Propionsäure

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP), ggf. erweitert
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol
Gefahr
H- und P-Sätze H:
  • Flüssigkeit und Dampf entzündbar.
  • Verursacht schwere Verätzungen der Haut und schwere Augenschäden.
  • Kann die Atemwege reizen.
P:
  • Von Hitze, heißen Oberflächen, Funken, offenen Flammen und anderen Zündquellen fernhalten. Nicht rauchen.
  • Behälter dicht verschlossen halten.
  • Behälter und zu befüllende Anlage erden.
  • Schutzhandschuhe/ Schutzkleidung/ Augenschutz/ Gesichtsschutz/ Gehörschutz/ … tragen.
  • Bei Berührung mit der Haut [oder dem Haar]: Alle kontaminierten Kleidungsstücke sofort ausziehen. Haut mit Wasser abwaschen [oder duschen].
  • Bei Kontakt mit den Augen: Einige Minuten lang behutsam mit Wasser spülen. Eventuell vorhandene Kontaktlinsen nach Möglichkeit entfernen. Weiter spülen.
MAK
  • DFG: 10 ml/m3 bzw. 31 mg/m3
  • Schweiz: 10 ml/m3 bzw. 30 mg/m3
Toxikologische Daten

Propionsäure ist der Trivialname der Propansäure, einer Carbonsäure mit stechendem Geruch. Ihre Salze und Ester heißen Propionate bzw. systematisch Propanoate.

Strukturformel
Struktur von Propionsäure
Allgemeines
Name Propionsäure
Andere Namen
  • Propansäure (IUPAC)
  • Ethancarbonsäure
  • Metacetonsäure
  • E 280
  • PROPIONIC ACID (INCI)
Summenformel C3H6O2
Kurzbeschreibung farblose Flüssigkeit mit unangenehmem Geruch
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer Extern 79-09-4
EG-Nummer 201-176-3
ECHA-InfoCard Extern 100.001.070
PubChem Extern 1032
ChemSpider Extern 1005
DrugBank Extern DB03766
Eigenschaften
Molare Masse 74,08 g/mol
Aggregatzustand flüssig
Dichte 0,99 g/cm3 (20 °C)
Schmelzpunkt −21 °C
Siedepunkt 141 °C
Dampfdruck
  • 2,28 hPa (15,3 °C)
  • 3,99 hPa (23 °C)
  • 7,43 hPa (32,2 °C)
  • 22,01 hPa (50,1 °C)
pKS-Wert 4,87
Löslichkeit
Brechungsindex 1,386
Thermodynamische Eigenschaften
ΔHf0 −510,7 kJ/mol

Geschichte und Etymologie

Johann Gottlieb entdeckte 1844 bei der Reaktion von Kohlenhydraten mit geschmolzenen Alkalimetallhydroxiden die Propionsäure und ihre Salze. Der Name Propionsäure wurde ihr 1847 vom französischen Chemiker Jean-Baptiste Dumas gegeben. Dumas leitete ihn aus griech. protos, ‚das Erste‘, und pion, ‚Fett‘ ab, da sie die kleinste (erste) Carbonsäure ist, die ein ähnliches Verhalten wie Fettsäuren zeigt, indem sie beim Aussalzen einen Ölfilm auf Wasser und ein seifenartiges Kaliumsalz bildet.

Vorkommen

Propionsäure kommt in der Natur in einigen ätherischen Ölen vor. Es gibt auch Bakterien, die Propionsäure bilden, wie beispielsweise Clostridien, die den Dickdarm des Menschen besiedeln. Sie bilden dort die Säure aus unverdauten Kohlenhydraten. Auch bei der Herstellung bestimmter Käse ist die Bildung von Propionsäure durch bestimmte Bakterien von Bedeutung: Propionsäurebakterien im Käsebruch bilden beim Emmentaler und anderen Hartkäsesorten die charakteristischen Löcher und das Aroma durch Freisetzung von Kohlenstoffdioxid und Propionsäure. Sie bildet sich auch bei Gärungs- und Fermentationsprozessen beziehungsweise beim biologischen Abbau von pflanzlichen bzw. tierischen Materialien.

Ein Verursacher des unangenehmen Mundgeruchs beim Menschen ist – neben Buttersäure, Schwefelwasserstoff und anderen flüchtigen schwefelhaltigen organischen Verbindungen (Methanthiol, Dimethylsulfid) – Propionsäure.

