Cyanwasserstoff

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP), ggf. erweitert
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Gefahr

H- und P-Sätze H:
  • Flüssigkeit und Dampf extrem entzündbar.
  • Lebensgefahr bei Verschlucken, bei Hautkontakt oder bei Einatmen.
  • Schädigt die Organe (alle betroffenen Organe nennen) bei längerer oder wiederholter Exposition (Expositionsweg angeben, wenn schlüssig belegt ist, dass diese Gefahr bei keinem anderen Expositionsweg besteht).
  • Sehr giftig für Wasserorganismen mit langfristiger Wirkung.
P:
  • Von Hitze, heißen Oberflächen, Funken, offenen Flammen und anderen Zündquellen fernhalten. Nicht rauchen
  • Staub / Rauch / Gas / Nebel / Dampf / Aerosol nicht einatmen.
  • Nicht in die Augen, auf die Haut oder auf die Kleidung gelangen lassen.
  • Freisetzung in die Umwelt vermeiden.
  • Schutzhandschuhe/ Schutzkleidung/ Augenschutz/ Gesichtsschutz/ Gehörschutz/ … tragen
  • Bei Berührung mit der Haut [oder dem Haar]: Alle kontaminierten Kleidungsstücke sofort ausziehen. Haut mit Wasser abwaschen [oder duschen].
  • Bei Einatmen: Die Person an die frische Luft bringen und für ungehinderte Atmung sorgen.
  • Sofort Giftinformationszentrum, Arzt oder … anrufen.
  • Inhalt / Behälter … zuführen.(Die vom Gesetzgeber offen gelassene Einfügung ist vom Inverkehrbringer zu ergänzen)
MAK DFG/Schweiz: 1,9 ml/m3 bzw. 2,1 mg/m3
Toxikologische Daten

Cyanwasserstoff (Blausäure) ist eine farblose bis leicht gelbliche, brennbare, flüchtige und wasserlösliche Flüssigkeit. Die Bezeichnung Blausäure rührt von der Gewinnung aus Eisenhexacyanoferrat (Berliner Blau) her, einem lichtechten tiefblauen Pigment. Blausäure kann als Nitril der Ameisensäure angesehen werden (der Nitrilkohlenstoff hat die gleiche Oxidationsstufe wie der Carboxylkohlenstoff), daher rührt auch der Trivialname Ameisensäurenitril.

Blausäure ist hochgiftig. Ihre tödliche Wirkung wurde in der Geschichte verschiedentlich gegen Menschen eingesetzt und fand auch Eingang in die Literatur (Kriminalromane). Industriell wird Blausäure als Vorprodukt und Prozessstoff sowie zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt.

Nach verbreiteter Auffassung geht von Blausäure ein charakteristischer Geruch nach Bittermandeln aus. Der tatsächliche Geruch der Substanz wird jedoch in der Literatur nicht einhellig so beschrieben und von manchen Menschen abweichend wahrgenommen, z.B. „dumpf“ oder „scharf“. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung nimmt den Geruch von Blausäure überhaupt nicht wahr (siehe auch Handhabung).

Eigenschaften

Blausäure ist in Wasser eine sehr schwache Säure, die schon von Kohlensäure aus ihren Salzen, den Cyaniden, getrieben wird und nur zu einem kleinen Anteil dissoziiert:

{\displaystyle {\ce {HCN + 3 H2O -> HCOOH + NH4OH}}}

Ihr pKs-Wert wird, je nach Quelle, mit 9,04 bis 9,31 angegeben. Die Dissoziationskonstante beträgt 4,0·10−10. Blausäure ist hochentzündlich, Gemische mit Luft sind im Bereich von 5,4–46,6 Vol.-% explosiv. Da Blausäure zudem mit Wasser in jedem Verhältnis mischbar ist, besteht beim Löschen von Bränden die Gefahr einer Kontamination des Grundwassers. Daher wird gegebenenfalls ein kontrolliertes Abbrennen in Betracht gezogen.

Blausäure kann in einer autokatalysierten Reaktion spontan polymerisieren oder in die Elemente zerfallen. Diese Reaktion ist stark exotherm und verläuft explosionsartig. Sie wird durch geringe Mengen an Basen initiiert und durch weitere Base, die sich dabei bildet, beschleunigt. Wasserhaltige Blausäure ist dabei instabiler als vollkommen wasserfreie. Es entsteht ein braunes Polymer. Aus diesem Grund wird Blausäure durch Zugabe geringer Mengen an Säuren, wie Phosphor- oder Schwefelsäure, stabilisiert. Die Säure neutralisiert die Basen und vermeidet eine Durchgehreaktion.

