arctan2
Die mathematische Funktion arctan2, auch atan2, ist eine Erweiterung der inversen Winkelfunktion Arkustangens und wie diese eine Umkehrfunktion der Winkelfunktion Tangens.
Sie nimmt zwei reelle 
Zahlen als Argumente, im Gegensatz zum normalen Arkustangens, welcher nur 
eine reelle Zahl zum Argument hat. Damit hat sie genügend Information, um den 
Funktionswert in einem Wertebereich 
von  
(also allen vier Quadranten) 
ausgeben zu können, und muss sich nicht (wie der normale Arkustangens) auf zwei 
Quadranten beschränken. Der volle Wertebereich wird häufig benötigt, 
beispielsweise bei der Umrechnung ebener kartesischer 
Koordinaten in Polarkoordinaten: 
wenn der Funktion 
 
die beiden kartesischen Koordinaten 
 
als Argumente gegeben werden, erhält man den Polarwinkel 
, 
der sich im richtigen Quadranten befindet, d.h. der die Beziehungen 
und
mit
erfüllt. Ein mathematisch nützlicher Zusatzeffekt ist, dass Winkel, bei denen 
der Tangens eine Polstelle 
hat, nämlich die Winkel  
durch ganz normale reelle Koordinaten spezifiziert werden können, nämlich durch 
 
anstatt 
 
Das kommt von der Definitionsmenge 
 
der Funktion 
 
der „gelochten“ Ebene, welche mit einer Gruppenstruktur versehen werden kann, 
die isomorph 
ist zur multiplikativen 
Gruppe 
 
der komplexen 
Zahlen ohne die Null. Diese Gruppen sind direktes 
Produkt der Kreisgruppe 
 
der Drehungen und der Gruppe der 
Streckungen um einen Faktor größer Null, der multiplikativen Gruppe 
 
Erstere Gruppe lässt sich durch den Polarwinkel 
 
parametrisieren, 
zweitere durch den (positiven) Betrag 
 
Lösung: Zwei Argumente
Zwei vom Ursprung  
verschiedene Punkte 
 
und 
 
spezifizieren denselben Polarwinkel, 
wenn sie auf demselben Strahl 
durch 
 
liegen. Dann sind sie bezüglich der durch 
definierten Relation 
äquivalent.[1]
 Dagegen ist der Tangenswert von Polarwinkeln auch dann derselbe, wenn der 
Strahl um  
oder 
, 
also genau in den Gegenstrahl, weitergedreht ist. Informationstheoretisch 
betrachtet lässt der Tangens die Vorzeicheninformation von 
 
(rot in den Formeln) unter den Tisch fallen: 
|    | 
man nehme nur . 
  
Da der Tangens mit  
periodisch 
ist und der Funktionsbegriff Rechtseindeutigkeit 
verlangt, muss für seine Umkehrung (Spiegelung an der 1. 
Winkelhalbierenden) sein Definitionsbereich mindestens auf die Periodenlänge 
eingeschränkt werden – in diesem Artikel auf das Intervall 
 
(s. Abb. 1). Das hat zur Folge, dass die Umkehrfunktion Arkustangens kein 
größeres Bild als 
 
haben kann. Dabei ist die ganze reelle Achse 
 
als Definitionsbereich des Arkustangens zulässig, weil das Bild des Tangens 
unter 
 
gerade 
 
ist. 
Um zu einem vollwertigen Polarwinkel zu kommen, gibt es in vielen 
    Programmiersprachen 
und Tabellenkalkulationen 
eine erweiterte Funktion, die mit den beiden kartesischen Koordinaten 
beschickt wird und damit genügend Information hat, um den Polarwinkel modulo 
 
(bspw. im Intervall 
 
wie der Abb. 2) und in allen vier Quadranten zurückgeben zu können. 
Implementierungen
Die erste Implementierung war nicht später als im Jahr 1966 in der Programmiersprache Fortran. Heute ist die Funktion auch in anderen Programmiersprachen vorhanden.
Die Funktion hat häufig den Namen , 
so bei den Programmiersprachen Fortran 77, 
C, 
C++, Java, Python, 
Matlab, R, 
iWork 
Numbers, 
LibreOffice 
Calc. 
In vielen dieser Programmiersprachen (nicht bspw. bei LibreOffice Calc) ist die 
Reihenfolge der Argumente umgekehrt, also die 
-Koordinate 
das erste Argument. In Common 
Lisp, wo optionale Argumente existieren, erlaubt die 
-Funktion, 
die 
-Koordinate 
als optionales zweites Argument zu übergeben, wobei die 
Standardannahme 
 
ist. 
Ein anderer Name ist , 
so bei den Tabellenkalkulationen Excel 
und OpenOffice 
Calc. 
In Mathematica ist eine 
Funktion  
definiert, bei der das erste Argument 
 
weggelassen werden kann. 
- Zur Beachtung
 - In diesem Artikel wird die Reihenfolge 
und der Name
verwendet.
 
