Spurklasseoperator
Die Spurklasse-Operatoren werden in der mathematischen Disziplin der Funktionalanalysis untersucht. Sie bilden eine wichtige Klasse von linearen Operatoren auf unendlichdimensionalen Räumen. Bei ihnen bleiben im Gegensatz zu allgemeinen Operatoren einige Eigenschaften aus dem endlichdimensionalen Fall erhalten, das betrifft insbesondere ihre Darstellung als Summe eindimensionaler Operatoren. In wichtigen Fällen überträgt sich der aus der linearen Algebra bekannte Begriff der Spur auf diese Operatoren, was zu ihrem Namen geführt hat. In der Quantenmechanik treten die Spurklasse-Operatoren als Dichtematrix auf.
Alexander Grothendieck stieß bei seiner Untersuchung des Satzes vom Kern aus der Distributionentheorie ebenfalls auf Operatoren der hier behandelten Art und nannte sie nukleare Operatoren (lat. nucleus = Kern). Dies führte dann zum Begriff des nuklearen Raums.
Dieser Artikel behandelt die nuklearen Operatoren zunächst auf Hilberträumen, dann allgemeiner auf Banachräumen und schließlich auf lokalkonvexen Räumen.
Motivation
Sei  
ein Vektorraum über dem Körper 
der reellen oder komplexen Zahlen. Ein eindimensionaler Operator 
 
ist ein Operator der Form 
 
mit 
 
und 
, 
wobei 
 
den Dualraum von 
 
bezeichnet. In der linearen 
Algebra, d.h. im Fall 
, 
kann jede lineare Abbildung 
 
als Matrix 
 
bzgl. einer Basis 
 
dargestellt werden. Für 
 
gilt dann 
. 
A ist also eine Summe eindimensionaler Operatoren. Um das auf unendlichdimensionale Räume übertragen zu können, muss man unendliche Summen eindimensionaler Operatoren bilden und daher Vorkehrungen für deren Konvergenz treffen. Das führt zu folgender Definition:
Definition
Seien  
und 
 
zwei normierte Vektorräume. Ein Operator 
 
heißt nuklear, falls es Folgen 
 
in 
 
und 
 
in 
 
gibt mit 
und
für alle . 
Eine solche Formel für 
 
heißt eine nukleare Darstellung von 
. 
Diese ist jedoch nicht eindeutig. 
Die nukleare Norm oder Spurnorm eines nuklearen Operators ist definiert als
wobei das Infimum über die Folgen  
in 
 
und 
 
in 
 
gebildet wird, welche eine nukleare Darstellung von 
 
ergeben. 
Beispiele
- Sei 
und sei
definiert durch
. Dann ist
nuklear mit
. Im Hilbertraumfall
gilt Gleichheit.
 - Sei 
stetig,
sei definiert durch
. Dann ist
nuklear mit
.
 - Sei 
definiert durch
. Dann ist
ein kompakter Operator, der nicht nuklear ist.
 
Einfache Eigenschaften
Sei  
die Menge aller nuklearen Operatoren 
. 
Ist 
 
vollständig, 
so ist 
 
mit der nuklearen Norm ein Banachraum. Die Operatoren 
 
mit endlichdimensionalem Bild liegen dicht in 
 
und jeder nukleare Operator ist kompakt. 
Die nuklearen Operatoren haben die sogenannte Ideal-Eigenschaft: Seien 
 
und 
 
normierte Räume,  
 
sei nuklear und 
 
sowie  
 
seien stetige lineare Operatoren. Dann ist auch  
 
nuklear und es ist  
, 
wobei 
 
die Operatornorm sei. Es gilt 
stets 
 
Speziell ist   
ein Ideal 
in der Algebra 
 
der stetigen linearen Operatoren auf 
, 
und 
 
mit der nuklearen Norm ist eine Banachalgebra. 
Nukleare Operatoren auf Hilberträumen
Im Hilbertraum  
sind die Verhältnisse besonders einfach. In diesen Räumen sind die nuklearen 
Operatoren 1946 erstmals durch Robert Schatten und John von Neumann untersucht worden. 
Jedes  
ist nach dem Satz 
von Fréchet-Riesz von der Form 
 
mit einem 
. 
Eine nukleare Darstellung eines Operators 
 
hat daher die Gestalt 
mit  
und 
Ist  
eine beliebige Orthonormalbasis 
von 
, 
so konvergiert für jedes 
 