Nachweis

Toxikologie

Toxizität

Blausäure ist extrem giftig, schon 1–2 mg Blausäure pro kg Körpermasse wirken tödlich. Die Aufnahme kann, neben der direkten Einnahme, auch über die Atemwege und die Haut erfolgen. Letzteres wird durch Schweiß begünstigt, da Blausäure eine hohe Wasserlöslichkeit besitzt.

Konzentration in Luft
(ppm)
Auswirkungen
2–5 Wahrnehmungsgrenze durch Geruch
10 PEL Expositionsgrenze
20–40 Leichte Symptome nach mehreren Stunden
45–54 30 bis 60 Minuten lang tolerierbar
ohne sofortige oder nachträgliche Schädigung
100–200 Tödlich nach 30 bis 60 Minuten
300 Sofort tödlich
Strukturformel
Struktur von Cyanwasserstoff
Allgemeines
Name Cyanwasserstoff
Andere Namen
  • Ameisensäurenitril
  • Blausäure
  • Cyanwasserstoffsäure
  • Formonitril
  • Hydrogencyanid
  • Zyklon
Summenformel HCN
CAS-Nummer 74-90-8
PubChem 768
Kurzbeschreibung farblose, nach Bittermandeln riechende Flüssigkeit
Eigenschaften
Molare Masse 27,03 g/mol
Aggregatzustand flüssig
Dichte 0,69 g/cm3
Schmelzpunkt −13 °C
Siedepunkt 26 °C
Dampfdruck 816 hPa (20 °C)
pKs-Wert 9,40
Löslichkeit mit Wasser vollständig mischbar
Brechungsindex 1,2614 (20 °C)
Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0 108,9 kJ/mol

Die primäre Giftwirkung besteht in der Blockade der Sauerstoff-Bindungsstelle in der Atmungskette der Körperzellen. Dabei bindet sich das Cyanid irreversibel an das zentrale Eisen(III)-Ion des Häm-a3-Kofaktors in der Cytochrom-c-Oxidase in den Mitochondrien. Durch die Inaktivierung des Enzyms kommt die Zellatmung zum Erliegen, die Zelle kann den Sauerstoff nicht mehr zur Energiegewinnung verwerten, und es kommt damit zur sogenannten „inneren Erstickung“. Der Körper reagiert auf den vermeintlichen Sauerstoffmangel mit einer Erhöhung der Atemfrequenz, was gegebenenfalls die Aufnahme von gasförmiger Blausäure weiter erhöht. Schließlich sterben die Zellen an Sauerstoff- und ATP-Mangel.

Die Bindung des Cyanids an Eisen(II)-Ionen ist vergleichsweise schwach. Die Inaktivierung des Hämoglobins spielt daher bei Vergiftungen eine untergeordnete Rolle.

Vergiftungssymptome

Eine hellrote Färbung der Haut ist ein typisches Anzeichen einer Cyanidvergiftung: Auch venöses Blut ist noch mit Sauerstoff angereichert, da der Sauerstoff von den Zellen nicht verwertet werden kann. Aus gleichem Grund finden sich nach einer Vergiftung durch Blausäure bei dem Toten leuchtend rote Leichenflecke (Livores), welche neben dem genannten Bittermandelgeruch ein wichtiges Indiz für einen unnatürlichen Tod sind. Bei einer Vergiftung mit sehr hohen Konzentrationen kommt es nach wenigen Sekunden zur Hyperventilation, Atemstillstand, Bewusstlosigkeit und innerhalb von wenigen Minuten zum Herzstillstand. Eine hellrote Färbung der Haut bleibt in diesen Fällen oft aus.

Symptome für eine Vergiftung sind unter anderem:

Antidot (Gegengift)

Bei Cyanid-Vergiftungen wird zunächst 4-Dimethylaminophenol (4-DMAP) als Antidot eingesetzt. Dieses wandelt Fe(II) in Fe(III) um, was zu einer Methämoglobin-Bildung führt. Das Methämoglobin bindet die Cyanidionen. Gemessen am gesamten Hämoglobin genügt schon eine geringe Menge an Methämoglobin, um einen großen Teil des Cyanids zu binden. Die Wirksamkeit dieses Gegenmittels hängt allerdings von der Hämoglobinkonzentration im Blut ab.

