Semidirektes Produkt
In der Gruppentheorie, einem Teilgebiet der Mathematik, stellt das semidirekte Produkt (auch halbdirektes Produkt oder verschränktes Produkt) eine spezielle Methode dar, mit der aus zwei gegebenen Gruppen eine neue Gruppe konstruiert werden kann. Diese Konstruktion verallgemeinert das Konzept des direkten Produkts von Gruppen und ist selbst ein Spezialfall des Konzepts der Gruppenerweiterung zweier Gruppen.
Ist umgekehrt eine Gruppe mit zwei Untergruppen vorgegeben, so lässt sich an den Eigenschaften der letzteren erkennen, ob sie deren semidirektes Produkt ist.
Äußeres semidirektes Produkt
Definition
Gegeben seien zwei Gruppen  
und 
, 
sowie ein Homomorphismus 
 
der Gruppe 
 
in die Gruppe der Automorphismen 
von 
 
Das kartesische 
Produkt  
der Mengen 
 
und 
 
ist die Menge aller Paare 
 
mit 
 
und 
 
Es bildet mit der Verknüpfung 
 
der Paare 
- (A) 
eine Gruppe.
| Beweis | 
| Die Ersetzungsregel schafft die rechte Komponente des ersten Operanden beim Ergebnis in die rechte Komponente sowie die linke Komponente des zweiten Operanden in die linke. In der Tat erfüllt die mit dieser Verknüpfung ausgestattete Menge  Das Assoziativgesetz ergibt sich wie folgt: | 
Diese Gruppe wird (externes) semidirektes Produkt von  
und 
 
(mittels 
) 
genannt und als 
 
notiert, da der (vermittelnde) Homomorphismus 
 
die Struktur dieser Gruppe wesentlich mitbestimmt. Beispielsweise erhält man das 
direkte Produkt 
 
wenn man 
 
trivial wählt, also 
 
für alle 
 
Anders als beim direkten Produkt spielen in dieser Definition die beiden 
konstituierenden Faktoren unterschiedliche Rollen beim Aufbau des Produkts. 
Durch  
operiert 
die Gruppe 
 
auf 
 
nicht umgekehrt. Genauer: Die Regel (A) macht mit einem 
 
den Faktor 
 
zum Normalteiler. Gibt es verschiedene Homomorphismen 
 
dann sind bei gleichen Faktoren normalerweise die semidirekten Produkte 
verschieden (d.h. nicht isomorph). 
Während beim direkten Produkt beim Vertauschen der Faktoren zwar nicht 
dieselbe, aber eine isomorphe Struktur entsteht, fehlt beim Vertauschen im 
semidirekten Produkt die Gruppenoperation von  
auf 
 
Aus ähnlichen Gründen ist eine Erweiterung auf mehr als zwei Faktoren kaum 
sinnvoll und in der Literatur nicht üblich. Pointiert, wenn auch ungenau 
formuliert: Das semidirekte Produkt ist assoziativ, aber nicht kommutativ. 
Eigenschaften
- Das direkte Produkt , das sich zu beliebigen Gruppen und konstruieren lässt, ist ein semidirektes Produkt mit trivialem 
- Ist aus zwei beliebigen Gruppen und und einem das äußere semidirekte Produkt gebildet worden, dann enthält die Gruppe mit einen zu isomorphen Normalteiler und mit eine zu isomorphe Untergruppe und kann als inneres semidirektes Produkt von und aufgefasst werden. 
- Die Gruppe ist genau dann abelsch, wenn und abelsch sind und trivial ist. 
Inneres semidirektes Produkt
Gegeben sei eine Gruppe , 
ein Normalteiler 
 
und eine Untergruppe 
 dann sind die folgenden Bedingungen äquivalent: 
- ist das Komplexprodukt - , und die Untergruppen haben trivialen Durchschnitt 
- Zu jedem gibt es eindeutige und mit 
- Zu jedem gibt es eindeutige und mit 
- Es gibt einen Homomorphismus 
  , der elementweise fixiert und dessen Kern ist. 
- Die Hintereinanderausführung 
  der Einbettung und der kanonischen Abbildung ist ein Isomorphismus 
Definition
Ist eine dieser Bedingungen erfüllt, dann ist  
das (interne) semidirekte Produkt von 
 
und 
 
in Zeichen 
Die Komponenten  
und 
 
spielen unterschiedliche Rollen und sind im Allgemeinen nicht vertauschbar. Der 
Normalteiler steht immer auf der offenen Seite des Zeichens 
 
meist wird er zuerst notiert. 
Zerfallende kurze exakte Sequenz (Splitting-Lemma)
Die letzten beiden der obigen Bedingungen sind andere Formulierungen des Zerfällungs-Lemmas:
- Eine Gruppe ist genau dann isomorph zum semidirekten Produkt zweier Gruppen und , wenn es eine kurze exakte Sequenz gibt 
- 
  
