Logistische Funktion

Die logistische Funktion charakterisiert eine stetige eindimensionale Wahrscheinlichkeitsverteilung (die logistische Verteilung) und ist eine funktionelle Darstellung von Sättigungsprozessen aus der Klasse der sogenannten Sigmoidfunktionen mit unbegrenzter zeitlicher Ausdehnung.
Der Graph der Funktion beschreibt eine S-förmige Kurve, ein Sigmoid. Heute ist der Name logistische Kurve eindeutig der S-Funktion zugeordnet, wohingegen noch bis ins 20. Jahrhundert gelegentlich auch der Logarithmus mit dem italienischen Namen der logistischen Kurve (curva logistica) belegt wurde.
Die Funktion wird manchmal auch mit Expit bezeichnet, da die Umkehrfunktion der logistischen Funktion die Logit-Funktion ist.
Beschreibung
Die logistische Funktion, wie sie sich aus der diskreten logistischen Gleichung ergibt, beschreibt den Zusammenhang zwischen der verstreichenden Zeit und einem Wachstum. Hierzu wird das Modell des exponentiellen Wachstums modifiziert durch eine sich mit dem Wachstum verbrauchende Ressource, die eine obere Schranke darstellt.
Zur Anfangszeit ist der Funktionswert nicht 0, sondern es gilt
.
Es gilt:
- Die obere Schranke
bildet eine Grenze für den Funktionswert
.
- Das Wachstum
ist proportional zu:
- dem aktuellen Bestand
,
- der noch vorhandenen Kapazität
- und einer Wachstumskonstanten
.
- dem aktuellen Bestand
Diese Entwicklung wird daher durch eine Bernoullische Differentialgleichung der Form
mit einer Proportionalitätskonstanten beschrieben.
Das Lösen dieser Differentialgleichung ergibt:

Am Anfang ist das Wachstum klein, da die Population und somit die Zahl der sich vermehrenden Individuen gering ist. In der Mitte der Entwicklung (genauer: im Wendepunkt) wächst die Population am stärksten, bis sie durch die sich erschöpfenden Ressourcen gebremst wird. Die erste Ableitung der logistischen Funktion ist vom Typ einer Glockenkurve, d. h. am Wendepunkt hat das Wachstum das Maximum (= höchste Steigung von f) und gegen unendlich (-∞; +∞) strebt der Wert gegen Null, was ähnlich einer Gaußschen Normalverteilung aussieht, aber sich im Detail unterscheidet, vgl. auch mit Logit und Probit-Transformation.
Die beiden stationären Lösungen der Differentialgleichung sind
und
.
Anwendungen