Ein weiteres Gegenmittel ist Natriumthiosulfat. Dieses beschleunigt die körpereigene Entgiftung erheblich.

Bei Brandgasinhalation muss unbedingt beachtet werden, dass durch eine gleichzeitig vorliegende Kohlenmonoxidvergiftung größere Mengen Hämoglobin bereits gebunden sind und keinen Sauerstoff mehr transportieren können. Dies birgt bei der Behandlung, die bis zu einem Drittel des Hämoglobins umwandelt, die große Gefahr einer tödlichen Hypoxie.

Speziell für diese Fälle wird Hydroxycobalamin verwendet, welches unter dem Handelsnamen Cyanokit® in der EU seit 2007 zugelassen ist. Für dieses Antidot bestand bisher keine offizielle Zulassung in Deutschland, es wurde aber in einzelnen Regionen versuchsweise verwendet (etwa Berufsfeuerwehr München). Zu beachten ist hier jedoch, dass eine Lebensrettung nur bei 100%ig nüchternem Zustand (auch kein Restalkohol im Blut) Chancen auf Erfolg verspricht. Die Wirkung des Hydroxycobalamins besteht darin, dass es mit Cyanidionen starke Komplexe eingeht und somit das Cyanid bindet. Jedes Hydroxocobalaminmolekül kann ein Zyanidion binden, indem der Hydroxoligand, der an das dreiwertige Cobalt-Ion gebunden ist, durch einen Cyanoliganden ersetzt wird. Das dabei entstandene Cyanocobalamin ist eine stabile, ungiftige Substanz, die im Urin ausgeschieden wird.

Der in vielen Nahrungsmitteln in geringen Konzentrationen enthaltene Cyanwasserstoff wird vom menschlichen Enzym Rhodanase in den ungefährlichen Stoff Rhodanid umgewandelt.

Als weitere Maßnahme könnte Isoamylnitrit zur Inhalation verabreicht werden, welches ebenfalls eine Methämoglobinbildung bewirkt; diese Maßnahme sollte wegen der Gefahr eines starken Blutdruckabfalls allerdings nur mit Vorsicht angewandt werden. In Deutschland befindet sich kein Präparat mit diesem Wirkstoff auf dem Markt; andere NO-Donatoren wie Glyceroltrinitrat bewirken nur eine sehr geringe Methämoglobinbildung und sind nicht als Antidot geeignet.

Natürliches Vorkommen

Aprikosenkerne

Die Kerne einiger Steinobstfrüchte (Mandel, insbesondere Bittermandel, Aprikose, Pfirsich, Kirsche) und anderer Rosengewächse enthalten geringe Mengen an Blausäure, diese dient vermutlich als Fraßschutz der Samen. Die in den Tropen vielfach als Nahrungsmittel genutzte Knolle des Maniok enthält ebenfalls als cyanogenes Glykosid gebundene Blausäure, die durch die Verarbeitung vor dem Verzehr der Pflanze entfernt wird. Weitere wichtige Nahrungsmittel mit toxikologisch relevanten Blausäuregehalten sind Yamswurzel, Süßkartoffel (gewisse Sorten), Zuckerhirse, Bambus, Leinsamen und Limabohne. Unreife Bambussprossen, die in östlichen Ländern als Delikatesse gelten, enthalten hohe Blausäuregehalte, Vergiftungsfälle sind bekannt. Durch Zubereitung (intensives Kochen) wird die Blausäure von den Glykosiden abgespalten und in die Luft abgegeben.

Cyanogene Giftpflanzen sind unter den höheren Pflanzen weit verbreitet und können bei Verletzung des Pflanzengewebes durch Pflanzenfresser HCN aus cyanogenen Glykosiden mittels des Enzyms Hydroxynitrillyase freisetzen. Einige Beispiele für cyanogene Pflanzen sind der tropische Goldtüpfelfarn (Phlebodium aureum), ein Mitglied der Tüpfelfarngewächse, oder der brasilianische Gummibaum (Hevea brasiliensis). Weiß-Klee enthält das Blausäureglyklosid Linamarin, das bei oraler Aufnahme von Pflanzenteilen für kleine Tiere (z. B. Schnecken) besonders giftig ist, da sich hieraus Blausäure abspalten kann. Einer der bekanntesten Stoffe, die Blausäure abspalten und in Pflanzen (Aprikosenkerne) vorkommen, ist Amygdalin.

