Gütefaktor

Der Gütefaktor, auch Güte, Kreisgüte, Filtergüte, Schwingkreisgüte, Resonanzschärfe oder Q-Faktor genannt, ist in der Technik ein Maß für die Dämpfung bzw. den Energieverlust eines zu Schwingungen fähigen Systems (z.B. eines Schwingkreises). Eine hohe Güte eines Systems besagt, dass das System schwach gedämpft ist.

In einer zweiten Bedeutung ist der Gütefaktor ein Kennzeichen für den Energieverlust eines zweipoligen elektrischen Bauelementes oder Netzwerks.[2]

Der Kehrwert des Gütefaktors heißt in beiden Bedeutungen Verlustfaktor.

Elektrischer Schwingkreis

Hauptartikel: Schwingkreis

Definition

Der Gütefaktor Q eines Resonanzkreises bei einer gegebenen Frequenz wird definiert als

{\displaystyle Q=2\pi \ {\frac {W}{V}}}

mit

W der gespeicherten Energie zu Beginn einer Schwingungsperiode
V der Energie, die innerhalb dieser Periode in thermische Energie übergeht.

Ein Gütefaktor von 0,5, oder ein Dämpfungsgrad von 1 oder ein Verlustfaktor von 2, entspricht dem aperiodischen Grenzfall, bei dem es gerade keine Schwingung mehr gibt. Eine hohe Güte erfordert also ein Q deutlich über 0,5.

Reihenschaltung

In einem Reihenschwingkreis werden ein elektrischer Widerstand R, eine Spule der Induktivität L und ein Kondensator der Kapazität C von demselben sinusförmigen Strom i mit dem Effektivwert I und der Amplitude {\displaystyle {\hat {\imath }}={\sqrt {2}}\;I} durchflossen. Die Resonanzfrequenz des idealen Schwingkreises und des realen Reihenschwingkreises beträgt

{\displaystyle f_{0}={\frac {\omega _{0}}{2\pi }}={\frac {1}{2\pi }}\ {\frac {1}{\sqrt {LC}}}}

mit der Resonanzkreisfrequenz \omega _{0}. Die Periodendauer beträgt {\displaystyle 1/f_{0}}. Eingesetzt in die Definition von Q ergibt sich

{\displaystyle W={\frac {1}{2}}L\;{\hat {\imath }}^{2}}
{\displaystyle V=I^{2}\;R\cdot {\frac {1}{f_{0}}}}
{\displaystyle Q=2\pi \ {\frac {L\,f_{0}}{R}}={\frac {1}{R}}\;{\sqrt {\,{\frac {L}{C}}\,}}}

Die Differenzialgleichung des Reihenschwingkreises lautet (sieheHauptartikel)

{\displaystyle LC\cdot {\frac {\mathrm {d} ^{2}i}{\mathrm {d} t^{2}}}+RC\cdot {\frac {\mathrm {d} i}{\mathrm {d} t}}+i=0\qquad {\text{oder allgemein}}\qquad {\frac {\mathrm {d} ^{2}i}{\mathrm {d} t^{2}}}+2D\omega _{0}\cdot {\frac {\mathrm {d} i}{\mathrm {d} t}}+\omega _{0}^{2}\cdot i=0}

mit dem Dämpfungsgrad D. Nach Division durch {\displaystyle LC} führt ein Koeffizientenvergleich auf

{\displaystyle {\frac {R}{L}}=2D\omega _{0}\quad ;\qquad {\frac {1}{LC}}=\omega _{0}^{2}},

und man kommt auf eine Beziehung zwischen Dämpfungsgrad und Gütefaktor

{\displaystyle 2D={\frac {R}{L\omega _{0}}}={\frac {1}{Q}}}.

Parallelschaltung

Parallelschwingkreis

In Analogie dazu liegt in einem Parallelschwingkreis an {\displaystyle R,L,C} dieselbe sinusförmige Spannung u an (Scheitelwert {\displaystyle {\hat {u}}}, Effektivwert {\displaystyle U={\hat {u}}/{\sqrt {2}}}). Beim realen Parallelschwingkreis liegt die Resonanzfrequenz f_{r} geringfügig niedriger als f_{0}. Für die Berechnung der thermischen Energie, die in der Periodendauer abgegeben wird, kann der Unterschied unbeachtet bleiben.

