Hochspannungsleitung

Hochspannungsleitungen sind Stromleitungen zur Übertragung von elektrischer Energie über große Distanzen. Da bei gleichbleibender elektrischer Leistung die Übertragungsverluste umso geringer sind, je höher die zur Übertragung verwendete Elektrische Spannung und je kleiner der damit übertragene Elektrische Strom ist, werden sie mit Spannungen über 10 kV bis etwa 1 MV betrieben.

Hochspannungsleitungen in Deutschland (fotografiert an der A8 bei Kirchheim u. Teck). Links: 110-kV-Leitung mit vier Systemgruppen und einem Erdseil. Die beiden oberen Systeme verwenden Bündelleiter mit zwei Seilen, die beiden Systeme an der untersten Traverse Einfachseile. Rechts: Leitung mit zwei Systemgruppen, 380 kV, drei Leiter je Phase im Bündel und zwei Erdungsseile

Freileitungen

Warnzeichen

Hochspannungsleitungen werden in vielen Ländern vorwiegend als Freileitung gebaut, da sie in den meisten Fällen preiswerter, wartungsfreundlicher und verlustärmer als Erdkabel und Seekabel sind. Hochspannungsleitungen werden üblicherweise mit Dreiphasenwechselstrom betrieben, was gegenüber einer Gleichspannungsübertragung den Vorteil einer einfachen Spannungsänderung mit Transformatoren bietet. Denn um eine hohe elektrische Leistung mit geringen Verlusten übertragen zu können, sind hohe Spannungen erforderlich. Andererseits bringt die Wechselspannungsübertragung – vor allem bei großen Entfernungen – auch höhere Übertragungsverluste durch kapazitive wie induktive Effekte mit sich.

Die stromführenden Leiterseile werden an Masten mit Isolatoren befestigt. Die Leiterseile bestehen in der Regel aus Aluminiumdrähten, die eine hohe elektrische Leitfähigkeit aufweisen, sowie einer Stahlseele, die eine hohe mechanische Zugfestigkeit gewährleistet. Die Seile haben keine eigene Isolierung, sie sind blank und werden nur durch die umgebende Luft isoliert. Der Leitungswiderstand wird durch den Querschnitt der Leitungen und die elektrische Leitfähigkeit des verwendeten Materials bestimmt.

Pro Leiterseil kann maximal eine Stromstärke von etwa 2 Kiloampere transportiert werden. Der Verbesserung des Übertragungswirkungsgrads mit höheren Spannungen durch einen relativ dazu geringeren ohmschen Verlust stehen andere Verluste wie die durch Koronaentladung entgegen. Höchstspannungsleitungen zur Übertragung elektrischer Leistung über große Distanzen haben überwiegend eine Spannung von 380 kV.

Im Gegensatz zu ausreichend isolierten Erdkabeln stellen hochspannungsführende Freileitungen jedoch eine erhöhte Gefahr dar, da bereits bei der kontaktlosen Annäherung Lichtbögen möglich sind und diese (bei ausreichender Stromstärke) Personen oder andere Lebewesen lebensgefährlich verletzen oder Brände von Gegenständen verursachen können. Daher müssen die empfohlenen Sicherheitsabstände beachtet werden, die mit zunehmender Spannung steigen.

Übertragungsverluste

Bei der Energieübertragung in Hochspannungsleitungen treten Verluste primär durch den ohmschen Leitungswiderstand und in geringem Ausmaß durch Koronaentladungen auf.

Bei Betrieb einer Drehstrom-Hochspannungsleitung muss weiter deren Blindleistung kompensiert werden (Blindleistungskompensation). Der Blindleistungsbedarf der Leitung ergibt sich aus Kapazitäts- und Induktivitätsbelag, der unter anderem von der Form der Freileitungsmasten, von der Leiteranordnung am Mast und vom Leiterquerschnitt abhängt. Typische Werte der Betriebskapazitäten bei 380-kV-Hochspannungsleitungen liegen in der Größenordnung von 5 nF/km bis 10 nF/km, bei niedrigeren Spannungsebenen sind höhere Werte üblich. Jedoch überwiegen bei Freileitungen im Gegensatz zu Kabeln meist die Induktivitätsbeläge. Um den Blindleistungsbedarf in allen Leitern gleich zu halten, werden Freileitungen durch Verdrillmasten in regelmäßigen Abständen symmetriert.

