Tensorprodukt von Moduln
Das Tensorprodukt von Moduln über einem (beliebigen) Ring mit 1 ist eine Verallgemeinerung des Tensorprodukts von Vektorräumen über einem Körper. Es hat Bedeutung in der abstrakten Algebra und findet in der homologischen Algebra, in der algebraischen Topologie und in der algebraischen Geometrie Anwendung.
Definition

Sei  
ein Ring 
(mit 
, 
aber nicht notwendigerweise kommutativ). Sei 
 
ein 
-Rechtsmodul 
und 
 
ein 
-Linksmodul. 
Das Tensorprodukt 
[1] 
über 
 
ist definiert durch eine abelsche Gruppe 
und eine -bilineare 
Abbildung 
| also durch eine Abbildung mit | |||
| (Dl⊗) | |||
| (Dr⊗), | |||
die außerdem
| (A⊗) | 
erfüllt, die zusammen die folgende universelle Eigenschaft haben:
- Zu jeder abelschen Gruppe 
und jeder
-bilinearen Abbildung
 - mit der zusätzlichen Eigenschaft
 
| (Ag) | 
- gibt es einen Gruppen-Homomorphismus 
  
mit
 - und dieser ist eindeutig bestimmt.
 
Diese universelle Eigenschaft definiert ein bis auf Isomorphie eindeutig 
bestimmtes Tensorprodukt, und  
wird die kanonische (vermittelnde) bilineare Abbildung des Tensorprodukts 
genannt. 
Für  
sind die abkürzenden Schreibweisen 
 
und 
 
gebräuchlich. 
- Bemerkungen
 
- Die Forderung (Dl) bedeutet die Linksdistributivität 
  von 
über der Moduladdition und (Dr) die Rechtsdistributivität.
 - Die Forderung (A) erinnert an das Assoziativgesetz der Ringmultiplikation.
 - Aus (Dlg) folgt, dass jedes 
wegen
auf das neutrale Element
abgebildet wird; entsprechend
aus (Drg).
 
Grundkonstruktion
Die Existenz des Tensorprodukts erweist sich durch folgende Konstruktion.
Man betrachtet den von allen Paaren  
erzeugten freien 
-Modul 
, 
der zu 
 
(direkte Summe) isomorph 
ist. Da 
 
eine 
 
enthält, können die Paare 
 
als Basis von 
 
aufgefasst werden. Man bildet den 
-Untermodul 
, 
der durch die Linearkombinationen von Basiselementen in 
 
| (DlZ) | |||
| (DrZ) | |||
| (AZ) | 
erzeugt wird.
Die abelsche Gruppe  
wird definiert als der Quotient von 
 
nach 
, 
in Zeichen 
,
und das Bild von  
unter der bilinearen Abbildung 
 
als die Nebenklasse 
von 
, 
in Zeichen 
.
Durch universelle Eigenschaften definierte Objekte sind immer (bis auf Isomorphie) eindeutig bestimmt.
- Bemerkungen
 
- Für 
folgt aus (DlZ)
und aus (DrZ) analog, zusammen
. Deshalb genügt es, bei abelschen Gruppen (
-Moduln)
die Bedingungen (DlZ) und (DrZ) zu etablieren – die Bedingung (AZ) ist dann automatisch etabliert.
 - Bezeichnet man mit 
die
resp. unterliegenden
-Moduln, dann kann der
-Modul
kanonisch identifiziert werden mit dem Quotienten des
-Moduls
nach dem
-Untermodul, der durch Elemente der Form
mit
erzeugt wird.
 
