Analytische Menge
Analytische Mengen werden in den mathematischen Teilgebieten der Maßtheorie und der deskriptiven Mengenlehre betrachtet, es handelt sich um spezielle Teilmengen polnischer Räume. Sie sind allgemeiner als Borelmengen, haben aber noch gewisse Messbarkeitseigenschaften.
Definition
Eine Teilmenge  
eines polnischen Raums 
 
heißt analytisch, falls es einen polnischen Raum 
 
und eine stetige Abbildung 
 
gibt mit 
. 
Kurz: Analytische Mengen sind stetige Bilder polnischer Räume.
Auch die leere Menge soll analytisch sein. Daher muss man entweder die leere Menge als polnischen Raum zulassen oder die leere Menge explizit hinzunehmen.
Eigenschaften
- Abzählbare Vereinigungen und abzählbare Durchschnitte analytischer Mengen sind wieder analytisch.
- Komplemente analytischer Mengen sind im Allgemeinen nicht wieder analytisch.
- In einem polnischen Raum ist jede Borelmenge analytisch, die Umkehrung gilt im Allgemeinen nicht.
- Analytische Mengen haben die Baire-Eigenschaft.
- Jede analytische Menge ist Lebesgue-messbar.
Projektionen von Borelmengen
Analytische Mengen lassen sich wie folgt als Projektionen von Borelmengen 
charakterisieren. Für zwei Mengen  
und 
 
sei 
 
die Projektion auf die zweite Komponente. Für eine Teilmenge 
 
eines polnischen Raums sind dann folgende Aussagen äquivalent:
- ist analytisch. 
- Es gibt einen polnischen Raum und eine abgeschlossene Menge mit . 
- Es gibt einen polnischen Raum und eine Borel-Menge mit . 
Zum Beweis genügt es den Fall zu betrachten, dass  
nicht leer ist. Ist 
 
analytisch, so ist definitionsgemäß 
 
für eine stetige Funktion 
 
auf einem polnischen Raum 
. 
Dann ist der Graph 
 
abgeschlossen und 
, 
womit der Schluss von 1. nach 2. gezeigt wäre. Da abgeschlossene Mengen 
Borelmengen sind, folgt 3. aus 2. Liegt schließlich 3. vor, so gibt es einen 
polnischen Raum 
 
und eine stetige Abbildung 
 
mit 
, 
denn Borelmengen sind analytisch. Dann ist 
 
stetiges Bild eines polnischen Raums und daher analytisch.
Trennungssatz für analytische Mengen
Der folgende Trennungssatz für analytische Mengen geht auf N. N. Lusin zurück:
- Es seien ein polnischer Raum und zwei disjunkte analytische Mengen. Dann gibt es zwei disjunkte Borelmengen mit und . 
Folgerung: Eine analytische Menge  
ist genau dann eine Borelmenge, wenn auch das Komplement 
 
analytisch ist.
Zum Beweis der Folgerung sei zunächst  
Borelmenge. Dann ist auch 
 
Borelmenge und daher analytisch. Ist umgekehrt 
 
analytisch, so wende obigen Trennungssatz auf 
 
und 
 
an. Wegen der Disjunktheit muss dann 
 
sein, das heißt 
 
ist eine Borelmenge.
Der Baire-Raum
Ein spezieller polnischer Raum ist der Baire-Raum 
 
mit der Produkttopologie. 
 
ist der Raum aller Folgen 
 
natürlicher Zahlen, die Topologie wird zum Beispiel von der durch 
 
definierten vollständigen Metrik erzeugt, wobei 
 
der kleinste Index ist, an dem sich die beiden Folgen unterscheiden. Man kann 
zeigen, dass jeder (nicht-leere) polnische Raum ein stetiges Bild von 
 
ist. Aus der Definition der analytischen Menge ergibt sich daher 
unmittelbar:
- Eine nicht-leere Teilmenge eines polnischen Raums ist genau dann analytisch, wenn eine stetige Abbildung mit gibt. 
Mittels des Raumes  
kann man alle analytischen Mengen eines polnischen Raums als Projektion einer 
festen analytischen Menge erhalten. Es gilt folgender Satz:
- Sei ein polnischer Raum. Dann gibt es eine analytische Teilmenge so dass 
genau die analytischen Mengen von  
durchläuft.
Wendet man diesen Satz auf  
an, so kann man zeigen, dass 
 