Formel
Die sechs Fälle der Funktionsdefinition
|    | 
    ||||||
| für  | 
    (Quadranten  | |||||
| für  | 
    (Quadrant  | |||||
| für  | 
    (oberer⁄unterer Rand der Bildmenge) | |||||
| für  | 
    (Quadrant  | |||||
| für  | ||||||
| für  | ||||||
mit  
als der „gelochten“ Ebene lassen sich zur Formel 
vereinigen. Die Funktion ist bis auf den Fall  
(die Sprungstelle, s.u.) punktsymmetrisch am Ursprung, in Formeln: 
.
Andererseits ist
| für  | |||
| für  | |||
| für  | 
Dem Argument  
wird manchmal der Funktionswert 
 
zugeordnet, wie auch andere Sonderfälle, bspw. Not 
a Number, unterschiedlich behandelt werden. 
Der Genauigkeitsverlust der Division  
wegen lässt sich für 
 
bspw. durch die Umformung 
verringern (s. jedoch auch den Abschnitt Genauigkeitskontrolle).
Sprungstelle und kontinuierliche Drehung des Polarwinkels
  
Bei zunehmendem Polarwinkel , 
das heißt bei einer Drehung im mathematischen Sinn (und entgegen 
dem Uhrzeigersinn), beginnt eine Periode in der Abb. 2 unten am (Strahl durch 
den) Punkt[8] 
| , | 
von wo es auf dem roten Graphen von links unten nach rechts oben (immer in 
„ONO-Richtung“) weitergeht. Wie üblich soll in der Nähe der Null 
infinitesimal 
unterhalb und 
 
infinitesimal oberhalb bedeuten. Die Drehung führt weiter in den Quadranten 
 
über den (auf der 1. 
Winkelhalbierenden liegenden und in der Abb. durch eine kleine rote 
Kreisfläche markierten) Punkt 
| , | 
zum Punkt
| , | 
der einer der Polstellen  
des Tangens entspricht und deshalb für den Arkustangens 
 
ein unendlich ferner Punkt ist. 
Der 
-Wert 
wechselt von 
 
nach 
. 
Diesen Sachverhalt symbolisiert die Abb. 2 mit dem roten Kringel rechts im 
Quadranten 
 
als Senke und dem roten Punkt 
links im Quadranten 
 
als Quelle. Aus Sicht der Funktion 
 
geschieht aber nichts weiter, als dass der 
-Wert 
sich von 
 
zu 
 
ändert. 
Die weitere Drehung führt durch den Quadranten  
über den markierten Punkt 
zum Punkt
| , | 
der im Koordinatenursprung liegt, und von dort durch den Quadranten  
über den markierten Punkt 
| , | 
zum Punkt
| . | 
Dieser Punkt entspricht der anderen Polstelle  
des Tangens. Bei ihm findet dasselbe Zusammenfallen der Senke im Quadranten 
 
mit der Quelle im Quadranten 
 
statt wie oben beim Argument 
. 
Die weitere Drehung durch den Quadranten 
 
führt über den markierten Punkt 
schließlich zur Sprungstelle
| . | 
Dieser Fall kann 
durch leichte Abwandlung der Bedingungen in der Formel  
entweder dem Fall in der Zeile darüber oder dem darunter zugeschlagen werden, 
wonach das Intervall der Bildmenge an seinem oberen Ende abgeschlossen und am 
unteren Ende offen ist, also 
, 
oder eben umgekehrt 
. 
Hat die Berechnung des Polarwinkels eine kontinuierliche Drehung zu begleiten, dann kann die Funktion so angepasst oder erweitert werden, dass
- die Sprungstelle an einem beliebigen Punkt (einem beliebigen Strahl) des 
  Definitionsbereichs 
liegt;
 - auch bei einer Drehung über die Periodenlänge 
hinaus der Polarwinkel kontinuierlich zu- bzw. abnimmt. Hier kommt die Umlaufzahl ins Spiel.
 