Konstruktion als R-Modul
Ist der Ring  
kommutativ (in diesem Fall kann man einen 
-Rechtsmodul 
mit einer 
-Linksmodulstruktur 
versehen und umgekehrt), so ist das Tensorprodukt 
 
nicht nur eine abelsche Gruppe, sondern ein 
-Modul 
und 
 
eine 
-bilineare 
Abbildung, und nicht nur eine 
-bilineare. 
Die Skalarmultiplikation kann dabei mit Hilfe der Festlegung (der 
Übersichtlichkeit halber ist das Suffix 
 
bei der Abbildung 
 
weggelassen) 
| (SR) | 
definiert werden. Diese Verknüpfung ist wohldefiniert, da für 
jedes  
die Unabhängigkeit vom Repräsentanten 
 
oder 
 
der Nebenklasse 
 
aus 
folgt. Man beachte, dass bei der dritten Gleichheit die Kommutativität von 
 
gebraucht wird. 
Alternativ kann das Tensorprodukt direkt als Modul konstruiert werden. Dabei 
nimmt man bei der Grundkonstruktion anstelle der freien abelschen Gruppe den von 
 
erzeugten freien 
-Modul. 
Bei der Erzeugung von 
 
(das in diesem Fall nicht nur eine Untergruppe, sondern ein Untermodul wird) 
nimmt man dabei noch die Linearkombinationen 
| (S′R) | 
hinzu. Die Kommutativität von  
stellt die Assoziativität der Skalarmultiplikation sicher, denn es ist 
für  
Der auf diese zwei Arten konstruierte R-Modul hat eine entsprechende universelle Eigenschaft:
- Zu jedem R-Modul 
und jeder R-bilinearen Abbildung
 - gibt es einen R-Modul-Homomorphismus 
  
mit
 - und dieser ist eindeutig bestimmt.
 
- Bemerkungen
 
- Spezialisierung: Ist 
ein Körper, so sind die
-Moduln
und das Tensorprodukt
-Vektorräume, und Letzteres stimmt mit
aus dem Artikel Tensorprodukt von Vektorräumen überein.
 - Verallgemeinerung: Man kann die Nicht-Kommutativität von 
zulassen und mit
als Bezeichnung für das Zentrum des Ringes
bei beiden Konstruktionen in diesem Abschnitt
durch
ersetzen, um beim eindeutig bestimmten
-Modul
und der
-bilinearen Abbildung
anzukommen. Zur Erfüllung von (A⊗) wird dabei
wie vorher aus Linearkombinationen (AZ) mit Skalaren aus dem ursprünglichen Ring
erzeugt. Dieser Ring ist es auch, der das Tensorprodukt
charakterisiert.
Zur Vermeidung von Verwechslungen geht man am besten zunächst der Definition gemäß von einem-Modul
aus, den man je nach Bedarf a posteriori durch (SR) mit einer (Links- oder Rechts-)
-Skalarmultiplikation versieht mit
als einem Unterring von
 - Der Ring 
beim Operator
kann große Auswirkung haben, wie die Beispiele
und
zeigen.
 
Wechsel des Rings
und
seien Ringe,
sei ein Ringhomomorphismus und
ein
-Rechtsmodul,
ein
-Linksmodul. Dann gibt es – in den Bezeichnungen von Modul (Mathematik)#Wechsel des Rings – genau eine
-lineare Abbildung
- 
  
 - derart, dass für alle 
 - Diese Abbildung ist surjektiv und wird als kanonisch bezeichnet.
 
- Ist dabei 
, dann ist
 
- 
  
 - wobei 
durch die
mit
erzeugt wird.
 
- Sei 
ein zweiseitiges Ideal in
, welches sowohl im Annihilator von
wie von
enthalten ist. Dann hat
resp.
eine kanonische rechte resp. linke
-Modulstruktur, und der kanonische Homomorphismus
 
- 
  
 - der dem kanonischen Homomorphismus 
entspricht, ist die Identität.
 
Spezialfälle
Seien R, R1, R2, R3 (nicht notwendigerweise kommutative) Ringe.
- Ist M12 ein R1-R2-Bimodul und M20 ein linker R2-Modul, dann ist das Tensorprodukt
 
- 
  
 - ein linker R1-Modul.
 
- Ist M02 ein rechter R2-Modul und M23 ein R2-R3-Bimodul, dann ist das Tensorprodukt
 
- 
  
 - ein rechter R3-Modul.
 