Gewinnung und Darstellung

Industrielle Herstellung

Zur großtechnischen Herstellung von Propionsäure in der Chemischen Industrie werden aktuell zwei Verfahren angewendet. Die Hydrocarboxylierung von Ethen (Carbonylierung in Gegenwart von Wasser) wurde bereits in den 1930er Jahren von Walter Reppe bei der BASF in Ludwigshafen am Rhein entwickelt. Aufgrund der preisgünstigen Verfügbarkeit von Aldehyden auf Basis von petrochemischen Rohstoffen durch die Entwicklung der Oxo-Synthese bzw. Hydroformylierung, wird Propionsäure heute ebenfalls durch die Oxidation von Propionaldehyd hergestellt.

Hydrocarboxylierung von Ethen (BASF-Prozess)

Im Rahmen dieses Verfahrens wird Ethen mit Kohlenstoffmonoxid und Wasser bei Temperaturen von 250–320 °C und Drücken von 100–300 bar in Gegenwart von Nickeltetracarbonyl [Ni(CO)4] als homogener Katalysator in der flüssigen Phase umgesetzt.

Hydrocarboxylierung von Ethen mit Kohlenstoffmonoxid und Wasser zu Propionsäure in Gegenwart von Nickeltetracarbonyl als Katalysator
Hydrocarboxylierung von Ethen mit Kohlenstoffmonoxid und Wasser zu Propionsäure in Gegenwart von Nickeltetracarbonyl als Katalysator

Dieses Verfahren wird heute vor allem in Anlagen der BASF SE durchgeführt. Das Unternehmen ist der weltweit größte Hersteller von Propionsäure und produziert diese an ihren Verbundstandorten in Ludwigshafen am Rhein (Deutschland) und Nanjing (China), die in den vergangenen Jahren stetig erweitert wurden. Die Produktionskapazität der BASF-Anlagen beträgt etwa 180.000 Jahrestonnen.

Oxidation von Propionaldehyd

Ein weiteres wichtiges Verfahren zur großtechnischen Herstellung von Propionsäure ist die Oxidation von Propionaldehyd. Letzterer wird derzeit aus petrochemischen Ausgangsstoffen produziert und steht daher preisgünstig und in großen Mengen zur Verfügung. Die Flüssigphasenoxidation von Propionaldehyd wird mit Luftsauerstoff bei milden Temperaturen von 30–50 °C und geringen Drücken von 1–3 bar in Gegenwart von Mangan(II)-propionat als Katalysator durchgeführt.

Flüssigphasenoxidation von Propionaldehyd mit Luftsauerstoff zu Propionsäure in Gegenwart von Manganpropionat als Katalysator
Flüssigphasenoxidation von Propionaldehyd mit Luftsauerstoff zu Propionsäure in Gegenwart von Manganpropionat als Katalysator

Man arbeitet in der flüssigen Phase und verwendet Propionsäure als Lösungsmittel.

Sonstiges

Auch bei der Gewinnung von Biogas> aus organischen Abfällen wird Propionsäure gebildet. Propionsäure entsteht in der zweiten Phase der Materialzersetzung, der säurebildenden Phase, in einem luftdichten Gärbehälter.

Der weltweite Verbrauch an Propionsäure wurde im Jahr 2016 auf etwa 350.000 Tonnen geschätzt.

Eigenschaften

Sicherheitstechnische Kenngrößen

Propionsäure bildet bei erhöhter Temperatur entzündliche Dampf-Luft-Gemische. Die Verbindung hat einen Flammpunkt bei 52 °C. Der Explosionsbereich liegt zwischen 2,85 Vol.‑% (87 g/m3) als untere Explosionsgrenze (UEG) und 12 Vol.‑% (370 g/m3) als obere Explosionsgrenze (OEG).) Hier ergibt sich ein oberer Explosionspunkt von 48 °C. Die Grenzspaltweite wurde mit 1,1 mm bestimmt. Es resultiert damit eine Zuordnung in die Explosionsgruppe IIA. Die Zündtemperatur beträgt 485 °C. Der Stoff fällt somit in die Temperaturklasse T1.