Beispielsweise können in Anwendungen, bei denen es auf die Stetigkeit innerhalb einer Halbebene ankommt, folgende Formeln nützlich sein:
|        | 
    für  | 
    (Quadranten  | ||
|        | 
    für  | 
    (Quadranten  | ||
| für  | 
    (Quadranten  | |||
| für  | 
    (Quadranten  | |||
| für  | 
    (Quadranten  | |||
|        | 
    für  | 
    (Quadranten  | ||
|        | 
    für  | 
    (Quadranten  | 
Die 7 Zeilen sind so angeordnet, dass die Werte zweier über einander 
stehender Funktionen im gemeinsamen Definitionsgebiet übereinstimmen. Wegen der 
Sprungstelle von  
beim Strahl 
 
ist Gleichheit mit einer der stetigen Funktionen 
 
nicht möglich. 
Isomorphie zur Kreisgruppe
Die präzise mathematische Darstellung der folgenden wohlbekannten Abbildung bedarf sowohl auf der Urbild- wie auf der Bild-Seite zusätzlicher Hilfsabbildungen.
Auf der Definitionsmenge  
von 
 
kann man (in Analogie zur Definition 
der Addition in den rationalen Zahlen) die Verknüpfung 
definieren.[3] 
Sie bleibt wohldefiniert 
unter der obigen 
Äquivalenzrelation , 
und die Faktormenge 
erweist sich als kommutative 
Gruppe mit dem neutralen Element  
und der Inversenbildung 
.[4]
Genauso wohldefiniert ist die induzierte Abbildung
weil äquivalente Repräsentanten denselben -Wert 
liefern. Aus der Summenformel 
des Arkustangens folgt 
Wendet man auf die Funktion  
die Funktion 
an, dann ergibt sich ein Homomorphismus 
 
mit 
auf die Kreisgruppe 
, 
dessen Kern 
das neutrale Element 
 
mit 
 
ist. Sind 
 
und 
 
mit der natürlichen Topologie ausgestattet, dann ist 
 
in beiden Richtungen stetig, mithin ein Homöomorphismus. 
Genauigkeitskontrolle
Mit einer kleinen Vorbereitung und mit nur einem Vergleich mehr als in den 
Fallunterscheidungen der Formel  
lässt sich das Konvergenzverhalten der Taylorreihe 
(des Arkustangens) kontrollieren und ggf. verbessern. 
Der Winkel von  
zeichnet sich dadurch aus, dass er ein ganzzahliger Bruchteil, nämlich ein 
Achtel, des vollen Winkels von 
 
ist und gleichzeitig sein Strahl durch ganzzahlige Koordinaten geht. Quadranten 
lassen sich in der Koordinatenebene so ausrichten, dass ihre Begrenzungen (die 
definitionsgemäß stets Strahlen sind) parallel zu den Koordinatenachsen zu 
liegen kommen. Bei Oktanten[5] 
kommen noch die Winkelhalbierenden 
als Begrenzungen hinzu. Die Feststellung, zu welchem der acht Oktanten ein Punkt 
 
gehört, ist bei einer derartigen Ausrichtung besonders einfach. 
- Schreibweise
 - In diesem Abschnitt werden in den Beziehungen zwischen Strahlen und 
  Winkeln die gewohnten Operatoren 
mit der darübergeschriebenen Tilde
verwendet, um auszudrücken, dass ein Strahl eine Äquivalenzklasse
ist. Und bei den Vergleichsoperatoren
wird der Strahl stets mit dem ihm
am nächsten liegenden Winkel verglichen.
 - Um Verwechslungen mit Koordinaten 
zu vermeiden, wird in den Dezimaldarstellungen statt des Kommas der Dezimalpunkt verwendet.
 
Im Folgenden wird versucht, einen beliebigen Strahl  
resp. Winkel 
 
mit einfachen und umkehrbaren Drehungen in das an der Polarachse symmetrische 
Winkelintervall 
 
zu drehen. Dann ist nämlich der Absolutbetrag des Arguments 
 
in der Taylorreihe des Arkustangens 
 
. 
In einer ersten Drehung wird der Strahl  
um 
 
gedreht, d.h. der Strahl 
gebildet. Der Oktant, in den dieser Strahl fällt, sei der -te, 
und die Nummerierung der Oktanten sei so gewählt, dass der erste das 
Winkelintervall 
 
abdeckt: 
| Nummer  seine untere und obere Begrenzung  | 
    ||||||||||||
| die obere als Strahl  | 
    ||||||||||||
| die obere als Polarwinkel  | 
    ||||||||||||
Vom derart bestimmten Oktanten wird der obere begrenzende Strahl genommen, 
der durch einen Punkt  
aus der in der Tabelle gezeigten Menge von Strahlen charakterisiert werden kann. 
(Alle diese Punkte haben ganzzahlige Koordinaten, und beim ersten Oktanten ist 
bspw. 
.) 
Dann ist 
 
oder 
.
Es folgt eine Drehung von , 
die zweite, jetzt um 
, 
so dass 
im gewünschten Winkelintervall ist. Um diese zweite Drehung von  
 