- Ist M01 ein rechter R1-Modul, M12 ein R1-R2-Bimodul und M20 ein linker R2-Modul, dann gilt das Assoziativitätsgesetz
 
- 
  
.
 - Mithin führt bei der klammerlosen Notation 
  
 - jede beliebige Reihenfolge der Ausführung von ⊗ zum selben Ergebnis.
 
- Jeder Ring 
ist ein
-
-Bimodul. Also ist
 
- 
  
 - mit der Ringmultiplikation 
  
 - als der kanonischen 
-bilinearen Abbildung.
 
- Für alle R-Moduln M und N ist
 
- Ist 
kommutativ, so sind die
-Moduln
 
- 
  
und
 - kanonisch isomorph.
 
- Ist 
eine
-Algebra, so ist
 
- 
  
 - ein 
-Linksmodul; die Moduloperation ist gegeben durch
für
,
in
.
 
- Jeder Ring 
mit
ist ein
-
-Bimodul. Also ist
 
- 
  
- >
 
 - >
 - mit der Ringmultiplikation 
  
 - als der kanonischen 
-bilinearen Abbildung.
 
- Ist 
ein kommutativer Ring, und sind
und
assoziative
-Algebren, so ist
 
- 
  
 - wieder eine assoziative 
-Algebra; die Multiplikation ist gegeben durch
 
Kategorielle Eigenschaften
Verschiedene Varianten des Tensorproduktes besitzen rechtsadjungierte Funktoren:
- Ist 
ein Ring,
ein
-Rechtsmodul,
ein
-Linksmodul und
eine abelsche Gruppe, so gilt:
 
- 
  
 - dabei ist 
ein
-Rechtsmodul vermöge
 
- Ist 
ein Ring,
eine
-Algebra,
ein
-Linksmodul und
ein
-Linksmodul, so gilt:
 
- 
  
.
 
- Ist 
ein kommutativer Ring mit Einselement und sind
,
,
drei
-Moduln, so gilt:
 
- 
  
.
 
Insbesondere ist das Tensorprodukt ein rechtsexakter Funktor.
Das Tensorprodukt ist der Pushout 
in der Kategorie 
der kommutativen Ringe mit Einselement; insbesondere ist für einen kommutativen 
Ring  
mit Eins das Tensorprodukt über 
 
das Koprodukt 
(für endlich viele Objekte) in der Kategorie der 
-Algebren. 
Beispiele
- Lokalisierungen von Moduln sind Tensorprodukte mit den lokalisierten Ringen, also ist beispielsweise
 
- Ist 
ein Ring,
ein zweiseitiges Ideal und
ein
-Linksmodul, so ist
 
- Ist 
ein kommutativer Ring mit Einselement, so ist
 
Struktur der Elemente
Elementare Tensoren
Ein elementarer Tensor bzw. reiner Tensor im Tensorprodukt 
 
ist ein Element von der Form 
 
mit 
. 
Allgemeine Gestalt
Jedes Element  
des Tensorprodukts 
 
ist eine endliche Summe 
von elementaren Tensoren. Diese Darstellung ist nicht eindeutig. Ferner lässt sich im Allgemeinen nicht jeder Tensor als elementarer Tensor schreiben.
Zum Beispiel ist der Tensor  
kein elementarer Tensor im Tensorprodukt 
, 
wobei 
 
die Standardbasisvektoren im 
 
sind; dagegen 
 
durchaus. 
Ist R ein kommutativer Ring und  
ein von einem Element erzeugter R-Modul, dann ist jeder Tensor des 
Tensorprodukts 
 
ein elementarer Tensor für jeden beliebigen R-Modul 
. 
Weiterführende Begriffe
In der Algebra:
In der Differentialgeometrie:
In der Funktionalanalysis
- Räumliches Tensorprodukt (C*-Algebren)
 - Maximales Tensorprodukt (C*-Algebren)
 
Literatur
- Siegfried Bosch: Algebra. 7. Auflage. Springer-Verlag, 2009, ISBN 3-540-40388-4.
 
Anmerkungen
- ↑ 
  gelesen als »Tensorprodukt von 
mit
über
« oder auch als »
tensoriert über
mit
«
 


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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 19.10. 2021