Verwendung

Propionsäure ist ein wichtiger Synthesebaustein zur Herstellung von Kunststoffen, Herbiziden und Arzneimitteln. Propionsäure (E 280) sowie ihre Salze Natriumpropionat (E 281), Calciumpropionat (E 282) und Kaliumpropionat (E 283) werden als Konservierungsmittel verwendet. Die Säure selbst hat einen für den Menschen unangenehmen Geschmack, deshalb werden in der Lebensmittelindustrie, vor allem für abgepacktes Schnittbrot oder Feingebäck, die Salze der Säure verwendet. Die Säure selbst wird häufig der Silage zugesetzt, dort darf der Anteil bis zu 2 % der Trockenmasse betragen. Der Zusatzstoff hat den positiven Nebeneffekt, dass er Ketoazidosen bei Milchvieh vorbeugt. In der Bundesrepublik Deutschland waren Propionsäure und deren Salze in Schnittbrot ab 1988 verboten, da berichtet wurde, dass sie bei Ratten krebsähnliche Veränderungen des Vormagens hervorrufen. Nach neuestem EU-Recht ist sie wieder erlaubt. Auch von der amerikanischen Food and Drug Administration wird Propionsäure als sicher eingestuft. Der Mensch benötigt zum Abbau von Propionsäure Vitamin B12. Daneben sind Propionsäure und ihre Salze als Konservierungsmittel für Kosmetika gemäß deutscher Kosmetik-Verordnung zugelassen.

Viele Pilze sind in der Lage, auf reiner Propionsäure zu wachsen. Besonders in Verbindung mit anderen Kohlenstoff-Quellen wie Glucose wird aber die Polyketid-Synthase der Pilze und damit das Wachstum gehemmt.

Die Ester der Propionsäure dienen als Riechstoffe, Aromastoffe sowie als Lösungsmittel.

Humanmedizin

Untersuchungen an Zelllinien von Dünn- und Dickdarmzellen haben gezeigt, dass die Stimulierung der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren für kurzkettige Fettsäuren GPR41 (free fatty acid receptor FFAR 3) und GPR43 (free fatty acid receptor FFAR 2) durch Propionsäure zum Beispiel zu einer günstigen Beeinflussung des Fett- und Zuckerstoffwechsels führt. Die gleiche Beobachtung konnte auch direkt an Ratten gemacht werden.

Besonders die vermehrte Bildung von zwei Hormonen, PYY (Peptid YY) und GLP-1 (Glucagon-like Peptide 1) ist in diesem Zusammenhang wichtig. PYY und GLP-1 werden in den „L-Zellen“ des Darms, besonders im letzten Teil des Dünndarms (Ileum) und im Dickdarm (Blinddarm, aufsteigender Dickdarm) produziert. GLP-1 aktiviert die Insulinproduktion in der Bauchspeicheldrüse und hemmt dort gleichzeitig die Glucagon-Bildung (Glucagon ist der Insulin-Gegenspieler und erhöht den Blutzuckerspiegel). Somit wird durch kurzkettige Fettsäuren der Blutzuckerspiegel gesenkt.

Gleichzeitig wird der Appetit reduziert und das Sättigungsgefühl verstärkt. Dabei wirken PYY und GLP-1 sowohl im Hypothalamus, einer bestimmten Gehirnregion, im Sinne eines Sättigungsgefühls sowie einer Verminderung des Appetits, als auch im Magen, wo die Entleerung gehemmt wird.

Wird Propionsäure in Form von Natriumpropionat oder Calciumpropionat der Nahrung zugeführt, hat dies eine Produktion von PYY und GLP-1 zur Folge, deren Spiegel im Blut ansteigen. Im Laufe eines halben Jahres kommt es bei Übergewichtigen zu einer Gewichtsabnahme, auch im Bauchraum und der Leber, und die Insulinresistenz, die sich in der Kontrollgruppe verschlechtert, bleibt gleich.

Tirosh et al. zeigten in einer Studie mit 14 Probanden, dass der Verzehr einer 1000 mg Propionat enthaltenden Mischmahlzeit beim Menschen kurz nach dem Essen zu einem Anstieg von Plasma-Glucagon, einem glukoneogenen Hormon namens Fettsäure-bindendes Protein 4 (FABP4), und zur Noradrenalinfreisetzung durch das sympathische Nervensystem führte. Dies wiederum bewirkte eine Insulinresistenz mit kompensatorischer Hyperinsulinämie. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Propionat als Stoffwechseldisruptor wirken kann, der das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 und Adipositas beim Menschen potenziell erhöht.