Herstellung

Industrielle Erzeugung

{\displaystyle \mathrm {2\ CH_{4}\ +\ 2\ NH_{3}\ +\ 3\ O_{2}\longrightarrow \ 2\ HCN\ +\ 6\ H_{2}O} }
{\displaystyle \mathrm {CH_{4}\ +\ NH_{3}\ \longrightarrow \ HCN\ +\ 3\ H_{2}} }

Abfall- und Nebenprodukt

Blausäure wird bei fehlerhafter Handhabung von Prozessschritten in der Galvanik frei.

Beim Verbrennen stickstoffhaltiger Polymere (Kunststoffe) kann in erheblichem Umfang Blausäure entstehen.

Beim Rauchen von Tabak und bei der Verbrennung von Esbit werden geringe Mengen Blausäure freigesetzt.

Handhabung

Genetische Wahrnehmungseinschränkung

Mehr als ein Viertel der Bevölkerung kann den Geruch von Blausäure nicht wahrnehmen, häufig wird die Wahrnehmung durch Lähmung der Geruchsnervenzellen verhindert. Es müssen daher besondere Sicherheitsmaßnahmen beim Umgang mit Blausäure getroffen werden. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit berücksichtigt dies bei Eignungsuntersuchungen von Befähigungsscheinbewerbern für Begasungen bzw. Schädlingsbekämpfung.

Transport

Um den Transport dieses Gefahrstoffes zu vermeiden, wird Blausäure in der Regel sofort am Herstellungsort weiterverarbeitet.

Verwendung

Hinrichtungen/Morde

Als Biozid

Blausäure wird zur Bekämpfung von Ungeziefer eingesetzt. Hierzu wird ein Trägermaterial, z.B. Kieselgur, mit Blausäure getränkt und Riechstoffe zur Warnung zugefügt.

Kampfmittel

Als Giftgas wurde Blausäure erstmals durch die französische Armee am 1. Juli 1916 eingesetzt. Aufgrund seiner hohen Flüchtigkeit blieb der Einsatz aber wirkungslos.

Industrielle Verwendung

Blausäure wird in vielen Prozessen in der Industrie und im Bergbau eingesetzt, beispielsweise für die Herstellung von Chlorcyan, Cyanurchlorid, Aminosäuren (besonders Methionin), Natriumcyanid und vieler weiterer Derivate sowie zum Auslaugen von Gold:

{\mathrm  {4\ Au+8\ HCN+O_{2}+4\ OH^{-}\longrightarrow 4\ [Au(CN)_{2}]^{-}+6\ H_{2}O}}

Die Gold-Lösung wird dann mit Zink reduziert. Der Cyanido-Komplex kann auch durch zugesetzte Kokosnussschalen-Aktivkohle absorptiv gebunden werden. Aus der so mit dem Cyanidokomplex beladenen Aktivkohle kann das Gold nach dem Verbrennen des organischen Anteils als „Asche“ gewonnen werden. In moderneren Anlagen wird der Cyanido-Komplex aus der abgetrennten beladenen Aktivkohle durch Eluieren mit heißer Natriumcyanid-Lösung in konzentrierter Form gewonnen (wegen der besseren Handhabung wird hierbei nicht flüssige Blausäure, sondern eine Natriumcyanid-Lösung eingesetzt). Dieses Verfahren führt, wie auch das alternativ nur noch sehr selten eingesetzte Quecksilber-Amalgamverfahren, zu den teilweise katastrophalen Gewässervergiftungen in den Goldfördergebieten der Dritten Welt.

Blausäure wird in großen Mengen zur Herstellung von Adiponitril und Acetoncyanhydrin, beides Zwischenprodukte der Kunststoffproduktion, verwendet. Bei der Adiponitrilherstellung wird Blausäure mittels eines Nickel-Katalysators an 1,3-Butadien addiert (Hydrocyanierung). Zur Acetoncyanhydrinherstellung wird Blausäure katalytisch an Aceton addiert. Aus Blausäure werden im industriellen Maßstab in mehrstufigen Verfahren auch die α-Aminosäure DL-Methionin (Verwendung in der Futtermittel-Supplementierung) und der Heterocyclus Cyanurchlorid hergestellt. Aus Cyanurchlorid werden Pflanzenschutzmittel und andere Derivate synthetisiert.

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Basierend auf einem Artikel in Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 04.06. 2023