Schlangenlemma
Das Schlangenlemma, eine in allen abelschen Kategorien gültige Aussage aus dem mathematischen Teilgebiet der homologischen Algebra, ist ein Werkzeug zur Konstruktion der dort betrachteten langen exakten Sequenzen. Wichtige Anwendungen findet es beispielsweise in der algebraischen Topologie. Die mit dem Schlangenlemma konstruierten Homomorphismen werden üblicherweise als Verbindungshomomorphismen bezeichnet.
Aussage
In einer abelschen Kategorie (etwa der Kategorie der abelschen Gruppen oder der Vektorräume über einem gegebenen Körper) sei das folgende kommutative Diagramm gegeben:
Hierbei seien die Zeilen exakt und
bezeichne das Nullobjekt.
Dann gibt es eine exakte Sequenz, die die Kerne
und Kokerne
von
,
,
in Beziehung setzt:
Ist außerdem
ein Monomorphismus,
so ist das auch der Morphismus
.
Ist
ein Epimorphismus, so gilt
das auch für
.
In der Kategorie der Gruppen
gilt das Schlangenlemma dagegen nur unter Zusatzvoraussetzungen an die Homomorphismen ,
,
(siehe unten).
Herkunft des Namens
Erweitert man das Diagramm um Kerne und Kokerne, so sieht man, wie sich die behauptete exakte Sequenz durch das Diagramm „schlängelt“:
Beweis
Für den Beweis nimmt man zunächst an, dass das Diagramm die Kategorie der Moduln über einem Ring betrifft. Dies gestattet es, die Behauptung durch Diagrammjagd nachzuweisen. Die Gültigkeit für den Fall einer beliebigen abelschen Kategorie ergibt sich dann aus dem Einbettungssatz von Mitchell.
Konstruktion der Homomorphismen
Die Homomorphismen zwischen den Kernen bzw. Kokernen werden in natürlicher
Weise von den gegebenen horizontalen Homomorphismen über die universellen
Eigenschaften von Kern bzw. Kokern induziert. Die wesentliche Aussage des
Lemmas ist die Existenz des Verbindungshomomorphismus ,
der die Sequenz vervollständigt.
Im Falle der Kategorie abelscher Gruppen oder von Moduln über einem Ring kann
man
elementweise durch Diagrammjagd
konstruieren: Sei
gegeben, d.h. ein
mit
.
Wegen der Surjektivität
von
gibt es ein
mit
.
Wegen
gibt es ein (wegen der Injektivität von
eindeutiges)
mit
.
Definiere
als das Bild von
in
.
Die Wahl von
war hierbei nicht eindeutig, wegen der Exaktheit bei
hat jedoch jede andere Wahl die Form
für geeignetes
.
Als Folge wird
durch
ersetzt, was dann jedoch auf denselben Wert für
führt. Somit ist die Abbildung
wohldefiniert.
Hat man zu
jeweils
sowie
mit
und
gewählt, so kann man zu
offenbar
sowie
wählen:
,
.
Hieraus ergibt sich
.
Ebenso folgt, wenn
ein Ringelement ist, aus
und
,
dass
ist. Somit ist die Abbildung
linear, also ein Homomorphismus.
Komplexeigenschaft
Dass die Schlangensequenz einen Komplex bildet, dass also zwei „Pfeile“ hintereinander stets die Nullabbildung ergeben, folgt rasch:
- Die Abbildung
wird induziert von
- Für die Abbildung
sei
und
. Dann kann man in der obigen Konstruktion von
ebendieses
wählen, woraus sich
, dann
und somit
ergibt.
- Für die Abbildung
sei
. Mit den Bezeichnungen wie in der Konstruktion oben ergibt sich das Bild in
aus
. Da dies in
liegt, ergibt sich 0.
- Die Abbildung
wird induziert von
Exaktheit
Die Exaktheit der Homomorphismen zwischen den Kernen, zwischen den Kokernen sowie an Anfangs- und Endpunkt des Pfeils d weist man wiederum durch Diagrammjagd nach:
- Exaktheit bei
: Ist
mit
, so immerhin
für ein
. Wegen
und der Injektivität von
folgt
, also in der Tat wie erforderlich
für ein
.
- Exaktheit bei
: Sei
mit
. Mit den Bezeichnungen von oben ist dann
für ein
. Dann ist
, folglich
für ein
. Damit wird
- Exaktheit bei
: Ein Element
von
stammt stets von einem
. Dass es auf
abgebildet wird, bedeutet, dass
im Bild von
liegt. Sei
mit
und setze
. Dann gilt
. Somit ist
und es wird, so wie es nach Konstruktion auf das gegebene
abgebildet.
- Exaktheit bei
: Ist
und wird
auf die Null in
abgebildet, so gilt
für ein
. Wegen der Surjektivität von
gibt es ein
mit
. Dann
, also
für ein
. Beim Übergang zu den Kokernen fällt
weg, also ist
das Bild von
.
Die letzten drei Punkte nutzen aus, dass die vertikalen Sequenzen exakt sind.
Natürlichkeit
Für Anwendungen des Schlangenlemmas ist es häufig nötig, dass die langen exakten Sequenzen „natürlich“ sind (im Sinne einer natürlichen Transformation). Dies ergibt sich dann aus der Natürlichkeit der vom Schlangenlemma gelieferten Sequenz.
Ist
ein kommutatives Diagramm mit exakten Zeilen, so kann man das Schlangenlemma einmal auf den "vorderen" Teil anwenden und einmal auf den "hinteren". Die beiden sich ergebenden exakten Sequenzen stehen miteinander über ein Diagramm der Form
in Beziehung.
Man kann dies auch durch Anwendung des Schlangenlemmas auf die Kategorie der Morphismen zwischen Objekten der ursprünglichen Kategorie erkennen.
Kategorie der Gruppen
Da eine Reihe von Sätzen der homologischen Algebra nicht nur für abelsche Kategorien, sondern auch für die Kategorie der Gruppen Gültigkeit haben, sei darauf hingewiesen, dass dies für das Schlangenlemma nicht der Fall ist. Zwar findet man auch hier einen natürlichen Verbindungshomomorphismus d, jedoch ist die lange Folge lediglich ein Kettenkomplex und nicht notwendigerweise exakt. Nur wenn die vertikalen Sequenzen exakt sind, d.h. die Bilder unter a, b und c jeweils Normalteiler in A, B bzw.C sind, funktioniert der Beweis der Exaktheit auch für Gruppen.
Die einfache
alternierende
Gruppe
enthält eine zur symmetrischen
Gruppe
isomorphe Untergruppe, in der wiederum die zyklische
Gruppe
ein Normalteiler ist. Hieraus
erhält man ein kommutatives Diagramm
mit exakten Zeilen.
Da
einfach ist, ist der Kokern der rechten Abbildung trivial, während
isomorph zu
ist. Die lange Sequenz hat daher die Form
und ist folglich nicht exakt.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 27.07. 2019