Antientzündliche Wirkung

Propionsäure wird bei ballaststoffreicher Ernährung durch Bakterien im Dickdarm gebildet und stellt dann eine der wichtigsten Energiequellen der oberflächlich gelegenen Darmzellen (Darmepithelien) dar. Wie andere kurzkettige Fettsäuren übt auch die Propionsäure einen regulierenden Einfluss auf die Entzündungsbereitschaft des Darmes sowie des gesamten Organismus aus und kann im Tierversuch chronischen Entzündungskrankheiten, wie etwa der Multiplen Sklerose, vorbeugen. Neuerdings zeichnen sich sogar Erfolge bei der Therapie der menschlichen MS ab. Zudem stimuliert Propionsäure bestimmte neuroendokrine Zellen des Dickdarmes, die sogenannten L-Zellen, zur Produktion von Hormonen (Glucagon-like Peptide 1, Peptide YY), die sich günstig auf Adipositas und Diabetes auswirken.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

In einem Tierversuch fütterten Forscher Mäuse mit hohem Blutdruck mit Propionat. Danach hatten die Tiere weniger ausgeprägte Herzschäden oder abnormale Vergrößerungen des Organs, was sie weniger anfällig für Herzrhythmusstörungen machte. Auch Gefäßschäden, wie z.B. Atherosklerose, nahmen bei Mäusen ab. Das Forschungsteam hofft nun, ihre Ergebnisse zu bestätigen, indem es die Auswirkungen der Substanz auf den Menschen untersucht.

Physiologische Effekte

Nehmen Menschen eine ballaststoffreiche Diät zu sich, so ändert sich nach einigen Monaten die Zusammensetzung der Bakterien im Darm und es werden mehr kurzkettige Fettsäuren gebildet.

Die Epithelzellen des Dickdarms nehmen fast 90 % der kurzkettigen Fettsäuren auf und geben sie über das Pfortadersystem und die Leber an den Organismus weiter. Aktuellen Schätzungen zufolge bezieht der Mensch bis zu zehn Prozent seines täglichen Energiebedarfs über die kurzkettigen Fettsäuren. Darüber hinaus decken die Epithelien des Dickdarms über die Hälfte ihres Energiebedarfs aus kurzkettigen Fettsäuren, insbesondere auch über die Buttersäure.

Eine Reihe von Zellen haben auf ihrer Oberfläche Rezeptoren, mit denen sie kurzkettige Fettsäuren erkennen können. Über diese Rezeptoren werden Signale in das Innere der Zelle übermittelt, die das Verhalten der Zelle verändern. Interessant ist, dass diese Rezeptoren zum einen auf Zellen vorhanden sind, die mit dem Fett- und Zuckerstoffwechsel zu tun haben, und sich aber andererseits zum Beispiel auch auf Immunzellen finden: Es sind in erster Linie sogenannte G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPR), speziell GPR41 (free fatty acid receptor FFAR 3) und GPR43 (free fatty acid receptor FFAR 2).

GPR41 findet sich in Zellen von Fettgewebe, Bauchspeicheldrüse, Milz, Lymphknoten, Knochenmark, Lymphozyten und Monozyten. GPR43 findet sich im distalen Ileum, Colon, Fettgewebe, in Monozyten und neutrophilen Granulozyten (höchste Expression). Dementsprechend sind die Effekte von Propionsäure und ihren Salzen, wie Natriumpropionat, und anderen kurzkettigen Fettsäuren speziell auf den Zucker- und Fettstoffwechsel sowie das Immunsystem ins Zentrum der aktuellen Forschung gerückt.

Sicherheitshinweise

Propionsäure wirkt ätzend, in Verdünnung reizend auf Haut, Augen, Schleimhäute und Atemtrakt. Bei längerer Gabe von Propionsäure und Propionaten im Futter von Ratten in Dosierungen zwischen 0,6 und 5 % verursachen diese Veränderungen des Vormagens (Verdickungen und Entzündungen). Dies wird jedoch als für Ratten speziesspezifische Reaktion eingestuft, da bei anderen Tierarten wie Mäusen und Kaninchen keine derartigen Effekte beobachtet wurden.

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Basierend auf einem Artikel in: Extern Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 05.03. 2024