Die logistische Gleichung beschreibt einen sehr häufig auftretenden Zusammenhang, wie der Beschreibung einer Population von Lebewesen, beispielsweise einer idealen Bakterienpopulation, die auf einem Bakteriennährboden begrenzter Größe wächst. Ein weiteres Beispiel ist (annähernd) die Verbreitung einer Infektionskrankheit mit anschließender permanenter Immunität, bei der mit der Zeit eine abnehmende Anzahl für die Infektionskrankheit anfällige Individuen übrig bleiben.
Die Funktion findet weit über den Modellen aus der Biologie hinaus Anwendung. Auch der Lebenszyklus eines Produktes im Markt kann mit der logistischen Funktion nachgebildet werden. Weitere Anwendungsbereiche sind Wachstums- und Zerfallsprozesse in der Sprache.
Lösung der Differentialgleichung
Sei .
ist stetig. Es gilt, die Differentialgleichung
zu lösen.
Die Differentialgleichung lässt sich mit dem Verfahren „Trennung der Variablen“ lösen. Es gilt
für alle
, also ist die Abbildung
auf den reellen Zahlen wohldefiniert.
Nach der Trennung der Variablen ist die Lösung
der obigen Differentialgleichung also identisch mit der Lösung der Differentialgleichung
Durch Partialbruchzerlegung ergibt sich
Nach dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung ist das obige Integral
wobei
Es gilt also, die Funktionsgleichung
zu lösen, solange die
zwischen
und
liegen, was wegen der Voraussetzung
angenommen werden kann. Dabei ist
der natürliche Logarithmus. Die Anwendung der Exponentialfunktion auf beiden Seiten führt zu
und anschließende Kehrwertbildung zu
Wir bringen nun die
auf die linke Seite, bilden dann erneut den Kehrwert, und erhalten schließlich
und daraus
Setzen wir die Definition von
in die gefundene Lösung (**) ein, so kommen wir zur oben behaupteten Lösung der logistischen Differentialgleichung:
An dieser Funktionsgleichung liest man leicht ab, dass die Werte immer zwischen
und
liegen, weshalb die Lösung für alle
gilt. Das kann man im Nachhinein natürlich auch durch Einsetzen in die Differentialgleichung bestätigen.
Berechnung des Wendepunkts
Zur Bestimmung des Wendepunktes der Lösungsfunktion
bestimmen wir zunächst mittels Produktregel die Ableitungen
und bestimmen die Nullstelle der zweiten Ableitung:
Damit kennen wir den Funktionswert im Wendepunkt und stellen fest, dass die Population im Wendepunkt gerade die halbe Sättigungsgrenze überschreitet. Zur Bestimmung von
verwenden wir für
die Lösungsformel und rechnen wie folgt:
Für
folgt mit
weiter:
Damit ist der Wendepunkt vollständig bestimmt und es gibt nur diesen einen. Durch Einsetzen von
in die erste Ableitung erhält man die maximale Wachstumsgeschwindigkeit:
Weitere Darstellungen
Aus
folgt:
oder auch:
,
wobei die oben berechnete Wendestelle ist:
Umrechnung von stetigem exponentiellem in logistisches Wachstum
Oft werden Prognosen auf Basis von stetigem exponentiellem Wachstum angegeben (Wirtschaftswachstum, Infektionszahlen, Vermehrung). Diese Prognosen erweisen sich stets als unzutreffend, sobald der betrachtete
Prozess in die Phase der Sättigung kommt. Spätestens dann ist es günstiger, das Modell „exponentielles Wachstum“ der Form
durch das Modell „logistisches Wachstum“ zu ersetzen. Die Wachstumsfaktoren
der logistischen Funktion und
der e-Funktion unterscheiden sich hier beträchtlich.
In allen Fällen werden zwei Punkte innerhalb der (vermeintlichen) exponentiellen Wachstumsphase benötigt. Hier wird davon ausgegangen, dass der erste Punkt bei
liegt.
Da der zweite Punkt
in der exponentiellen Wachstumsphase liegt, gilt:
.
Damit gilt aus den ug. Formeln für
und
näherungsweise:
.
1. Fall: Verdopplung innerhalb des exponentiellen Wachstums
Liegt die Verdopplung des Anfangsbestandes in der Phase des exponentiellen Wachstums, vereinfacht das die Rechnung erheblich. Hier wird der wahre Anfangsbestand
normiert:
;
ebenso wird die Zeitachse auf den Verdopplungszeitraum
normiert:
.
Es ergibt sich eine Wachstumsfunktion mit
:
Als Nächstes wird eine Obergrenze
als Vielfaches des Anfangsbestandes
festgelegt und der Verdopplungspunkt eingesetzt:
Beispiel Obergrenze
:
2. Fall: Verdopplung außerhalb des exponentiellen Wachstums
Nur unwesentlich schwieriger wird der Fall, wenn die Verdopplungszeit schon außerhalb des exponentiellen Wachstums liegt; beispielsweise kann
sein. Damit ist der zweite Referenzpunkt
nicht mehr
:
- Zahlenbeispiel (extra krumme Zahlen):
Ein Kunde der FNORD-Bank legt einen Betrag von
[ÖGE] (örtliche Geld-Einheiten) an. Er bekommt einen Kontoauszug, der nach
[NERD]-Zeiteinheiten einen Bestand von
[ÖGE] ausweist.
- a) wie hoch ist der Faktor
bei stetiger Verzinsung?
- b) aus ethischen Gründen setzt die FNORD-Bank eine Obergrenze von
[ÖGE] je Konto und setzt die Verzinsung logistisch. Wie hoch ist jetzt der Faktor
der logistischen Funktion?
- Lösung:
Der Kontostand zum Zeitpunkt T beträgt
- a)
- b)
Die Obergrenze beträgt
Siehe auch
Literatur
- Nicholas F. Britton: Essential Mathematical Biology. 3. printing. Springer, London u. a. 2005, ISBN 1-85233-536-X, (Springer undergraduate mathematics series).
- Norman R. Draper, Harry Smith: Applied Regression Analysis. 3rd Edition. Wiley-Interscience, New York NY u. a. 1998, ISBN 0-471-17082-8, (Wiley Series in Probability and Statistics. Texts and References Section).
- Volker Oppitz, Volker Nollau: Taschenbuch Wirtschaftlichkeitsrechnung. Quantitative Methoden der ökonomischen Analyse. Carl Hanser Verlag, München u. a. 2004, ISBN 3-446-22463-7.
- Volker Oppitz: Gabler-Lexikon Wirtschaftlichkeitsrechnung. Mit Anwendersoftware für Praxis und Studium. Gabler-Verlag Wiesbaden 1995, ISBN 3-409-19951-9.
- Peter Schönfeld: Methoden der Ökonometrie. 2 Bände. Vahlen, Berlin u. a. 1969–1971.



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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 28.06. 2025