,
wobei die linke Summe als Limes des Netzes 
aller endlichen Teilsummen in  
zu lesen ist (d.h. als unbedingte 
Konvergenz). Diese Zahl ist daher unabhängig von der Wahl der 
Orthonormalbasis und auch unabhängig von der Wahl der nuklearen Darstellung, sie 
wird die Spur von 
 
genannt und mit 
 
bezeichnet. Wegen des englischen Wortes trace für Spur findet man auch 
häufig die Bezeichnung 
. 
Ist  
selbstadjungiert 
und ist 
 
die Folge der mit Vielfachheiten gezählten Eigenwerte von 
, 
so gilt 
 
und 
. 
Für allgemeines 
 
ist die Eigenwertfolge 
 
absolut summierbar und es ist 
. 
Als weitere Charakterisierung kann man zeigen, dass ein Operator  
genau dann nuklear ist, wenn er das Produkt zweier Hilbert-Schmidt-Operatoren 
ist. 
 
spielt eine zentrale Rolle in der Dualitätstheorie von Operatoralgebren. Es 
bezeichne 
 
die Algebra der kompakten 
linearen Operatoren auf 
. 
Jedes 
 
definiert durch 
 
ein stetiges, lineares Funktional auf 
. 
Man kann zeigen, dass 
, 
 
ein isometrischer Isomorphismus ist, wobei 
 
mit der nuklearen Norm und 
 
mit der Operatornorm versehen sei. In diesem Sinne gilt also 
.
 Genauso definiert jedes 
 
durch die Formel 
 
ein stetiges lineares Funktional auf 
 
und man kann wieder zeigen, dass 
, 
 
ein isometrischer Isomorphismus ist, wenn man 
 
mit der nuklearen Norm und 
 
mit der Operatornorm versieht. In diesem Sinne gilt also 
.
 Insbesondere ist also 
, 
das heißt die Räume 
 
und 
 
sind bei unendlichdimensionalem Hilbertraum nicht reflexiv. 
Eine Analogie zu Folgenräumen
Die folgende Aufstellung enthält eine Analogie zwischen Folgenräumen komplexer 
Zahlen und Operatoralgebren 
auf einem Hilbertraum. Im Sinne dieser Analogie kann man die nuklearen 
Operatoren als eine nicht-kommutative Version der -Folgen 
betrachten, sie ist zumindest eine Merkhilfe. 
| Folgenraum | Operatoralgebra | 
|---|---|
| Die Spur ist ein stetiges lineares Funktional auf  | |
| Eine Folge aus  | 
    Ein stetiger linearer Operator ist genau dann nuklear, wenn er das Produkt zweier Hilbert-Schmidt-Operatoren ist. | 
Nukleare Operatoren auf Banachräumen
Die Untersuchung nuklearer Operatoren auf Banachräumen begann 1951 mit einer Arbeit von A. F. Ruston. Wegen der hier fehlenden Orthonormalbasen sind die Verhältnisse nicht so einfach wie im Hilbertraum-Fall, zudem sind deutlich andere Methoden erforderlich.
Während im Hilbertraum-Fall die Eigenwertfolge eines nuklearen Operators nach obigen Ausführungen absolut summierbar ist, kann man im Banachraum-Fall nur folgende schwächere Aussage beweisen:
Ist  
ein Banachraum und ist 
 
die Eigenwertfolge eines nuklearen Operators 
, 
so gilt 
 
und 
. 
Dieses Ergebnis kann man nicht verbessern; R. J. Kaiser und James Ronald Retherford haben zu vorgegebener -Folge 
einen nuklearen Operator aus 
 