Zur Blindstromkompensation der Leitung befinden sich bei den Leistungstransformatoren an Tertiärwicklungen spezielle statische Blindleistungskompensatoren, wobei der Blindstrom am Anfang der Leitung zusätzliche ohmsche Verluste im Leiter verursacht und somit den Gesamtstromanteil der Leitung reduziert. Eine Blindleistungskompensation der Leitung liegt dann vor, wenn die natürliche Leistung übertragen wird, das bedeutet, dass die Lastimpedanz dem Wellenwiderstand der Leitung entspricht. Je höher die Spannungsebene, bei ungefähr gleicher Betriebskapazität, desto höher ist der Blindleistungsbedarf einer Hochspannungsleitung, weshalb bei Wechselspannungsbetrieb die obere Betriebsspannung nicht nur durch die Verluste wie die Koronaentladungen limitiert ist. Das 380-kV-Netz wird daher fast ausschließlich in Form von Freileitungen realisiert, Erdkabel kommen nur in Ausnahmefällen und auf kurzen Strecken zur Anwendung.

Bei der technisch aufwändigeren Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) gibt es durch die Gleichspannung keine Blindleistung. Die HGÜ wird dort eingesetzt, wo konstruktionsbedingt hohe Betriebskapazitäten entlang der Leitung auftreten, wie bei erdverlegten Hochspannungskabeln und insbesondere bei Seekabeln. Ein weiteres Einsatzgebiet ist die Übertragung von elektrischer Energie mit Höchstspannung über weite Strecken.

Ohmsche Verluste

Beispiel für Leistungsverluste auf einer Leitung

Gegeben: Leitungswiderstand R

Übertragene Wirkleistung P und Scheinleistung S

I={\frac {S}{U}}={\frac {P}{U\cdot \cos \varphi }}
P_{\text{verlust}}=I^{2}\cdot R=\left({\frac {P}{U\cdot \cos \varphi }}\right)^{\!2}\!\cdot R

d.h., die Verlustleistung nimmt bei gleicher Wirkleistung quadratisch mit der Spannung ab. Allerdings wird der Aufwand für die Isolation mit zunehmender Spannung größer. Die Übertragungsverluste betragen etwa 6 % je 100 km bei einer 110-kV-Leitung und lassen sich mit 800-kV-Höchstspannungsleitungen auf etwa 0,5 % je 100 km reduzieren.

Koronaentladung

Höchstspannungsleitungen werden im Rahmen des europäischen Verbundsystems (vormals „UCTE-Verbundnetz“) mit Spannungen dauerhaft bis zum 1,15-fachen der Nennspannung betrieben, die als Effektivwert angegeben wird. Dies führt bei einem 380-kV-System zu einer Betriebsspannung bis 437 kV; bei der verwendeten Sinusform ergibt sich ein Scheitelwert von etwa 620 kV zwischen den Leitern. Immer dann, wenn dieser Scheitelwert erreicht wird, ist die elektrische Feldstärke rund um die Leitung so groß, dass die Durchschlagsfestigkeit der Luft fast erreicht ist. Dann wird die Luft in unmittelbarer Umgebung des Leiterseiles ionisiert, also schwach leitfähig, und es geht Leistung verloren. Da dieser Effekt an Spitzen besonders ausgeprägt ist, wird die Feldstärke an diesen Stellen durch Koronaringe reduziert. Je größer der Krümmungsradius, desto geringer ist die elektrische Feldstärke an der Oberfläche und die dadurch entstehende Koronaentladung. Mit Hilfe der Koronakamera kann der ultraviolette Lichtanteil der Koronaentladungen optisch erfasst werden.

