mathcal  P}\quad \left(B{\mathbf  I}g\land B{\mathbf  I}h\right)\right)
  3. \exists A,B,C\in {\mathcal  P}:\neg \exists g\in {\mathcal  G}:\left(A{\mathbf  I}g\land B{\mathbf  I}g\land C{\mathbf  I}g\right).

Parallelität

Die Relation g\parallel h (Parallelität) zwischen Geraden g,h\in {{\mathcal  G}} wird definiert durch:

g\parallel h genau dann, wenn g=h oder wenn g und  h keinen Schnittpunkt gemeinsam haben.

Die nach dem 2. Axiom eindeutig bestimmte Gerade h die durch einen bestimmten Punkt A\in {\mathcal  {P}} geht, wird als die Parallele zu g durch A bezeichnet und als h=\left[A;\parallel g\right] notiert.

Diese Relation ist eine Äquivalenzrelation. Die Äquivalenzklasse der zu einer Geraden g parallelen Geraden wird als Parallelenschar und auch als die Richtung von g bezeichnet.

Sprechweisen

Der herkömmliche Standpunkt, bei dem die Punktemenge \mathcal P und die Geradenmenge {\mathcal  G} als zunächst unabhängige Mengen aufgefasst wurden, wird auch in der aktuelleren mathematischen Literatur noch öfter zugrundegelegt. In diesem Zusammenhang wird dann die Menge der Punkte, die auf einer Geraden g liegen, als Punktmenge der Geraden bezeichnet und häufig als g^{{\circ }}=\lbrace A\in {\mathcal  P}|A{\mathbf  I}g\rbrace notiert.

Da eine Gerade aber durch die Inzidenzrelation \mathbf {I} vollständig bestimmt ist, wird sie auch oft mit dieser Punktmenge identifiziert, womit die Relation \mathbf {I} überflüssig ist. Die Axiome werden dann als Eigenschaften der Geradenmenge {\mathcal  G}, die eine Teilmenge der Potenzmenge der Punktmenge \mathcal P ist, beschrieben, die Rolle der Inzidenzrelation übernimmt dann die Elementrelation: (A{\mathbf  I}g genau dann, wenn A\in g^{\circ }=g ist).

Ordnung der affinen Ebene

Die Ordnung einer affinen Ebene wird definiert als die Mächtigkeit der Punktmenge auf einer Geraden g. Der Begriff ist unabhängig von der Geraden g, weil alle Geraden einer affinen Ebene (als Punktmengen) gleichmächtig sind, da zwei verschiedene Geraden immer durch eine bijektive Parallelprojektion aufeinander abgebildet werden können. Es gilt:

  1. Eine affine Ebene ist genau dann endlich, das heißt, sie enthält nur endlich viele Punkte, wenn ihre Ordnung endlich ist.
  2. Ist in diesem Fall q die Ordnung der Ebene, dann enthält sie q^2 Punkte, q\cdot (q+1) Geraden, q+1 Parallelenscharen und jede Parallelenschar enthält q Geraden.
  3. Enthält die affine Ebene unendlich viele Punkte, dann ist sie als Punktmenge zur Punktmenge jeder ihrer Geraden und zu jeder ihrer Parallelenscharen gleichmächtig. Die Anzahl ihrer Geraden und ihrer Parallelenscharen hat ebenfalls die Mächtigkeit der Ebene. → Siehe Cantors erstes Diagonalargument.
projektive Ebenen

Jeder affinen Ebene lässt sich durch projektives Abschließen, das heißt durch Hinzufügen einer „uneigentlichen Geraden“ samt deren Punkten (als Fernelemente der affinen Ebene), eine bis auf Isomorphie eindeutige projektive Ebene zuordnen. Jede projektive Ebene kann so erzeugt werden. Man überträgt den Begriff der Ordnung auf den projektiven Abschluss: Die projektive Ebene hat die Ordnung einer beliebigen affinen Ebene, als deren projektiver Abschluss sie konstruiert werden kann. Diese affinen Ebenen müssen nicht isomorph sein, aber sie haben stets dieselbe Ordnung. Ist diese Ordnung gleich der endlichen Zahl q\geq 2, dann hat die projektive Ebene q^{2}+q+1 Punkte und ebensoviele Geraden, auf jeder Geraden liegen genau q+1 Punkte und durch jeden Punkt gehen genau q+1 Geraden.

Endliche Ebenen und offene Fragen

→ In der Regel konzentriert sich die Untersuchung endlicher Ebenen auf deren projektiven Abschluss, die endlichen projektiven Ebenen. Einen Überblick über die Zusammenhänge zwischen affinen Ebenen und deren projektivem Abschluss gibt der Artikel Ternärkörper. Beispiele für und Strukturaussagen über nichtdesarguessche projektive Ebenen finden sich im Artikel Klassifikation projektiver Ebenen.

Beispiele

kleinstes Modell einer affinen Ebene

Von besonderem Interesse haben sich die nichtdesarguesschen Ebenen erwiesen, in denen der Satz von Desargues nicht gilt. In ihnen hat man Koordinaten aus Ternärkörpern eingeführt, speziell aus Quasikörpern (auch Veblen-Wedderburn-Systeme genannt, mit nichtassoziativer Multiplikation) bzw. Fastkörpern (in denen von den beiden Distributivgesetzen nur eins gilt).

Dieser sagt folgendes aus: Lässt n bei Division durch 4 den Rest 1 oder 2 und ist n Ordnung einer affinen Ebene, so ist n Summe zweier Quadrate natürlicher Zahlen. Beispiele: 6 ist nicht Ordnung einer affinen Ebene. 10 ist nach dem Satz nicht ausgeschlossen.

Mit großem Computereinsatz wurde jedoch die Nichtexistenz einer affinen Ebene der Ordnung 10 gezeigt. Ungelöst ist die Existenzfrage z. B. für die Ordnungen 12, 15, 18, 20, 26, 34, 45,..., und ausgeschlossen ist die Existenz für n = 14, 21, 22, 30, 33, 38, 42, 46,....

AG(2,2).png AG(2,2)-PG(2,2).jpg
kleinstes Modell einer affinen Ebene (AG(2,2)) AG(2,2) wird zu PG(2,2), der projektiven Fano-Ebene, durch Hinzunahme einer Geraden {5,6,7} erweitert

Verallgemeinerungen

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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 26.10. 2019