mit dieser Eigenwertfolge angegeben. Nach einem Satz von Johnson, König, Maurray 
und Retherford ist ein Banachraum genau dann isomorph zu einem Hilbertraum, wenn 
die Eigenwertfolge eines jeden nuklearen Operators aus 
 
ist. 
Die Spur eines nuklearen Operators lässt sich nicht für alle Banachräume 
definieren. Ist eine nukleare Darstellung  
eines Operator aus 
 
gegeben, so legt der Hilbertraum-Fall die Definition 
 
nahe. Diese Zahl erweist sich genau dann wohldefiniert, das heißt als unabhängig 
von der gewählten nuklearen Darstellung, wenn der Banachraum die 
Approximationseigenschaft 
hat. 
Die im Hilbertraum-Fall vorliegende Dualität verallgemeinert sich wie folgt 
auf Banachräume  
mit Approximationseigenschaft. Jedes 
 
definiert ein stetiges, lineares Funktional 
 
auf 
, 
wobei 
 
wenn 
 
eine nukleare Darstellung von 
 
ist. Die Approximationseigenschaft sichert die Wohldefiniertheit, d.h. die 
Unabhängigkeit von der Wahl der nuklearen Darstellung. Man kann zeigen, dass 
 
ein isometrischer Isomorphismus ist, wenn man 
 
mit der nuklearen Norm und 
 
mit der Operatornorm versieht. In diesem Sinne ist 
. 
Ist daher 
 
zusätzlich reflexiv, 
so hat man 
 
wie im Hilbertraum-Fall. 
Nukleare Operatoren auf lokalkonvexen Räumen
Alexander Grothendieck hat 1951 mit der Untersuchung nuklearer Operatoren 
zwischen lokalkonvexen Räumen begonnen. Da man auf lokalkonvexen Räumen keine 
Norm zur Verfügung hat, muss die Definition wie folgt formuliert werden: Ein 
linearer Operator  
heißt nuklear, falls es eine Darstellung der Art 
 
gibt, wobei
,
eine gleichstetige Folge im starken Dualraum
ist (d.h. es gibt eine stetige Halbnorm
auf
mit
für alle
),
eine beschränkte Folge in
ist.
Da die geforderte Gleichstetigkeit im Banachraum-Fall der Beschränktheit gleichkommt, führt die hier gegebene Definition im Banachraum-Fall auf denselben Begriff des nuklearen Operators wie er oben definiert wurde.
Die Ideal-Eigenschaft verallgemeinert sich auf lokalkonvexe Räume: Ist  
nuklear und sind 
 
und 
 
stetige, lineare Operatoren zwischen lokalkonvexen Räumen, so ist auch 
 
nuklear. Nukleare Operatoren 
 
sind stetig und, falls 
 
vollständig 
ist, sogar kompakt. Man kann zeigen, dass es zu jedem nuklearen Operator 
 
einen weiteren nuklearen Operator 
 
zwischen normierten Räumen und stetige lineare Operatoren 
 
gibt mit 
. 
Damit kann man das Studium der nuklearen Operatoren zwischen lokalkonvexen 
Räumen auf den normierten Fall zurückführen. 
In der lokalkonvexen Theorie spielen die nuklearen Operatoren eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit nuklearen Räumen.
Anwendung in der statistischen Physik
Das physikalische Gebiet der Statistischen 
Physik beruht auf der zentralen Annahme, dass die Spur jeder mit der 
Exponentialfunktion des sog. Hamilton-Operators 
(Energieoperator)  
bei der Temperatur 
 
gewichteten Messgröße (Observable) 
 
der Quantenstatistik 
existiert, und zwar obwohl der Hamiltonoperator selbst keineswegs zur Spurklasse 
gehört und in der Regel auch für den (nur selbstadjungierten!) Operator 
 
dasselbe zutrifft. Für den thermischen Erwartungswert 
 
der betrachteten Messgröße gilt trotzdem aufgrund dieser Annahme die Beziehung 
Anders gesagt: die eingeklammerten Ausdrücke befassen sich i.W. mit nuklearen Räumen und den darin definierten Operatoren bzw. Messgrößen.


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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 20.11. 2020