Ein weiteres Mittel zur Reduktion der Spitzenentladung ist die Vergrößerung des Krümmungsradius der Leitung durch Parallelschaltung von zwei bis vier Einzelseilen zu einem Bündelleiter. Die einzelnen Leiter des Bündelleiters werden dabei durch Abstandshalter auf exakten Abstand zueinander gehalten. Durch den vergrößerten Radius des Leiterverbundes wird die elektrische Feldstärke an der Oberfläche des Leiterbündels reduziert.

Trotz aller dieser Maßnahmen steigen die Verluste durch Koronaentladungen oberhalb einer Betriebsspannung von 500 kV erheblich an. Für die Koronaentladung ist insbesondere die Spannung zwischen Leiterseil und Erdpotential bestimmend. Diese Spannung ist bei Dreiphasennetzen um den Verkettungsfaktor 1/{\sqrt {3}} kleiner als die angegebene Spannung zwischen zwei Außenleitern. Sie beträgt bei 380-kV-Höchstspannungsleitungen beispielsweise 220 kV.

Koronaentladungen führen zur Emission von meist ultravioletten Lichtblitzen, die für den Menschen unsichtbar sind. Viele Tiere können UV-Licht jedoch wahrnehmen. Dies wird als eine Ursache dafür gesehen, dass einige Tiere Hochspannungsleitungen meiden.

Erd- und Seekabel

Neben Freileitungen gibt es auch die Möglichkeit, Hochspannungsleitungen über vergleichsweise kurze Distanzen bis zu einigen 10 km als Erdkabel oder als gasisolierter Rohrleiter (GIL) unterirdisch zu verlegen. Dies betrifft vor allem obere Spannungsebenen mit Betriebsspannungen um 380 kV und darüber. Bei der Netzfrequenz 50 Hertz (also bei Wechselstrom) dürfen Erdkabel maximal 70 km lang sein, weil bei größeren Längen die kapazitiven Blindströme zu groß werden.

Bei Übertragungen von hohen Spannungen über weite Wasserstrecken hinweg werden bevorzugt Seekabel eingesetzt; hierbei wird häufig das Verfahren zur Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) mit Spannungen zwischen 100 kV und 1 MV angewendet, um Verlusten durch hohen kapazitiven Belag bei der Verwendung von Wechselstrom entgegenzuwirken. Im Unterschied zu Drehstromsystemen gibt es bei HGÜ-Systemen keine Normspannungen. Mehrfach realisiert wurden ±500 kV (also 1 MV zwischen Hin- und Rückleiter).

Hochtemperatursupraleitungen

Durch die Verwendung von GdBa2Cu3O7-δ anstatt Kupfers und Füllung eines Kabelkanals mit flüssigem Stickstoff konnten Hochtemperatursupraleitungen entwickelt werden, die fast 70 % mehr Leitungsfähigkeit nachweisen als die bisherigen Kabel. Diese werden voraussichtlich 2020 auf den Markt kommen.

Landesspezifische Besonderheiten

Hochspannungsfreileitung durch das Stadtgebiet von Istanbul
Freileitungen für 735 kV in Kanada
Extravagante Freileitungsmasten bei Pavia, Italien

In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist der Eisenbahnbetrieb überwiegend auf den Betrieb mit Einphasenwechselstrom von 15 kV und 1623 Hz zugeschnitten (wobei die Frequenz inzwischen auf den Dezimalbruchwert von 16,7 Hz festgelegt wurde). Zur flächendeckenden Versorgung mit diesem Stromsystem gibt es daher in diesen Ländern noch separate Bahnstromleitungen neben den üblichen Drehstromfernleitungen. Elektrische Bahnen, die das verbreitete Einphasenwechselstromsystem mit 25 kV / 50 Hz benutzen, könnten theoretisch aus dem 50-Hz-Dreiphasensystem versorgt werden, jedoch unterbleibt dies meist, weil hierbei stark unsymmetrische Lastverteilungen in den Fernleitungen des Dreiphasensystems auftreten können.

In Mitteleuropa werden Hochspannungsleitungen in dichtverbauten städtischen Gebieten fast ausschließlich als Erdkabelsystem realisiert, auch wenn deren Betrieb kostenintensiver als Freileitungen ist. In der Türkei, wie beispielsweise bei der Bosporusquerung in Istanbul, werden Hochspannungsleitungen auch durch Stadtgebiete als Freileitung geführt.