- sowie einen Homomorphismus , so dass die Identität auf ist. Man sagt: die exakte Sequenz zerfällt oder zerfällt in der kurzen exakten Sequenz oder zerfällt über 
Der das semidirekte Produkt  
vermittelnde Homomorphismus 
 
ist 
Wegen der Normalteilereigenschaft von  
ist 
 
für alle 
 
so dass 
 
stets definiert ist. 
Das Lemma ist ein Kriterium für Semidirektheit sowohl im internen wie im 
externen Fall, bei dem  
und 
 
nicht Untergruppen sind. 
Beispiele
- In der Liste 
  kleiner Gruppen ist als nicht-kommutative Gruppe der Ordnung 16 das 
  semidirekte Produkt ohne Angabe eines vermittelnden Homomorphismus aufgeführt. Nun besteht die Automorphismengruppe aus 2 Elementen, die den primen Restklassen in entsprechen. Das triviale mit vermittelt als semidirektes Produkt die kommutative Gruppe Das nicht-kommutative semidirekte Produkt wird von vermittelt. Es bestehen dann folgende Formeln, wobei alle Angaben in d.h. modulo 4, zu verstehen sind: 
- 
  - ist das neutrale Element. 
- . 
 
- Insbesondere ist , woran man erkennt, dass die Gruppe nicht kommutativ ist. 
- Es gibt 4 (nicht-isomorphe) Gruppen, die semidirektes Produkt der 
  zyklischen Gruppen und sind. Diese semidirekten Produkte entsprechen den 4 Automorphismen des Restklassenrings , die wiederum den primen Restklassen entsprechen. 
- 
  - Das direkte Produkt 
- Die Quasi-Diedergruppe 
    der Ordnung 16 
- Die nicht-hamiltonsche, 
    nichtabelsche Gruppe der Ordnung 16 (engl. Iwasawa-Gruppe) 
- Die Diedergruppe 
    der Ordnung 16 
 
- Das direkte Produkt 
- Die Einheitengruppe 
  der Hurwitzquaternionen ist semidirektes Produkt der nicht-kommutativen Quaternionengruppe und der zyklischen Gruppe mit 
- Die Gruppe der Automorphismen einer komplexen oder reellen einfachen Lie-Algebra ist das semidirekte Produkt der Gruppe der inneren Automorphismen mit der Gruppe der „äußeren Automorphismen“ , das heißt die folgende kurze exakte Sequenz zerfällt: . 
Theorie endlicher Gruppen
- Die Diedergruppe 
  , also die Symmetriegruppe eines ebenen regelmäßigen -Ecks, ist isomorph zum semidirekten Produkt der zyklischen Drehsymmetriegruppe (die durch eine zyklische Vertauschung der Ecken des Vielecks beschrieben werden kann) mit einer zweielementigen zyklischen Gruppe . Das Element operiert dabei durch 
- 
  
- auf , d.h. die Konjugation mit σ entspricht der Inversenbildung in . Das Element kann als Spiegelung des Vielecks an einer seiner Symmetrieachsen aufgefasst werden. 
- Für ist die Symmetrische Gruppe isomorph zu einem semidirekten Produkt ihres Normalteilers (der alternierenden Gruppe) und einer zweielementigen zyklischen Gruppe . Das Element operiert auf , indem in der Permutationsdarstellung von die Zahlen und vertauscht werden ( ). Als inneres semidirektes Produkt aufgefasst: Für ist die Symmetrische Gruppe ein semidirektes Produkt ihres Normalteiler mit ihrer durch eine beliebige Transposition erzeugten Untergruppe . 
- Der Satz von Schur-Zassenhaus ist ein Kriterium, wann man eine endliche Gruppe als ein semidirektes Produkt schreiben kann.
Der Holomorph einer Gruppe
Verwendet man speziell den Homomorphismus  
als vermittelnden, so erhält man als semidirektes Produkt 
 
den Holomorph 
von 
 
Anwendungsbeispiele in Transformationsgruppen
Wichtige Beispiele semidirekter Produkte sind
Euklidische Gruppe
Ein Beispiel ist die euklidische 
Gruppe . 
Jede orthogonale Matrix 
 
beschreibt einen Automorphismus im Raum der Translationen 
 
durch 
Eine Bewegung  
operiert auf Punkten 
 
durch 
 und es gilt 
- . 
Somit gilt für Produkte in : 
- . 
Dieses Produkt ist nicht abelsch, denn es gilt für  
und 
: 
Poincaré-Gruppe
Die Poincaré-Gruppe, 
die das semidirekte Produkt der Gruppe der Translationen  
und der Gruppe der Lorentztransformationen 
 
ist. Das Element 
 
aus 
 
bezeichne eine Verschiebung mit dem Vektor 
. 
Der Homomorphismus 
 
ist dann durch 
 
für jede Lorentztransformation 
 
und jeden Vektor 
 
gegeben. Die Poincaré-Gruppe ist besonders wichtig für die spezielle 
Relativitätstheorie, wo sie als Invarianzgruppe 
auftaucht. 
Siehe auch

 Wikipedia.de
 
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 02.01. 2020