mit ganzzahligem 
 
muss das Ergebnis, wenn der Arkustangens berechnet ist, korrigiert werden. 
Die erste Drehung muss nur ungefähr  
betragen. Wenn sie davon etwas abweicht, etwa 
 
oder auch 
 
beträgt, dann wird der Strahl 
 
möglicherweise nicht so gut in das an der Polarachse symmetrische 
Winkelintervall eingepasst. Das Konvergenzverhalten verschlechtert sich aber 
wegen 
 
nur geringfügig auf 
. 
Nach der zweiten Drehung kann die Taylorreihe 
(an der Entwicklungsstelle ) 
entwickelt und die abschließende Korrektur
vorgenommen werden.
- Beispiele
 
- Der Ausgangsstrahl sei 
, was einem Winkel von ca.
entspricht. Durch die
-Addition von
kommen wir auf
, also in den
-ten Oktanten. Dessen obere Begrenzung liegt bei
. Wir bilden die Differenz
und berechnen
mit
und korrigieren mit
zum Endergebnis
.
 - Der Ausgangsstrahl sei 
, was einem Winkel von ca.
entspricht. Durch die
-Addition von
kommen wir auf
, also in den
-ten Oktanten. Das obere Ende des Oktanten liegt bei
. Da dieser Oktant die Sprungstelle
enthält, setzen wir bei diesem
-ten Oktanten im Fall
den Korrekturwinkel auf
. Wir bilden die Differenz
und berechnen
mit
und korrigieren mit
.
 
Verbindung zum komplexen Logarithmus
Man kann die Funktion  
für 
 
auch über den Hauptwert 
 
des komplexen 
Logarithmus definieren als 
mit der Argument-Funktion 
.
 Diese Funktion wird zum Beispiel in der inversen 
Kinematik benutzt, um Gelenkeinstellungen korrekt zu beschreiben. Dies ist 
allerdings nur eine andere formale Darstellung, denn zur Berechnung muss man 
 
mit 
 
bestimmen und dazu die gegebene kartesische Darstellung von 
 
in die Polarform überführen, wobei man im Endeffekt wieder auf die oben 
definierte 
-Funktion 
mit reellen Argumenten zurückgreift. 
Ableitungen
Die Funktion  
hängt von zwei Variablen ab und ist (außer im Ursprung) stetig differenzierbar, 
hat also zwei partielle 
Ableitungen. Für die Bedingung des ersten 
Falls und dessen Zuordnung ergibt sich 
Die Einschränkung auf den ersten Fall kann nachträglich fallen gelassen 
werden, so dass die Gleichungen für alle  
gelten.[12] 
Damit ist
der Gradient 
der Funktion , 
und seine Richtung ist an jedem Punkt 
 
senkrecht zum Radiusvektor 
in mathematisch positiver Drehrichtung. Das passt zu der Tatsache, dass der 
Funktionswert von 
, 
der Polarwinkel, in dieser Richtung zunimmt. 
Des Weiteren folgt für das totale Differential
Eine Integration 
dieses Differentials entlang eines Weges 
ergibt die Änderung des (Polar)winkels über den Weg. Ist der Weg geschlossen, so 
erhält man die Umlaufzahl 
(in Bezug auf den Ursprung ). 
Siehe auch
Anmerkungen
- ↑ 
  Die Begriffsbildung gestattet u.a. eine 
  einfachere und präzisere Spezifikation der Werte 
und
die der auf zwei Tangens-Perioden aufgeteilten Polstelle des Tangens entsprechen.
 - ↑ 
  Entsprechend den 2 Argumenten der 
-Funktion werden zwei Koordinaten
als unabhängige Variable und nicht nur der Quotient
aufgeführt.
 - ↑ 
  Diese Definition stimmt überein mit den Regeln 
  der komplexen 
  Multiplikation, welche auch dem Additionstheorem 
  des Tangens zugrunde liegen.
In diesem Artikel kommt es besonders auf ihre Eignung für ganzzahlige Koordinaten an. - ↑ 
  Von den komplexen Zahlen her weiß man, dass das 
  
-Inverse von
auf ganz
(und nicht nur auf
)
eine abelsche Gruppe ist, was aber im Text so nicht gebraucht wird.
 - ↑ Gemeint ist der Halbquadrant, der dem nautischen Gerät Oktant und der Windrose mit den vier Nebenhimmelsrichtungen entspricht, und nicht der dreidimensionale Oktant (Geometrie).
 - ↑ Die Ableitungen sind gebrochen rationale Funktionen und enthalten keine transzendente Funktion. Dieses Phänomen ist aber schon vom Arkustangens her bekannt.
 


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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 25.07. 2021