In Deutschland, sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik Deutschland, wurden so gut wie keine Deltamaste errichtet. Der Grund liegt darin, dass Deltamasten nur Platz für ein Dreiphasensystem bieten, während die Tonnenmasten und auch Donaumasten zwei unabhängige Dreiphasensysteme aufnehmen können. Diese können unabhängig voneinander betrieben werden, was im Falle von Störungen oder Wartungsarbeiten wichtig ist. Bei Deltamasten müssen für zwei unabhängige Dreiphasensysteme zwei getrennte Trassen mit entsprechend mehr Flächenbedarf vorgesehen werden, was insbesondere in dichter besiedelten ländlichen Regionen ein Problem darstellt. In der DDR wurden fast alle Leitungen der 110- und 220-kV-Ebene auf Masten mit Einebenenanordnung mit zwei Erdseilen verlegt. In Großbritannien hingegen sind fast alle Hochspannungsleitungen auf Masten mit Dreiebenenanordnung verlegt.

In den USA werden auch Leitungen mit Spannungen über 100 kV (bis 345 kV) manchmal auch auf Holz- oder Kunststoffmasten mit einer Isoliertraverse verlegt. Das Stromnetz wird dort in mehreren, nicht miteinander synchronisierten Teilnetzen betrieben. In vielen dünn besiedelten Ländern mit geringer Landwirtschaft werden Leitungen teilweise auf seilverankerten Portalmasten verlegt.

In der Provinz Québec in Kanada besteht ein ausgedehntes Dreiphasenwechselstromnetz, das mit einer Nennspannung von 735 kV und 315 kV von Hydro-Québec betrieben wird.

Spannungsangaben bei Hochspannungsleitungen

Die Spannungsangaben im Hoch- und Höchstspannungsnetz beziehen sich immer auf die Nennwerte der Netzspannung. Diese sind in den Netz- und Systemregeln der deutschen Übertragungsnetzbetreiber je nach Spannungsebene mit 110, 220 und 380 kV festgelegt. In der europäischen Leitlinie für den Übertragungsnetzbetrieb ist für den Normalbetrieb des Netzes im 110-kV-Netz und im 220-kV-Netz ein Spannungsband von 0,90 pu – 1,118 pu und im 380-kV-Netz ein Spannungsband von 0,90 pu – 1,05 pu festgelegt. Damit sind im Normalbetrieb folgende Spannungen zulässig:

Höchste Übertragungsspannung

Die Drehstromleitung Ekibastus–Kökschetau in Kasachstan ist eine Freileitung, die mit der höchsten Dreiphasenwechselspannung von 1,150 MV zwischen den Außenleitern betrieben wird.

In der Nähe von Celilo, Oregon, USA wurde eine HGÜ-Versuchsleitung für 1,33 MV errichtet. Sie sollte Teil einer 1,33-MV-Gleichstromleitung zwischen Celilo und dem Hoover Dam werden, die aber nie gebaut wurde. Die höchste Gleichspannung bei einer im Einsatz befindlichen Anlage liegt aktuell bei ±1100 kV (2,2 MV zwischen den beiden Leitern) Die UHVDC zwischen Changji, China und Xuancheng, nahe Hangzhou, China mit ca. 12000 MW Übertragungsleistung.

Technische Besonderheiten / Freileitungsbau

Die 91,7 km lange Freileitung über den Eagle River im Tongass National Forest in Südostalaska verbindet über 243 Masten das Kraftwerk Lake Tyee mit dem Kraftwerk Swan Lake Dam. Die Leitung wurde ohne Straßenbau mit Hubschraubern errichtet. Die zwölfeckigen Masten wurde per Presssitz auf konische Aufnahmen gesetzt, die über Felsbohrungen verankert wurden. Das längste Spannfeld der Leitung (2,1 km) erfordert für das Leiterseil eine Zugkraft von 66,7 kN.

Literatur

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 11.03. 2023