eine analytische Menge in 
 
ist, die keine Borelmenge ist.
Im Falle des Baire-Raums lässt sich jede analytische Menge bereits als 
Projektion einer abgeschlossenen Menge im  
darstellen, im Falle der reellen Zahlen und des Cantor-Raums 
reichen Projektionen abzählbarer Schnitte offener Mengen im 
 
bzw. 
.
Universelle Messbarkeit
Eine Teilmenge  
eines Messraums 
 
heißt universell messbar, wenn es zu jedem endlichen Maß 
 
auf 
 
Mengen 
 
gibt mit 
 
und 
. 
Jede Menge aus 
 
ist universell messbar, denn in diesem Fall kann man 
 
wählen. Offenbar bildet die Menge aller universell messbaren Mengen eine σ-Algebra, die nach dem 
gerade Gesagten die σ-Algebra 
 
umfasst.
Polnische Räume sind in natürlicher Weise Messräume, indem man sie mit der σ-Algebra der Borelmengen versieht, und bezüglich dieses Messraums ist universelle Messbarkeit in polnischen Räumen zu verstehen. Dann gilt:
- Jede analytische Menge eines polnischen Raums ist universell messbar.
Insbesondere ist also jede analytische Menge Lebesgue-messbar. Da es analytische Mengen gibt, die keine Borelmengen sind, ist die σ-Algebra der universell messbaren Mengen im Allgemeinen echt größer als die σ-Algebra der Borelmengen.
Schnitte
Ist  
eine surjektive Abbildung, so nennt man eine Abbildung 
 
einen Schnitt von 
, 
falls 
. 
Die Existenz einer solchen Abbildung folgt leicht aus dem Auswahlaxiom, indem man 
mittels Surjektivität zu jedem 
 
ein Urbild 
 
wählt und 
 
setzt. Sind 
 
und 
 
Messräume und ist 
 
messbar, so stellt sich die Frage, ob man einen messbaren Schnitt 
 
finden kann.
Zur Untersuchung dieser Frage nennen wir einen Messraum  
abzählbar separiert, falls es eine Folge 
 
von Mengen aus 
 
gibt, so dass zu je zwei verschiedenen Punkten aus 
 
stets ein 
 
gefunden werden kann, dass genau einen der beiden Punkte enthält. Man nennt 
 
einen analytischen Borelraum, falls er als Messraum isomorph zu einem 
Messraum 
 
ist, wobei 
 
eine analytische Teilmenge eines polnischen Raums 
 
und 
 
die σ-Algebra der Durchschnitte der Borelmengen von 
 
mit 
 
ist. Mit diesen Begriffen gilt folgender Satz:
- Es seien ein analytischer Borelraum, ein abzählbar separierter Messraum und eine messbare Abbildung. Dann gibt es einen - -messbaren Schnitt von , wobei die σ-Algebra der bezüglich universell messbaren Mengen sei. 
Derartige Sätze spielen eine entscheidende Rolle in der Struktur- und Darstellungstheorie von Typ-I-C*-Algebren, wie im unten angegebenen Lehrbuch von W. Arveson ausgeführt wird, oder in der Disintegration von von-Neumann-Algebren, wie sie etwa in[1] zu finden ist.
Historische Bemerkung
H. 
Lebesgue war in einer Veröffentlichung aus dem Jahre 1905 fälschlicherweise 
der Meinung, gezeigt zu haben, dass die Projektion einer Borelmenge der Ebene 
 
auf die 
-Achse 
wieder eine Borelmenge sei. M. 
J. Suslin hatte 1917 den darin enthaltenen Fehler aufgedeckt, die 
analytischen Mengen eingeführt und gezeigt, dass es analytische Mengen gibt, die 
keine Borelmengen sind.
Literatur
- ↑ Gert K. Pedersen: C*-Algebras and their Automorphism Groups (= L.M.S. Monographs. Bd. 14). Academic Press Inc., London u. a. 1979, ISBN 0-12-549450-5, Kapitel 4.

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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 11.03. 2023