{\displaystyle W={\frac {1}{2}}C\;{\hat {u}}^{2}}
{\displaystyle V={\frac {U^{2}}{R}}\cdot {\frac {1}{f_{0}}}}
{\displaystyle Q=2\pi \ C\,R\,f_{0}=R\;{\sqrt {\,{\frac {C}{L}}\,}}}

Bandbreite

Resonanzkurve bei einer logarithmischen Auftragung der Amplitude über der Erregerfrequenz, wobei die Resonanzfrequenz mit f_{c} bezeichnet ist

Der Gütefaktor eines Resonanzkreises ist ein Maß für die Schärfe der Resonanz. Diese wird durch die 3-dB-Bandbreite B ausgedrückt:

{\displaystyle B=f_{2}-f_{1}={\frac {f_{0}}{Q}}}

mit dem daraus gebildeten Gütefaktor:

Q={\frac  {f_{0}}{B}}

Die obere Grenzfrequenz f_{2} und die untere Grenzfrequenz f_{1} sind diejenigen Frequenzen, bei denen die Spannung \hat u bzw. der Strom {\displaystyle {\hat {\imath }}} auf den {\frac {1}{\sqrt {2}}}\approx 0{,}707-fachen Wert des Maximalwertes zurückgehen. An dieser Stelle ist die Leistung im Schwingkreis nur noch halb so groß wie bei der Resonanzfrequenz des verlustlosen Schwingkreises. Bei Darstellung des Pegels in Abhängigkeit von der Frequenz ist die Bandbreite gleich dem Frequenzbereich, an dessen Grenzen die Leistungswurzelgröße um 3 dB abnimmt. Die Grenzfrequenzen können berechnet werden aus

f_{1}={\frac {{\sqrt {R^{2}+4{\frac {L}{C}}}}-R}{4\pi L}}   und   f_{2}={\frac {{\sqrt {R^{2}+4{\frac {L}{C}}}}+R}{4\pi L}}.

Sie sind mit der Resonanzfrequenz des idealen Schwingkreises verbunden durch

{\displaystyle f_{0}={\sqrt {f_{1}\,f_{2}}}}.

Mechanischer Schwingkreis

In der Mechanik geht man bei einem Federpendel (Masse-Feder-System) aus von den Differenzialgleichungen

{\displaystyle m{\ddot {x}}+d{\dot {x}}+kx=0\qquad {\text{oder}}\qquad {\ddot {x}}+2D\omega _{0}{\dot {x}}+\omega _{0}^{2}x=0}.

mit der Auslenkung x aus der Ruhelage, der Masse m, der vorzugsweise durch Reibung bestimmten Dämpfungskonstanten d, der Federkonstanten k, dem Dämpfungsgrad D und der Eigenkreisfrequenz {\displaystyle \omega _{0}={\sqrt {k/m}}} des ungedämpften Systems.

Dieselbe Definition des Gütefaktors wie beim elektrischen Schwingkreis führt auf

{\displaystyle Q=\omega _{d}\;{\frac {m}{d}}\approx {\frac {\sqrt {m\cdot k}}{d}}={\frac {1}{2D}}}

mit der gegenüber \omega _{0} leicht verminderten Eigenkreisfrequenz des schwach gedämpften Systems

{\displaystyle \omega _{d}={\sqrt {{\frac {k}{m}}-{\frac {d^{2}}{4m^{2}}}}}=\omega _{0}{\sqrt {1-D^{2}}}}

Elektrisches Bauelement

Der Gütefaktor Q eines linearen abstrahlungsfreien zweipoligen Netzwerkelementes oder Netzwerkes bei sinusförmigen Vorgängen wird definiert als das Verhältnis der Beträge von Blindleistung P_B und Wirkleistung {\displaystyle P_{W}} oder gleichwertig als das Verhältnis der Beträge von Blindwiderstand X und Wirkwiderstand R.

{\displaystyle Q={\frac {|P_{B}|}{P_{W}}}={\frac {|X|}{R}}} .

Der Gütefaktor ist ein Maß für – gewöhnlich unerwünschte – Verluste, insbesondere in einem Kondensator oder einer Spule. Beispielsweise ist die Spulengüte

{\displaystyle Q_{L}={\frac {2\pi f\,L}{R}}}

Diese Gleichung ähnlich der entsprechenden Gleichung beim Reihenschwingkreis, gilt aber für beliebige Frequenz f und nicht bei einer (gar nicht vorhandenen) Resonanzfrequenz f_{0}. Eine hohe Spulengüte ist erforderlich, wenn in einem Schwingkreis eine geringe Bandbreite angestrebt wird.

Der Gütefaktor ist bei Netzwerk(element)en zugleich der Kotangens des Verlustwinkels.

Beispiele

In der folgenden Tabelle sind einige Größenordnungen von Gütefaktoren bei verschiedenen schwingenden Systemen angegeben.

System Gütefaktor Q
Aperiodischer Grenzfall 0{,}5
Elektrodynamischer Lautsprecher typ. 0{,}2 \, \ldots \, 1{,}2
Elektrischer Schwingkreis 10^{2}
Pendeluhr 10^{4}
Schwingungstilger 10^{5}
Schwingquarz 10 MHz (3 \,\ldots \, 10) \cdot 10^5
Frequenzstabilisierter Laser 10^9
Supraleitender Hohlraumresonator 10^9 \, \ldots \, 10^{11}
Cäsium-Atomuhr 10^{{13}}
Mößbauer-Effekt bei Gammastrahlung 10^{15}

Literatur

Trenner
Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
Seitenende
Seite zurück
© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 04.08. 2023